Pedro Almodóvars »Alles über meine Mutter« zitiert ihn schon mit seinem Titel: »All about Eve«. Im Abspann verbeugt er sich gar mit einer Widmung vor drei Schauspielerinnen, die auf der Leinwand Schauspielerinnen verkörpert haben: Bette Davis, Gena Rowlands und Romy Schneider. Der Verweis auf Bette Davis bezieht sich auf ihre Darstellung der Margo Channing in »All about Eve« von Joseph L. Mankiewicz.
Der Name Mankiewicz ist seit David Finchers Filmbiografie des Skriptwriters und »Citizen Kane«-Miterfinders Herman J. Mankiewicz, genannt »Mank«, wieder präsent. Der ältere Joseph L. Mankiewicz (1909-1993) ist der berühmtere der zwei Hollywood-Brüder. Als Regisseur hat er unter anderem den monumentalen »Cleopatra« mit Elizabeth Taylor gedreht, »Die barfüßige Gräfin« mit Ava Gardner, die Tennessee-Williams-Adaption »Suddenly Last Summer«, ebenfalls monumental besetzt mit Taylor, Katharine Hepburn und Montgomery Clift. Sein Meisterwerk aber bleibt »All about Eve« von 1950. Trotz seiner 70 Jahre ist er einer der amüsantesten, abgründigsten und hellsichtigsten Filme über die Schauspieler-Existenz. Eigentlich über zwei Schauspielerinnen: Margo Channing und Eve Harrington. In Wahrheit sogar über drei, denn in einer winzigen Rolle tritt die damals noch unbekannte Marilyn Monroe auf.
Wie Hans Christian Andersens märchenhaft »Hässliches Entlein« verwandelt sich Eve Harrington in einen strahlenden Schwan. Mit schiefem Hütchen und in farblosen Kleidern steht eine unscheinbare, junge Frau Abend für Abend am Bühneneingang des Broadway-Theaters, in dem Margo Channing triumphiert. Schließlich holt Karen, die Frau des Drehbuchautors Lloyd Richards, der für Margo Stücke schreibt, die deren Lebensgefährte und künftiger Ehemann Bill Sampson daraufhin inszeniert, die schüchterne Enthusiastin in die Garderobe. Hier erzählt sie der Künstlerin, ihren Freunden und der Garderobiere Birdie (Thelma Ritter) ihre rührende Lebensgeschichte, um nicht zu sagen: sie Tisch sie ihnen auf und weist sich als Margos größter Fan aus.
Aus einer Zweitbesetzung zum Star
Bald ist sie Margos unentbehrliche, patente und planende Sekretärin, Organisatorin und Vertraute, zunächst nur von Birdie beargwöhnt. Eve studiert Margo: ein reizend aufmerksamer Parasit, der sich bei seiner Gastwirtin einnistet und ihr die Lebenskräfte entzieht. Eve spielt, scheinbar arglos und treu, den Ehemann, den Autor, den Theaterproduzenten Max Fabian, vor allem auch den Theaterkritiker Addison deWitt (George Sanders), Frauen wie Männer, gegeneinander aus und sich selbst die Karriere in die Hände. Aus einer Zweitbesetzung, nachdem durch einen Trick Margos Auftreten verhindert wurde, macht sie eine vielbeachtete glänzende Performance und wird zum Star, während Margo in eine Krise gerät, aus der die Erkenntnis sie rettet, mit 40 nicht mehr die jugendlichen Rollen spielen zu wollen, sondern die einer gereiften Frau. Bette Davis bietet als Solistin eine reich orchestrierte Schicksals-Symphonie auf: Höhenrausch und Absturz, herrisches Wesen, Allüren, virtuose Bühnen-Gesten und -gefühle, echte Unsicherheit, Verzweiflung, Einsamkeit, Liebesbedürftigkeit, Souveränität und Selbstironie.
Die Schauspielkünstlerin als Monster (von Anne Baxter bravourös beinahe wie in einem Horrordrama verkörpert), das skrupellos sich und sein Talent durchsetzt, Verrat übt und weder Freundschaft noch Anstand und Gewissen kennt, aber auch ein Werkzeug, Objekt, Geschöpf von Fremdherrschaft ist. Täterin und Opfer gleichermaßen, denn am Ende ist da wieder ein junges Mädchen, das vom Ruhm träumt, sich Eve Harrington andient und wie zur Probe deren Trophäe in Händen hält, gehüllt in den kostbaren Stoff von Eves Abendmantel und umstellt von Spiegeln, die ihr Bildnis vervielfachen. – Das Ergebnis: sechs Oscars für »All about Eve«.