…ist noch immer das Dorf Lützerath im Braunkohleabbaugebiet Garzweiler. Ich war wiederholt da, auch vor zwei Tagen bei der Großdemo gegen dessen Räumung. Es war ein motivierendes Gefühl, zu sehen, dass sich unfassbar viele Menschen aus unterschiedlichsten Orten der Republik auf den Weg gemacht hatten. Mit ihnen gemeinsam spürte ich den starken Drang, Präsenz zu zeigen, die Aktivist*innen zu unterstützen und dafür zu demonstrieren, dass die Regierung die Klimakrise ernsthaft angeht. Die Demo begann friedlich, es wurde Musik gespielt und gesungen, die Stimmung war gelöst. Unübersehbar war aber auch die starke Präsenz der Polizei, die teils durch unnötiges Schubsen und Prellen provozierte. Die spätere Gewalt habe ich nicht miterlebt. Als wir merkten, dass die Stimmung kippte, immer mehr Polizeitruppen durch die Reihen liefen, kehrten wir um. Wir hatten auch keine Kraft mehr, da wir bereits stunden- und kilometerlang durch tiefen Matsch gewandert waren. Es hat zudem die ganze Zeit geregnet und gestürmt. Zu Hause verfolgte ich den ganzen Abend Social-Media-Accounts von Journalisten, die regelmäßig Videos aus Lüzerath posteten. Habe hier von den Zusammenstößen und Gewalt erfahren. Ein seltsamer Tag, ambivalent und für mich sehr besonders: ich war Teil der Geschichte.
Für mich ist Lüzerath auch ein Ankerpunkt. Ein Ort, der klar zeigt, wie ignorant mit der Natur und unserer Zukunft umgegangen wird. Und wie Menschen sich kollektiv doch dagegen wehren. Die Naturveränderung und ihre Zerstörung beschäftigen mich in meiner Kunst schon länger und gegenwärtig ganz besonders. Aktuell bereite ich eine Ausstellung in meiner Berliner Galerie vor. Zeigen werde ich dort Arbeiten, die auf zwei meiner jüngsten Arbeitsreisen zurückgehen. Meine dortigen Recherchen sehe ich als intensive Reflexion über unser aller Verhältnis zur Natur: Im Herbst 2021 war ich in drei Gebieten nahe Athen, wo es wegen großer Hitze und langer Trockenheit großflächig gebrannt hatte. Alte Kiefernwälder wurden so zu Mondlandschaften – überall verkohlte Baumstümpfe und auf dem Boden eine dicke Aschedecke. Wir fuhren und fuhren, und diese tote Landschaft hörte einfach nicht auf.
Die zweite Reise brachte mich vergangenen September zu den Gletschern auf der Zugspitze. Ich bin über zwei Tage hinaufgewandert und besuchte dort auch die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus. Denn es ist mir wichtig, dass meine künstlerische Arbeit auch wissenschaftlich fundiert ist. Zwei Wochen nach dieser Reise ist einem der drei Gletscher der Status aberkannt worden, da er nur noch aus Toteis besteht und sich wegen der geringen Schneefälle auch nicht mehr regenerieren kann. Die Recherchen – Texte, Interview, Fotos, Videos und Scans – sind in eine künstlerisch-dokumentarische Arbeit eingeflossen, die ich auf der Website warmbreath.org veröffentliche.
»Warm Breath« – diesen Titel wird auch meine Berliner Ausstellung tragen: Der »warme Atem« des Menschen. Ich meine damit, dass alles Handeln des Menschen den CO2-Ausstoß in die Höhe treibt. Dass es dadurch überall heißer wird, dass sich Kaltgebiete erwärmen.
In meinen Arbeiten drücke ich das über zwei Gegenpole aus: mit Motiven von Hitze, Feuer und Aschewolken. Und auf der anderen Seite mit Eis, schneebedeckten Flächen, die auf diese Hitze treffen. Wie in meinen Papiercollagen. Diese sind ästhetisch, aber auch aufgeladen mit Unruhe und Dramatik. Natürlich möchte ich mit meinen Werken das Bewusstsein für die Klimakatastrophe schärfen, denn ich sehe einen großen Verlust auf uns zukommen. Ich möchte, dass die Menschen ökologisch denken und handeln. Und sich aktiv für eine klimagerechte Zukunft einsetzen – wie in Lützerath.
Gesprächsprotokoll: Stefanie Stadel
Name: Angelika J. Trojnarski
Alter: 43
Beruf: Künstlerin
Wohnort: Düsseldorf
Als nächstes stellt Angelika J. Trojnarski in der Berliner Galerie Tanja Wagner ihre
neueste Werkgruppe »Warm Breath« aus.