…ist die Nominierung für meine Musik zur Neuverfilmung von »Im Westen nichts Neues«. Filmmusik zu machen ist eine tolle Erweiterung meiner künstlerischen Tätigkeit. Man muss viel kollaborieren mit einem Team, mit anderen Gewerken, muss sich auseinandersetzen mit der Technik und der ganzen Logistik, die hinter der Herstellung eines Films steckt. Es gibt eine Vorgabe, die zu erfüllen ist, und ich muss auch Terminabgaben beachten und so weiter – das macht mir aber alles sehr viel Spaß und befruchtet auch mein Solo-Projekt. 2016 war ich ja schon einmal für den Oscar nominiert, für die Musik zum Film »Lion«. Die habe ich noch als Hauschka gemacht.
Danach habe ich begonnen, die Bereiche voneinander zu trennen: Filmmusiken erscheinen jetzt unter meinem Namen Volker Bertelmann und meine Platten unter dem Künstlernamen meines Solo-Projekts: Hauschka. Hauschka brauche ich wie Luft und Wasser, als Pool, um mich selbst zu fühlen. Darunter mache ich, was mich interessiert, Musik, die auch schräg und experimentell sein kann, vielleicht auch nur eine kleine Menge an Menschen interessieren. Dann gibt es aber vielleicht auch wieder Platten, die auf einmal sehr erfolgreich sind, weil sie vielleicht gefällige Melodien enthalten oder ein Stück, das auf einmal in den Playlists der Streaming-Dienste sehr erfolgreich ist. Daran sollte man sich allerdings nicht orientieren. Ich brauche einen Bereich, der überhaupt nicht geprägt ist von irgendwelchen Anforderungen, in dem ich das mache, was aus mir selbst heraus entspringt. Im Herbst kommt auch eine neue Platte raus und ich gehe mit Hauschka auf Tour zu den Menschen, die das interessiert. Das sind oft alternative Musikzentren oder Clubs für elektronische Musik.

Zu der persönlichen Entstehungsgeschichte der Filmmusik von »Im Westen nichts Neues« gehört, dass ich vor zwei Jahren ein Harmonium angeboten bekam, dass im Haus meiner Urgroßmutter stand. Um 1900 wurden damit im Siegerland Bach-Choräle begleitet, vermute ich, weil meine Familie einen streng christlichen Hintergrund hat. Für mich war das also immer ein Instrument, das zu alten Leuten gehört. Nachdem ich den Film zum ersten Mal gesehen hatte, kam mir aber der Gedanke: Es braucht ein Instrument, das echt Power hat, wie eine Maschine ist, aber gleichzeitig auch modern klingen kann. Da fiel mir das Harmonium ein, das ich komplett hatte restaurieren lassen und mit dem wir schon einmal Tests gemacht hatten, wie es klingen kann, wenn es elektronisch verändert wird. Jetzt ist es eine Referenz an die Zeit, in der der Film spielt, aber bringt gleichzeitig auch etwas Modernes herein. Das signifikante, tiefe Bass-Thema des Films spielt jetzt tatsächlich nur das stark verzerrte Harmonium – dazu kommen Geräusche wie Holzknarren oder wie von Maschinen, die alle von Mikrofonen im Instrument kommen.
Dass ich Teil der Neuverfilmung sein durfte, fand ich besonders spannend, weil das Buch so wichtig ist, es sich mit dem Krieg aus Sicht der Deutschen auseinandersetzt. Sonst kommen Kriegs- oder Anti-Kriegsfilme meistens von den Amerikanern oder Engländern, die sich zu Recht freuen dürfen, denn sie haben uns von den Nazis befreit. Toll war, dass Regisseur Edward Berger mir die Freiheit gelassen hat, Dinge zu tun wie ich sie vielleicht auch als Hauschka tun würde. Ich hatte so die Möglichkeit, auch ein eigenes Statement zu dem Stoff zu geben. Dass das zu einer Nominierung führte, fühlt sich sehr gut an.
Aufgezeichnet von Max Florian Kühlem
Name: Volker Bertelmann alias Hauschka
Alter: 57
Beruf: Musiker
Wohnort: Düsseldorf
Volker Bertelmann ist seit seiner Oscar-Nominierung für die Filmmusik zu »Lion« auch Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Science, die die begehrte Auszeichnung am 13. März in Hollywood vergibt. Außerdem ist er für den Musikautor*innenpreis 2023 der GEMA nominiert, der am 30. März in Berlin verliehen wird.