Wer in einer Welt aus Kriegen, Klimakrise und hohen Teuerungsraten den optimistischen Blick nicht verlieren will, geht am besten mal ins Kabarett – ausgerechnet! Tatsächlich kann der 64-jährige Jürgen Becker im Bochumer Bahnhof Langendreer glaubhaft vermitteln, dass er den Glauben an die Zukunft nicht verloren hat.
Das aktuelle Programm des Mannes, der bis Ende 2020 die legendäre WDR-Sendung »Mitternachtsspitzen« präsentiert hat, heißt »Die Ursache liegt in der Zukunft«. Und offenbar meint er damit auch die Ursache für gute Laune. Dabei findet er im Laufe des rund zweistündigen Abends im seit langem ausverkauften Saal auch genügend Ursachen für Beschwerden: Deutschland bezahle denjenigen am wenigsten, die am wichtigsten sind: Menschen in Pflege- und Sozialberufen. »Weltverbesserer ist hierzulande ein Schimpfwort – dabei brauchen wir Utopien!« Wohnraum in der Stadt sei inzwischen so teuer, dass man sich entscheiden könne, eine Wohnung in München-Schwabing zu kaufen oder ein ganzes Dorf in Mecklenburg-Vorpommern.
Eine ganze Zeit lang kommt Jürgen Becker der Lebensrealität seines in Würde mit gealterten Publikums entgegen und spricht zum Beispiel über die schlechte Ärzteversorgung auf dem Land und das Zweiklassen-Gesundheitssystem. Aber im letzten Drittel hätte sein Programm auch einer jüngeren Generation gefallen, den Fridays-For-Future-Kids. Da wird der Kabarettist zum Klima-Dozent und erklärt erst einmal, warum die deutsche Politik während Corona ohne zu zögern die Wirtschaft still stehen ließ und in der Klimakrise keinerlei Anstalten dazu macht: Gut die Hälfte der Bundestagsabgeordneten hätten während der letzten Legislaturperiode zur so genannten vulnerablen Gruppe, also Menschen über 60 Jahren, gehört. Nur fünf waren unter 30 und somit im Durchschnittsalter der klimabewegten Aktivist*innen.
Jürgen Becker sprach vom weltweiten CO2-Ausstoß und Kipppunkten, hatte Statistiken und Zahlen parat, erklärte, wie er sich auch im hohen Alter noch ändern kann, kalt duschen und auf Fliegen verzichten. Und auch wenn es jetzt klingt als habe er am Abend vor allem trocken doziert, so stimmt das keineswegs. Alle seine Themen liefen geschmeidig auf gute Pointen zu. Warum er nicht nach Australien fliegen müsse, erklärte er zum Beispiel so: »Wenn Sie einen Kölner fragen, wird er Ihnen sagen: Australien? Kenn isch net, dat es rechtsrheinisch!«
Überhaupt ist seine Identität als Kölner wohl auch der Schlüssel für seinen Optimismus. Denn genau erklären konnte er nicht, woher er seine Zuversicht nimmt. Aber in Köln glaubt man eben an drei im Prinzip buddhistische Lebensweisheiten: Et es wie et es. Et kütt wie et kütt. Und et hät noch immer joot jejange.