Die Kanadierin Tate McRae ist mit nur 21 Jahren bereits einer der großen Popstars der Moderne und fungiert als emotionale Brandbeschleunigerin für eine junge Generation von Fans. Bei ihrer »Miss Possessive«-Welttour hat sie nun auch in NRW Station gemacht – vor 15.000 Menschen in der ohrenbetäubend lauten Kölner Lanxess-Arena.
Mit 21 Jahren ist Tate McRae derzeit die Blaupause für all das, was sich Teenager als Auftakt ins urplötzlich hochspannend und komplex werdende, durchstartende Leben wünschen – und dem die etwas Älteren für die Uni paukend oder morgens in aller Herrgottsfrühe gen Ausbildung aufbrechend doch schon wieder hinterhertrauern: Ruhm und Stardome im Zeitraffertempo. 2017 hatte sie ein paar Videos bei Tik Tok hochgeladen, wo sich in fünf Sekunden ja ganze Welten unterbringen lassen. Hatte ordentlich Klicks und Likes gesammelt. Und auf einmal nun steht sie da, in Riesenhallen wie der ausverkauften Kölner Lanxess-Arena, und lässt den Pop nicht mehr fünf Sekunden kurz sondern 100 Minuten lang mit allen Kniffen, Finten und Könnerinnentricks über 15.000 Menschen hereinbrechen.
Der Titel ihres aktuellen Albums, der gleichzeitig auch Tate McRaes Welt-Tour den Namen gibt, könnte dabei nicht passender sein: »Miss Possessive«. Die Besitzergreifende. Schon beim Intro bollert und grollt es, während sich Tate McRae auf der riesigen Videowand vor Monitoren, auf denen ihre Fans zu sehen sind, räkelt. Dann knallt’s. Licht aus. Licht an. Und es wird getanzt.
Die Bühne, flankiert von zwei großen Baukränen und mit einem wuchtigen Baugerüst als erhöhter Fläche im Zentrum, zeigt‘s an: Tate McRae ist die Working Class des modernen Pop. Eine Malocherin, die sich mit ihrer Truppe aus Tänzerinnen und Tänzern durch zahllose Choreografien wühlt. Manche sagen, im Vergleich zu anderen aus dem Business – vor zwei Wochen etwa stand Billie Eilish hier in dieser Halle – seien die Texte der Kanadierin nicht ganz so, neudeutsch, deep. Soll heißen: Nicht so hoch emotional, ästhetisch, lyrisch und ganze Geschichten erzählend. Und das stimmt ja irgendwie. Es geht bei ihr auch mal ums schnöde »Sports car« oder ein simples »Uh oh«.
Bombast, Drama, großes Tiefenbass-Kino
Dafür aber gibt es derzeit weltweit wahrscheinlich kaum eine Show, die physischer ist als ihre. Tate McRae hat eine offensive Körperlichkeit, die aktuell einmalig ist im Musikzirkus und von der sich sicherlich auch eine Madonna zu ihren Hochzeiten gerne ein bis zwei Scheibchen abgeschnitten hätte. Tate McRae macht Pole-Dance an der Stange und Kopfstand auf dem Boden. Sie tanzt auf Stühlen, mit Stöcken, unter rollenden Rahmen hindurch, über den in die Hallenmitte führenden Steg und auf hydraulischen Bühnen in der Bühne. Sie tut das mal in Stiefeln und Glitzerkleid. Und mal in Jogginghose, Sneakern und dem von ihr besungenen »Purple Lace Bra«. Kurzum: Es ist eine Reizüberflutung und ein Konditionsding par excellence inmitten von dem, was moderne Popmusik eben so ausmacht: Bombast, Drama, großes Tiefenbass-Kino. Und Herzschmerz selbstverständlich, wenn sie »You broke me first« vom Publikum singen oder sich bei »Greenlight« von den Fans mit bunten Smartphonelichtern bescheinen lässt.
Klar: Für die älteren sich vor der Bühne Tummelnden mag es amüsant anmuten, wenn Tate McRae von den eigenen musikalischen Urschleimzeiten mit ersten Songs und einem zum ersten Mal gebrochenen Herz erzählt und einem beim kurzen Durchrechnen im Kopf auffällt, dass diese Zeiten gerade mal acht Jahre zurückliegen. Ein Klacks. Aber letztlich ist es doch so: Diese Künstlerin hier hat all das, was jeder Mensch in der Adoleszenz durchhat, eben auch schon durch. Nur dass sie darüber singt und darauf eine Starkarriere gegründet hat und jetzt als Inspiration und emotionale Brandbeschleunigerin für die nachwachsende, nach-fühlende Generation fungiert. Das ist eine Essenz von Pop. Das ist guter, an der Perfektion kratzender Pop. Und Tate McRae ist: durch und durch Pop.