Welche Rolle spielt Kunst im öffentlichen Raum? Darüber wird am 22. November im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte und am 23. November im Baukunstarchiv NRW diskutiert. Ein Gespräch mit den Organisatoren Dr. Jacques Heinrich Toussaint und André Kölsch.
kultur.west: Herr Toussaint, welche Rolle spielt Kunst im öffentlichen Raum in Deutschland?
JACQUES HEINRICH TOUSSAINT: Ich denke, diese Frage bedarf einer differenzierten Antwort: Rein quantitativ scheint die Blütezeit der Kunst im öffentlichen Raum seit den 2000er Jahren vorbei zu sein. Es werden heute weniger permanente Kunstwerke installiert als noch vor einigen Jahrzehnten. Qualitativ ist jedoch in vielen Städten eine Professionalisierung im Umgang mit der Kunst im öffentlichen Raum zu beobachten. Das ist eine positive Entwicklung! Und es gibt sehr viele Künstlerinnen und Künstler, die sehr motiviert sind, sich im öffentlichen Raum zu äußern, was sehr erfreulich ist.
kultur.west: Wir leben in einer Welt der Krisen – welche Rolle spielen da Denkmäler?
ANDRÉ KÖLSCH: Das Interesse an Denkmälern ist heute sehr groß und es scheint ein Bedürfnis zu existieren, durch sie aktuelle Sachverhalte sichtbar zu machen, auch zu denjenigen, die vielleicht früher zu wenig beachtet wurden. In Dortmund arbeiten wir gerade zum Beispiel an einem Denkmal für die Gastarbeiter*innen in der Stadt.
kultur.west: Warum gibt es am MKK eine eigene Stelle für Kunst im öffentlichen Raum?
KÖLSCH: In jeder Stadt bedarf es einer Stelle, die alle Aufgaben rund um das Thema Kunst im öffentlichen Raum koordiniert. In Dortmund gibt es im öffentlichen Raum ungefähr 500 Kunstwerke und Denkmäler, um die sich die Stadtverwaltung kümmern muss. In vielen Städten ist diese Stelle im Kulturamt zu finden. Im Ruhrgebiet liegt die Verantwortung für die Kunst im öffentlichen Raum häufig bei den Museen.
kultur.west: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Symposium zum Thema zu organisieren?
TOUSSAINT: In Deutschland gehen die Städte sehr unterschiedlich mit dem Thema Kunst im öffentlichen Raum um, jedoch gibt es nur wenig Austausch. Bei den RuhrKunstMuseen gibt es dazu eine Arbeitsgruppe, die von Georg Elben geleitet wird und im Rahmen derer wir das Programm des ersten Themenblocks des Symposiums gestalten konnten.
kultur.west: Georg Elben ist ein gutes Stichwort, um über die kulturpolitische Bedeutung von Kunst im öffentlichen Raum zu sprechen. Sein Skulpturenmuseum stand im vergangenen Jahr auf dem Prüfstand – hat es da wohl geholfen, sein Haus zu erhalten, weil Marl so viele bedeutende Kunstwerke im Stadtraum besitzt?
TOUSSAINT: Bestimmt. Den Marlern sollte jedenfalls klar sein, wie hoch die Qualität der Kunst in ihrer Stadt ist. Schließlich hatte die Kunst im öffentlichen Raum bereits bei der Entwicklung der Stadt eine zentrale Bedeutung.
kultur.west: Was hat Kunst im öffentlichen Raum mit Stadtentwicklung zu tun?
TOUSSAINT: Sie kann ein wichtiger Faktor sein, auch wenn man aufpassen muss, dass man sich von der Kunst nicht zu viel erhofft und dass man sie nicht mit zu vielen Erwartungen konfrontiert. Die Kunst gibt schließlich Antworten auf Fragen, die man sich selbst vielleicht noch gar nicht gestellt hat (lacht).
kultur.west: Kann Kunst im öffentlichen Raum helfen, die Stadt, unser Umfeld neu zu sehen?
KÖLSCH: Ja, das auf jeden Fall.
kultur.west: Sie haben gleich mehrere Kurator*innen eingeladen, die das Stadtbild mit Kunst kurzzeitig verändern – etwa Markus Ambach, der schon einige Projekte in der Düsseldorfer Innenstadt umgesetzt hat. Was ist der Reiz des Temporären? Viele Eingriffe ins Stadtbild verschwinden schließlich ja wieder.
KÖLSCH: Es gibt sehr viele Kunstwerke im öffentlichen Raum aus den 70er und 80er Jahren, aber viele werden inzwischen übersehen. Sie also wieder zu entdecken, sie neu zu inszenieren, ist ein möglicher Ansatz. Darüber hinaus gibt es natürlich kurzzeitige Interventionen im Stadtraum, die partizipativ sind und zum Mitmachen einladen – so, wie sie zum Beispiel Markus Ambach organisiert. Wir freuen uns sehr auf seinen Beitrag im zweiten Themenblock des Symposiums!
kultur.west: Die Urbanen Künste Ruhr fahren bei ihrer Grand Snail Tour gerade mit einem LKW von Stadt zu Stadt, mit reichlich Kunst an Bord. Ziel ist, die Stadtgesellschaft zusammenzubringen. Was hat Kunst im öffentlichen Raum mit Dritten Orten zu tun?
TOUSSAINT: Die Kunst kann natürlich auch Orte schaffen, an denen man unkompliziert zusammenkommen kann. Auch das hat seinen Reiz.
Das Symposium »Kunst im öffentlichen Raum. Strukturen, Programme und Konstellationen« untersucht die Bedingungen, unter denen neue Projekte und Kunstwerke initiiert werden und der Unterhalt des Bestandes an Kunst im öffentlichen Raum gewährleistet wird. Anmeldungen sind bis zum 16. November möglich. Die Teilnahme ist kostenlos.
Dr. Jacques Heinrich Toussaint kam 1989 in Bielefeld zur Welt und wuchs in Norditalien auf. Er hat Kunstgeschichte in Münster und Paris studiert und über Kunst im öffentlichen Raum in Deutschland und Frankreich promoviert. Seit 2022 leitet er das Ressort Kunst im öffentlichen Raum am Museum für Kunst und Kulturgeschichte (MKK) in Dortmund.
André Kölsch stammt aus Saarbrücken, ist Jahrgang 1995 und ist Volontär im Ressort Kunst im öffentlichen Raum am MKK. Nach einem Bachelor in Musikwissenschaft und Kunstgeschichte in Bonn, absolvierte er den Master in Denkmalpflege in Bamberg.