Benjamin Brittens »War Requiem«, dirigiert von Asher Fisch, ist das größte Projekt, das die Tonhalle Düsseldorf in der Saison 2025/26 schultert. 1962 zur Einweihung der wiederaufgebauten Kathedrale von Coventry komponiert, verstand der überzeugte Pazifist sein monumentales Oratorium als Mahnung gegen den Krieg.
1940 wurde die gotische Kathedrale von Coventry bei einem deutschen Luftangriff weitgehend zerstört. Die Ruinen ließ man als Mahnmal stehen – daneben entstand nach Plänen des Architekten Basil Spence eine neue Kathedrale. Spektakulär war nicht nur, dass der charakteristische Turm per Hubschrauber aufgesetzt wurde. Auch die musikalische Untermalung der Zeremonie fiel aus dem Rahmen: Benjamin Britten (1913-1976), einer der bedeutendsten britischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, setzte mit seinem »War Requiem« Maßstäbe – sowohl quantitativ als auch qualitativ.

Sein Opus 66 vereint Orchester, Sopran-, Tenor- und Bariton-Solist*innen, außerdem Knabenchor und gemischten Chor. Um das Leid des Krieges hörbar zu machen, kombinierte der Pazifist und Kriegsdienstverweigerer die lateinische Totenmesse (Requiem) mit den englischen Gedichten des Soldaten und Dichters Wilfred Owen, der in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs gestorben ist. Schon die Uraufführung setzte ein Zeichen der Versöhnung: Vertreten waren Solist*innen aus Nationen, die im Zweiten Weltkrieg gegeneinander gekämpft hatten, darunter der englische Tenor Peter Pears und der deutsche Bariton Dietrich Fischer-Dieskau.
Mithin sind die Aufführungen im Mendelssohn-Saal der Tonhalle Düsseldorf mehr als ein gewöhnliches Konzerterlebnis; vielmehr ermöglichen sie eine aufwühlende Begegnung mit der Geschichte. Auferstanden aus Ruinen, wurde die Kathedrale von Coventry zum Symbol und Zentrum der Versöhnung und des Neubeginns. Benjamin Brittens eindringliche Antikriegskomposition hatte daran wichtigen Anteil.
Ein Sternzeichen der Musik, das in der Tonhalle-Reihe »Sternzeichen« ideal aufgehoben ist. Am Pult der Düsseldorfer Symphoniker steht Asher Fisch – der israelische Dirigent und Pianist, der seine Dirigentenlaufbahn als Assistent von Daniel Barenboim an der Berliner Staatsoper begann, interpretiert Opern ebenso souverän wie Sinfonien. Der vielseitige Musiker, Chefdirigent des West Australian Symphony Orchestra (WASO), zudem Musikdirektor der Tiroler Festspiele Erl, beherrscht ein Repertoire, das von Gluck bis hin zu Uraufführungen des 21. Jahrhunderts reicht.

Die Solist*innen-Riege setzt sich aus der Sopranistin Elena Perroni, dem Tenor Paul O›Neill und dem Bariton Yngve Søberg zusammen. Doch die emotionale Wucht des Werkes entfaltet sich erst im Zusammentreffen der Chöre: Der WDR Rundfunkchor Köln gibt hier sein Tonhallen-Debüt unter der Einstudierung von Timo Nuoranne. Flankiert wird er durch den Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf und den Jugendchor der Clara-Schumann-Musikschule Düsseldorf.
Wenn all diese Stimmen – von den feinzarten des Jugendchors bis zu den dramatischen Klängen des großen Hauptchores – in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln das Requiem anstimmen, dann ist dies nicht nur eine Aufführung; es ist ein kollektiver Akt der Erinnerung und des stillen Protests gegen das Vergessen der Trümmer, aus denen die Musik einst geboren wurde.
»STERNZEICHEN: WAR REQUIEM«, TONHALLE DÜSSELDORF, 2. UND 3. NOVEMBER, 20 UHR. EIN STAR-TALK FINDET ZUDEM JEWEILS VOR KONZERTBEGINN (UM 19 UHR) STATT. WWW.TONHALLE.DE/VERANSTALTUNG/STERNZEICHEN/17291-WAR-REQUIEM





