Es heißt, dass man niemals zweimal in denselben Garten geht – die Natur verändere ihn ständig. Die neue Direktorin des NRW KULTURsekretariats in Wuppertal kennt das nur zu gut: Die Regisseurin und Netzwerkerin, die unter anderem einige Jahre sehr engagiert das Kölner Filmhaus leitete, hat selbst einen Schrebergarten in Köln. Und findet mit ihm für ihre neue Aufgabe ein sehr schönes Bild: Weil auch die Kulturszene in NRW ständig in Bewegung ist, will sie dafür sorgen, dass weiterhin einiges gut wachsen kann. Gerade in Zeiten, in denen in den 20 Mitgliedsstädten des Netzwerks an manchen Stellen womöglich trockene Stellen drohen.
kultur.west: Frau Schöpfer, um im Bild eines Gartens zu bleiben: Die schwierige Haushaltslage mancher Städte sorgt bei den Kulturausgaben womöglich manches Mal für Trockenheit. Wie wollen Sie das verhindern?
SCHÖPFER: Fürs Wetter bin ich nicht zuständig, aber ich finde die Metapher für meine neue Aufgabe ganz passend: Der Garten ist ein komplexes Zusammenspiel vieler Kräfte und nur wenn sie im Gleichgewicht und die Bedingungen gut sind, kann die Natur sich optimal entfalten. Als Gärtnerin beobachte ich, lerne, fördere und greife ein – meistens behutsam, manchmal konsequent. Mein Verständnis dabei ist das einer Ermöglicherin. Ich bin in der Haltung zwar klar, in der Handlung aber immer kompromissbereit. Übertragen auf das NRW KULTURsekretariat bedeutet das: Gute Bedingungen ermöglichen für Kunst und Kultur! Das geht nur im Zusammenspiel der Kräfte der Städte, des Landes, des öffentlichen Kulturbetriebes und der freien Szene.
Gerade in einer Krisensituation wie momentan müssen die Kräfte ineinandergreifen und sich dabei optimal ergänzen können. Das NRW KULTURsekretariat sehe ich hier an einer wichtigen Schnittstelle.
kultur.west: Sie reisen gerade viel durchs Land. Wie ist die Stimmung in den Kommunen?
SCHÖPFER: Der Kostendruck ist überall zu spüren. Aber darin steckt ja auch die Chance, enger zusammenzurücken und gemeinsam Strategien zu entwickeln, um die einzigartige Kulturlandschaft NRWs zu erhalten und krisenfest zu machen. Schon Richard von Weizsäcker hat gesagt: »Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder nach Belieben streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert.« Nach dieser Prämisse handele ich. Entscheidendes bewegen können wir aber nur gemeinsam. Im NRW KULTURsekretariat haben wir nun einen Prozess begonnen, um im Laufe des nächsten Jahres mit den Mitgliedern und dem Land zu definieren, wie das Potential und die Ressourcen des NRW KULTURsekretariats für diese große Aufgabe bestmöglich genutzt werden können.
kultur.west: Sie sind eine Frau des Films – den das NRW KULTURsekretariat aber bisher nicht wirklich gefördert hat. Wird sich das nun ändern?
SCHÖPFER: Ja, bestimmt. Grundsätzlich ist mein Anspruch, für alle Sparten Angebote machen zu können. Wichtig ist auch, dass wir die Spielstätten, besonders die der freien Szene, unbedingt stärken müssen. Sie sind das Rückgrat der Kultur und sollten sie einmal verschwunden sein, kommen diese Räume nicht wieder. Außerdem möchte ich ein Augenmerk auf die Zugänge zu Kunst und Kultur richten, sowohl bezogen auf Nutzer*innen als auch auf Akteur*innen. Viele unserer Mitgliedsstädte sind Universitätsstädte, viele haben Kunst-, Film- und Musikhochschulen, deren Nachwuchs aber regelmäßig abwandert. Hier zum Beispiel in Kooperation mit den Hochschulen und den Städten Programme zu entwickeln, die NRW insgesamt als Kulturstandort stärken und eine zukunftsgewandte Publikumsentwicklung fördern, sehe ich als sehr wichtige Aufgabe. Wir haben mittlerweile viele Nicht-Kulturgänger*innen, für die wir dringend gute Vermittlungsstrategien brauchen.
kultur.west: Also können wir festhalten: Das Thema Film wird eine Rolle spielen, die kulturelle Bildung auch…
SCHÖPFER: Mein Auftrag ist es, eine Neuausrichtung des NRW KULTURsekretariats voranzutreiben. Im Moment verwende ich daher einen guten Teil meiner Zeit darauf, die 21 Mitglieder zu besuchen, zu reden und zu fragen: Was braucht ihr eigentlich? Was sind eure Themen? Was läuft gut und was würdet ihr gerne Neues angehen? Natürlich sind wir auch mit dem Land im Gespräch und beziehen Vertreter*innen der Kulturszene ein. Die Veränderung wird also nicht von heute auf morgen passieren, sondern sich in einem kooperativen Prozess entwickeln – wie in einem Garten, der benötigt auch Kreativität und Ideen, Teamwork, planerisches Geschick, bewusste Entscheidungen und vor allem viel Zeit und gute, vorwärtsgewandte Energie.
Zur Person
Die Filmexpertin und Netzwerkerin Vera Schöpfer hat am 1. August 2025 die Leitung des NRW KULTURsekretariats in Wuppertal übernommen und sich gegen 50 Bewerber*innen durchgesetzt. Ihr Vertrag läuft zunächst fünf Jahre. Sie ist ausgebildete Regisseurin – studiert hat sie an der Kunsthochschule für Medien Köln. 2014 gründete sie das Nachwuchsprojekt Young Dogs am Dortmunder U, das sie bis Ende 2019 leitete. Anschließend übernahm sie die Neukonzeption und Geschäftsführung des Filmhaus Köln. Bundesweite Beachtung fanden innovative Projekte wie die von ihr initiierte »Zusatzqualifikation Filmbildung« – ein einmaliges Angebot für das Berufsfeld der kulturellen Filmbildung und Vermittlung. 2024 folgte das Programm »New Curators«, das den Einstieg in die kuratorische Arbeit erleichtern soll. Zudem ist sie kulturpolitisch engagiert: Sie war im Vorstand des Netzwerk Filmkultur NRW und ist Gründungsmitglied von Lichtspiel, eines bundesweiten Netzwerk für kulturelle Filmbildung, und des internationalen Youth Cinema Network. Zuletzt war sie eine der Sprecher*innen der Sektion Film/Medien im Kulturrat NRW.
Die Kultursekretariate
Das Konstrukt der Kultursekretariate in NRW ist in Deutschland einzigartig – neben dem älteren in Wuppertal, das vor 51 Jahren gegründet wurde, gibt es seit 1980 ein zweites in Gütersloh, zu dem mehr als 80 Städte und Gemeinden, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und der Landesverband Lippe gehören. Das Wuppertaler NRW KULTURsekretariat ist ein Zweckverband des Landschaftsverbands Rheinland und von 20 Städten, die über ein Orchester und/oder Theater mit einem eigenen Ensemble verfügen. Das Ziel: Gemeinsam mit ihnen und in enger Zusammenarbeit mit dem Land bringt das NRW KULTURsekretariat kulturelle Projekte in allen Sparten mit Fördermitteln aus dem Kulturetat des Landes auf den Weg.