Sie sind so selbstverständlich in unseren Städten, dass sie kaum wahrgenommen werden: C&A-Filialen. Rund 400 gibt es derzeit, 1911 wurde die erste in Deutschland eröffnet. In der Draiflessen Collection können jetzt C&A-Häuser im Miniaturformat betrachtet werden – das wirft auch einige Fragen zu ihrer Zukunft auf.
Es war ein kühnes Gebäude, das da 1965 an der Hamburger Mönckebergstraße entstand. Ganz bewusst sollte es sich mit seinen dunklen horizontalen Bändern und den vertikalen, dicht getakteten Fensterpfeilern aus weißem Marmor von der umgebenden Bebauung aus rotem Ziegel absetzen. »Machen’se mal was Zeitgemäßes«, soll der damalige Planungsdezernent der Stadt dem Architekten Ric Stiens gesagt haben. Damit es auch wirklich richtig fortschrittlich wird, unternahm der extra eine Studienreise in die USA – und schuf ein modernes Modekaufhaus für C&A. Heute ist es abgerissen, wird durch einen Rotklinkerbau ersetzt. Was bleibt, ist ein Architekturmodell, das noch bis zum 20. Oktober Teil der Ausstellung »Maßstäblich« in der Draiflessen Collection ist. »Dies ist das für mich wichtigste Haus«, sagt die Kuratorin Julia Cwojdzinski, »zumal es heute nicht mehr steht«. Es ist eines von fünf herausgehobenen Projekten, die in der Mettinger Ausstellung näher beleuchtet werden – und mit seiner Eigenwilligkeit gar nicht so typisch. Schon 1913 wurde die Hamburger Filiale an gleicher Stelle eröffnet, nach dem großen Erfolg der beiden Berliner Häuser. Nach Kriegsschäden und dem darauf folgenden Abriss wurde in den 1960er Jahren neu gebaut und das Gebäude in den 1970er Jahren um zwei zurückgesetzte Etagen aufgestockt.
So gut dokumentiert ist die Geschichte anderer C&A-Häuser nicht. Deshalb möchte die Draiflessen Collection mit der Ausstellung einladen, sich näher mit den Modekaufhäusern zu beschäftigen. »Unsere Ausstellungen sind entweder das Ergebnis von oder der Startpunkt für Forschung, die wir hier nicht leisten können«, sagt Julia Cwojdzinski und sie hofft, dass sich externe Forschende für die Modelle der C&A Häuser interessieren, die exemplarisch stehen für die Entwicklung deutscher Innenstädte. Etwa 30 Modelle drängen sich dicht auf einem großen Tisch in der Mitte des Arbeits- und Begegnungsraumes »DAS Forum«im Untergeschoss der Draiflessen Collection. Unter dem Tisch die Kisten, in denen sie aufbewahrt und vor Jahren in einem C&A-Außenlager gefunden wurden. Damit zeigen sie nur einen kleinen Ausschnitt der fast 100 Architekturmodelle, die inzwischen im Besitz der Draiflessen Collection sind. Diese wurde 2009 von der Unternehmer*innenfamilie Brenninkmeijer gegründet. Die Großfamilie mit mehr als 500 Mitgliedern ist Eigentümerin der Cofra Holding und betreibt nicht nur die Modekette C&A, sondern auch eine Immobilien- und Vermögensverwaltung. Ganz bewusst hatte die Familie entschieden, die Draiflessen Collection als Firmenarchiv, Familien-Tagungszentrum und Museum abseits großer Zentren einzurichten: in der 12.000-Einwohner-Gemeinde Mettingen, ganz am äußersten Rand Nordrhein-Westfalens, schon fast in Niedersachsen. Hier kommt die Familie her, im Jahr 1600 lässt sich ein erster Bauernhofbesitzer mit Namen Brenninkmeijer nachweisen. Wie auch die anderen Bauernfamilien spann man als Nebenerwerb selbst angebauten Flachs zu Leinen und verkaufte es in der Umgebung, später in den Niederlanden.
Der Name Draiflessen Collection kommt aus der eigenen Sprache des lukrativen Töddenhandels im 17. und 18. Jahrhundert. Die Tödden waren wandernde westfälische Händler mit Absatzgebieten vorwiegend in den Niederlanden. »Drai« bedeutete »drei«, »Dreifaltigkeit«, aber auch »Handel treiben«. »Flessen« stand für »Flachs«, »Leinen«, aber auch »Heimat«.
In den Niederlanden – in Sneek – wurde dann 1841 von Clemens und August die Firma C. & A. Brenninkmeijer gegründet. In Mettingen befand sich die erste Produktion nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Architektur der Draiflessen Collection ist an die damaligen Gebäude angelehnt – am deutlichsten erkennbar an der großen Halle mit ihren Sheddächern, so wie damals der Nähsaal.
Im Inneren können drei Ausstellungen gleichzeitig stattfinden, meist zu einem gemeinsamen Oberthema, derzeit zur »Architektur. So läuft im großen, über eine breite Treppe erreichbaren Saal die Kunstausstellung »Räume hautnah« und im klimatisch besonders gesicherten Studiensaal mit Büchern, Zeichnungen und Druckgrafiken aus dem 15. bis 17. Jahrhundert eine Schau über temporäre Architektur für Feste. Gebaut wurde das Museum von Nattler Architekten in Essen – das wiederum seit 75 Jahren für C&A arbeitet. Rund 170 Kaufhäuser haben sie für diesen Auftraggeber gebaut. Früher war es eine nahezu exklusive Zusammenarbeit. »Das passte zur Familienkultur von C&A«, sagt der Architekt Thomas Höxtermann, einer der beiden Inhaber von Nattler Architekten. Stolz blicken sie auf die etwa vier Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche, die von ihrem Büro insgesamt für den Modehändler errichtet wurden. Heute sind die Aufgaben andere: »Was wir jetzt machen, ist die Modernisierung von solchen Gebäuden. Die kommen in die Jahre, da werden Reparaturen notwendig, Fassaden, größere Eingänge oder neue Haustechnik«, so Höxtermann. »Und wir sind damit beschäftigt, die C&A-Textilkaufhäuser kleiner zu machen. Die ziehen sich dann von fünf oder vier Etagen zurück auf Erdgeschoss und erstes Obergeschoss.«
So wurden in einigen Häusern in die oberen Ebenen Zahnkliniken eingebaut oder Büroflächen geschaffen. »Wir können bei den C&A-Gebäuden immer davon ausgehen, dass es eine gute, solide Grundlage ist, so dass man überhaupt etwas umbauen kann, weil die Konstruktion es zulässt«, stellt Höxtermann fest, dessen Architekturbüro noch über viele der alten Unterlagen verfügt. Oft würde dort, wo bislang die Rolltreppen eingebaut waren, ein Lichthof in den sehr tiefen und damit dunklen Gebäuden geschaffen. Auch wenn sie als Architekten darauf kaum Einfluss hätten, sei ihm wichtig, Nutzungen vorzusehen, die die Innenstädte beleben – bestenfalls auch am Wochenende – und zu denen man nicht mit dem Auto fahren müsse. »Wir müssen alles dafür tun, dass mehr Leben in die Innenstädte kommt«, so Höxtermann, denn als soziale Komponente für Begegnungen seien Stadträume nicht zu unterschätzen. »Das schafft der Online-Handel nicht. Einkaufen kann man auch online gut, aber die Innenstadt ist auch ein Treffpunkt.«
Integriert ins Stadtbild
Früher waren Kaufhäuser ein Publikumsmagnet, ihre Ansiedlung daher von den Städten gern gesehen. Anders als zum Beispiel Horten mit seiner markanten Wabenfassade hat C&A die Gebäude gestalterisch immer an die Umgebung angepasst, in der Ausstellung am deutlichsten am Beispiel Celle zu sehen: In der pittoresken Altstadt bekam die Filiale eine historisierende Fassade aus Betonfertigteilen, die den Anschein eines Fachwerkbaus erweckt.
Die wichtigsten Punkte für die bis Mitte der 1990er Jahre gebauten C&A-Gebäude fasst Thomas Höxtermann so zusammen: »Es war immer wichtig, dass es sich in die Stadt integriert und dass es erweiterbar war – man hat die Statik oft so ausgelegt, dass man zwei Geschosse oben drauf bauen konnte. Außerdem hat man über der Erdgeschosszone immer ein Vordach aus Beton gebaut, damit man ein Gerüst aufstellen konnte, was nicht die Schaufensterfront verdeckt, wenn man die Fassade saniert.« Den Auftraggebern war vor allem wichtig, dass eine große Verkaufsfläche entsteht und dass der Eröffnungstermin eingehalten wird. Es wurde viel mit Fertigteilen gearbeitet, sich aber immer an dem orientiert, was zum jeweiligen Zeitpunkt technisch möglich war. Dass ein Haus architektonisch besonders hervorsticht, oder gar unter Denkmalschutz gestellt würde, war nie gewollt – das hätte Änderungen viel zu kompliziert gemacht. »C&A-Häuser sind nichts super Aufregendes, sie passen sich ein, aber sie sind immer sehr wertig gewesen«, erklärt Höxtermann. Und irgendwie passt dieser Pragmatismus zu dem, was darin verkauft wird.
Mit den Baubehörden der Städte war man für die Gebäude stets im Austausch, sprach teilweise sogar Details ab und ging auf Wünsche ein. Auch in Essen, wo im 1979 von Ric Stiens neu errichtete Haus am heutigen Friedensplatz jetzt die Konkurrenz billige Kleidung verkauft. »Wir mussten um jeden Quadratmeter Verkaufsfläche kämpfen«, erzählt der 94-Jährige in einem Video zum Gebäude in der Ausstellung. Diskutiert wurde vor allem, wie weit das Gebäude in den Obergeschossen auskragen darf, damit es nicht die Sicht auf den Dom beeinträchtigt. Und für eine Ausweitung der Verkaufsfläche unter den Platz mussten die Architekten diesen als Gegenleistung mit Wasser und Grünflächen neu gestalten. So zeigt auch das Essener Haus die Entwicklung über die Jahrzehnte, stellt Julia Cwojdzinski fest: »Die Häuser, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden, wurden sehr schnell zu klein für den Bedarf. Auch nach dem Krieg wurde es zu eng, da hat man zum Beispiel die Fenster verhängt, um noch mehr Waren unterzubringen.« Heute präsentiere man eher weniger Waren, verkleinere sich oder ginge in die Einkaufszentren. Die großen Häuser, sagt die Kuratorin, besäßen keine Zukunftsfähigkeit.
»Maßstäblich. Die Geschichte der C&A Kaufhäuser in Modell und Bild«
Bis 20. Oktober
Am 4. Juli hält Thomas Höxtermann von Sattler Architekten einen Kurzvortrag in der Draiflessen Collection.
Im Herbst erscheint eine Publikation zur Ausstellung.