Robert-Lehr-Ufer, rechte Rheinseite. Eine quadratische, hell gepflasterte Fläche ist in den Boden der Rasenfläche an der Düsseldorfer Uferpromenade eingelassen. An jeder der vier Kanten des kleinen Quadrats befindet sich eine Bank. Sie sind so angeordnet, dass sie einander gegenüberstehen – und nicht, wie die übrigen Parkbänke, parallel zum Flussverlauf.
Was auf den ersten Blick wie eine merkwürdige Idee der Düsseldorfer Stadtverwaltung wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als interessante Kunst. Denn die vier Bänke sind eine Installation der deutsch-amerikanischen Konzeptkünstlerin Maria Nordman, die sich in ihrem Werk mit Wahrnehmungsräumen auseinandergesetzt hat. So auch bei ihrem »Kommunikationsquadrat«, das sie 1979 am Rhein platzierte: Lassen sich Personen auf den Sitzbänken nieder, wenden sie sich zwangsläufig einander zu, treten miteinander in Kontakt – und nehmen so auch den Raum, der sie umgibt, anders wahr.
Dass das Bank-Quadrat ein Kunstwerk ist, verrät ein Klick in die neue App NRWskulptur, die das Kultursekretariat Gütersloh anlässlich des gleichnamigen Kunstprojekts entwickeln ließ. »2011 haben wir das Portal NRWskulptur als eine Art Bestandsaufnahme gestartet«, sagt Dr. Sigrun Brunsiek von der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen, die das Projekt leitet. »Wir wollten wissen, welche Kunstwerke es im öffentlichen Raum Nordrhein-Westfalens eigentlich gibt. So ist nach und nach ein virtuelles Museum entstanden.«
2019 folgte dann die zugehörige App: Über 600 öffentliche Skulpturen, Denk- und Mahnmale, Installationen oder Platzgestaltungen sind derzeit in der kostenlosen Smartphone-Anwendung gespeichert. Der Schwerpunkt liegt auf der Kunst nach 1945. Unter den Künstlern finden sich große Namen wie Gerhard Richter, Katharina Grosse oder Olafur Elíasson, aber auch weniger bekannte wie Marta Pan oder Emilia Kabakov.
Jedes Werk ist mit Fotos, Daten und Fakten zu Größe, Material und Standort, einem Zeitstrahl sowie Hintergrundinfos zur Entstehungsgeschichte versehen. So verrät NRWskulptur etwa über das Heinrich-Heine-Monument im Düsseldorfer Hofgarten, dass es jahrelang Kontroversen um die Gestaltung eines Denkmals für den berühmten Dichter gab. Erst 1981 hatte sich die Stadt dann für eine Bronzeskulptur von Bert Gerresheim entschieden, die auf Heines Totenmaske basiert.
26 Meter hoch – die »Lichtsäule« von Günther Uecker
Doch NRWskulptur ist mehr als ein reines Info-Portal für Kunst im öffentlichen Raum. Sie kann auch als digitaler Wegweiser eingesetzt werden, der den Nutzer unkompliziert von Skulptur zu Skulptur navigiert. So lässt sich nach einem Besuch beim Heine-Denkmal mit Hilfe der App gleich die nächste Installation ansteuern, die sich nur ein paar Schritte entfernt am Graf-Adolf-Platz befindet: die sogenannte »Lichtsäule« von Günther Uecker, eine 26 Meter hohe Konstruktion aus Stahl und Lichtstrahlern, die von Einheimischen auch schon mal gern als »Fernmeldekaktus« bezeichnet wird.
Mit Hilfe von Merklisten und verschiedenen Filterfunktionen wie Entstehungszeitraum, Ort oder Künstler lassen sich längere Touren oder kurze Spaziergänge zusammenstellen. »Die App soll neugierig machen und dazu anregen, genauer hinzuschauen«, sagt Dr. Sigrun Brunsiek. »Im öffentlichen Raum gibt es kulturell so viel zu sehen – es muss nicht immer das Museum sein.«
Wer keine individuelle Tour planen möchte, kann vorgespeicherte Streckenvorschläge nutzen. Derzeit sind »Ein Spaziergang durch Münster«, »Die Salztangente« oder »Skulpturenparks in Ostwestfalen-Lippe« verfügbar. Nicht nur die Routen, auch neue Kunstwerke, Informationen sowie der technische Funktionsumfang der App werden fortlaufend ergänzt. Jedes Jahr kommt außerdem ein neuer Schwerpunkt hinzu – für 2020 ist das die Region Aachen.
In Düsseldorf geht es zunächst ein Stückchen weiter in Richtung Medienhafen. In diesem Areal steht unter anderem die verknotete Stahlrohr-Skulptur »Mannesmann I / In Bewegung« des Düsseldorfer Künstlers Nobert Kricke. Knapp 100 Meter davon entfernt, an prominenter Stelle vor dem Landtag, wartet »Zafou (Tzaphon)«, eine 20 Tonnen schwere, scheibenförmige Stahlplastik des Israelis Dani Karavan.
Zum Schluss navigiert die App zur Altstadt zurück. Zum »Ofenrohr«, das aus der Fassade der Kunsthalle ragt – so klein und unscheinbar, dass es schnell übersehen werden kann. Als außen sichtbarer Teil einer Installation, die Joseph Beuys 1981 im Ausstellungshaus geschaffen hatte. Nach der Finissage war das schwarze Rohr als Schenkung einfach in der Fassade geblieben – seitdem wartet sie auf Spaziergänger, als Kunst im öffentlichen Raum.
Die App NRWskulptur ist kostenfrei für Android und IOS in den App-Stores von Google und Apple zum Download verfügbar.