…ist das 50. Jubiläum des NRW Kultursekretariats, dessen Idee vor fünf Jahrzehnten so gut war, dass sie bis heute funktioniert: Beginnend im Jahr 1974, sind 20 Städte und ein Landschaftsverband eine Kooperation miteinander eingegangen. Unser Ziel ist es seitdem, künstlerische Arbeit zu unterstützen, aber nicht im Sinne eines einzelnen Menschen, der diese Arbeit für richtig hält. Sondern im Sinne einer Gemeinschaft, im Sinne etwa von Jurys und Gremien, die sie mit uns für unterstützenswert halten. Das Ziel ist, die Kunst und die Kultur, die ja zwei verschiedene Dinge sind, gleichermaßen zu pflegen. Die Kooperation verschiedener Städte sorgt dabei für einen gewissen Mehrwert, für Synergien. Insofern bringt eine Kooperationsstruktur mehr als das, was Städte einzeln tun könnten. Dieser Mehrwert setzt allerdings voraus, dass die Städte ihren Eigenanteil geben. Auch in Zeiten, in denen es nicht immer leicht für sie ist. Und sowohl in die Finanzierung des Kultursekretariats zu investieren als auch in Projekte, die wir mit Landesmitteln gegenfördern können. Die Kontinuität unserer Städtegemeinschaft ist dabei überraschend. Und wir sind krisenerprobt, wie zuletzt die schwierige Finanzlage um 2008 gezeigt hat. Allerdings wird die personelle Situation in den Städten nicht gerade einfacher. Perspektivisch werden die Etats wohl sinken. Und immer weniger Menschen müssen immer mehr Arbeit machen – das gilt ja nicht nur für die Kultur.
Was mich bewegt ist natürlich auch, dass gesellschaftliches Miteinander schwieriger wird, dass Aggressivität zunimmt. Und immer öfter die Frage aufkommt, wie Kunst und Kultur ihren gesellschaftspolitischen Auftrag erfüllen und zugleich ihre Freiheit bewahren können. Gerade jetzt halte ich es für so wichtig zu verhandeln, was die Gesellschaft zusammenhält und eine Institution voranzutreiben, die das Miteinander und die Solidarität in den Mittelpunkt stellt. Gerade durch den Verbund an Kulturämtern können wir allerdings Dinge fördern, die experimentell sind und manchmal auch ein gewisses Risiko in sich tragen. Formate auf den Weg bringen, die vielleicht auch vor der Zeit sind. Und Dinge tun, die Einzelne womöglich nicht tun, manchmal aus Angst, angegriffen zu werden. Das hat sich gerade seit dem 7. Oktober 2023 gezeigt: Kultur hat eine gesellschaftliche Verantwortung, mit Themen wie dem Antisemitismus offensiv umzugehen. Unsere Gemeinschaft schützt auch und ermöglicht, Themen zu setzen und in den Städten zu platzieren, die sonst vielleicht zu wenig vorkämen. Daher fördern wir zum Beispiel eine Gesprächsreihe, die sich mit Kultur, Antisemitismus und Demokratie beschäftigt und den Obertitel »Wir müssen sprechen« trägt. Denn das halte ich für ganz wichtig. Dieser Satz gilt ja nicht nur für die Besucher*innen, die ins Gespräch kommen sollen. Sondern auch für die Kulturschaffenden selbst, die nicht sicher vor Irrtümern sind, auch wenn sie es manchmal von sich glauben. Sich zu reflektieren, das sollten wir nicht nur von anderen verlangen, in dem wir auf Theaterbühnen Themen platzieren, sondern auch, indem wir Fragen an uns richten. An die Kulturakteur*innen und an die Institutionen selbst.
Aufgezeichnet von Annika Wind
Name: Christian Esch
Alter: 63
Beruf: Direktor des NRW Kultursekretariats, promovierter Musikwissenschaftler, Dramaturg und Redakteur
Wohnort: Essen
Das Impulse Festival für die freie Theaterszene, experimentelles Musiktheater mit »NOperas!« oder das »Next Level Festival«, das die Kunst und Kultur digitaler Spiele in den Fokus stellt – all diese Formate wären ohne das NRW Kultursekretariat in Wuppertal nicht denkbar, das 50 Jahre alt wird und seit Jahresanfang als Zweckverband eine neue Rechtsform hat. An seiner Spitze steht Christian Esch, der am 6. September zu einem Festakt ins Wuppertaler Opernhaus einlädt. Und seit 20 Jahren 20 Städte und den LVR, aber auch die unterschiedlichsten Akteur*innen zusammenbringt.
6. September, 11-13 Uhr: Festakt zum 50. Jubiläum des NRW Kultursekretariats im Wuppertaler Opernhaus.
Im Anschluss zweitägige Jubiläums-Konferenz »Act local! Perspektiven der internationalen Kulturarbeit vor Ort« in Kooperation mit dem Goethe-Institut.
Infos unter nrw-kultur.de/NRWKS50
Anmeldung per Mail an info@nrw-kultur.de
Als Teil der Reihe »Wir müssen sprechen« wird am 13. September im Internationalen Begegnungszentrum Friedenshaus Bielefeld über »Streitpunkt Antisemitismus« diskutiert: ibz-bielefeld.de. Weitere Termine und Orte sind in Planung.