Mit Gerhart Baum (1932-2025) haben NRW und die Bundesrepublik Deutschland eine bedeutende Stimme für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Kultur verloren. Isabel Pfeiffer-Poensgen war eng mit dem ehemaligen Bundesinnenminister und liberalen Politiker befreundet – und erinnert sich an seine Leidenschaft für die Kunst, an einen klugen Strategen und streitbaren Gesprächspartner.
Häufig klingelte am Sonntag im Laufe des Vormittags das Telefon, eine energische Stimme sagte: »Isabel« – mit Betonung auf dem »l«, und dann folgte ein Energieschub durch die Leitung mit vielen Ideen und Vorschlägen und strategischen Überlegungen – das war Gerhart Baum.
Wir kannten uns seit vielen Jahren über seine Frau Renate Liesmann-Baum: Sie war Musikreferentin der Stadt Köln, ich Kanzlerin der Musikhochschule Köln. In meiner späteren Berliner Zeit sahen wir uns zu Gerhart Baums Geburtstagen, die er immer in Köln und Berlin feierte. Als ich dann 2017 nach Düsseldorf wechselte und in das Kabinett von Ministerpräsident Laschet eintrat, war er Präsident des nordrhein-westfälischen Kulturrats und mein idealer Sparringpartner, anstrengend, aber immer konstruktiv und kreativ. Ob es Stipendien für Künstlerinnen und Künstler während der Corona-Zeit waren (am Ende gab es 15.000 über 18 Monate), Hilfen für geflohene ukrainische Künstlerinnen und Künstler oder das neu geschaffene, umfassende Kulturgesetzbuch: Stets entstanden in den Gesprächen mit Gerhart Baum konstruktive Lösungen, mit denen die Vorhaben erfolgreich umgesetzt wurden. Wenn es einmal nicht voranging, setzte er seine große Autorität ein, um Widersacher von einer guten Idee zu überzeugen. Auch im Rundfunkrat des WDR erinnerte er immer wieder deutlich daran, das Kulturangebot des Öffentlich-rechtlichen Senders nicht zu vernachlässigen oder gar zu reduzieren.
Bei der Verleihung des Kulturgroschen 2019 durch den Kulturrat bekannte er, dass die Kultur eines seiner politischen Lebensthemen sei – was für ein Glücksfall für alle Künstlerinnen und Künstler, deren Fürsprecher er war. Sein großes Engagement beruhte auf der Überzeugung, dass die Kultur geschützt und gefördert werden müsse als unverzichtbarer Baustein für die Gesellschaft. Dies alles war eingebettet in seinem unbeirrbaren Engagement für Freiheit und Bürgerrechte. Es ging ihm eben nicht um Nützlichkeits- und Verwertungsgedanken, nicht um Quote und ökonomische Effizienz, sondern um die Bedeutung der Kunst für jeden einzelnen, um die Förderung seines jeweiligen Potenzials.
Als kluger Stratege hat er nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in zahlreichen Bundesländern dafür gesorgt, dass sich die Künste organisieren, um die Interessen von Künstlerinnen und Künstlern wirkungsvoll zu vertreten: Es geht um gute Rahmenbedingungen für die künstlerische Arbeit, aber immer wieder auch um die in schwierigen Zeiten zur Disposition stehende Kulturförderung. All diese Initiativen kamen aus einer alle Sparten umfassenden Leidenschaft für die Kunst und seiner nicht nachlassenden Energie. Gerhart Baum übernahm Verantwortung für unser demokratisches Gemeinwesen, und er verlangte dies von jedem von uns. Er tat dies mit einem klaren Kompass und unbeirrter Streitlust. Seine Stimme wird uns nicht nur in diesen schwierigen Zeiten fehlen.
Isabel Pfeiffer-Poensgen war unter anderem Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder und von 2017 bis 2022 Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW. Seit 2023 ist sie Geschäftsführerin der Carl Friedrich von Siemens Stiftung.