… ist das Ende des Literaturhauses in Herne, das ich 13 Jahre lang geleitet habe. An einem Ort, der eng mit der Geschichte meiner Familie und mit dem gedruckten Wort verbunden ist: 1905 war die Tageszeitung »Herner Anzeiger« gegründet worden. 1926 wurde das heutige Gebäude für die Druckerei und den Verlag gebaut, das wir komplett renoviert und in einen eleganten Veranstaltungssaal verwandelt haben. Vorn liegt unsere Buchhandlung Koethers & Röttsches, die ich in vierter Generation mit meinem Bruder Ludger leite und zu dem seit 2016 auch ein wunderbares Literaturcafé gehört. Dann kommt ein Innenhof, dahinter liegt die Druckerei, die wir nun nicht mehr als Literaturhaus nutzen, sondern vermieten werden.
Als wir 2010 das Literaturhaus Ruhr eingerichtet haben, wollten wir einen offenen Ort der Kultur und der Begegnung schaffen, nicht nur festgelegt auf Lesungen. Anfangs gab es auch Kunst-Ausstellungen, später Konzerte und Klavierabende. Gelesen hat bei uns kurz gesagt das Who is Who der Literaturszene, angefangen bei Hanns-Josef Ortheil, Adriana Altaras über Bodo Kirchhoff bis zu Martin Mosebach, Terézia Mora oder Benedict Wells. Es gab kaum einen deutschen Autor/eine Autorin, der/die in den 13 Jahren nicht bei uns zu Gast gewesen wäre. Klassische Wasserglaslesungen haben wir nie gemacht, sondern immer eine Moderation und ein Gespräch eingebaut.
Von 2010 bis 2018 habe ich das Programm mit 70 bis 80 Veranstaltungen im Jahr allein gemacht, danach kam die Germanistin Verena Geiger dazu. 2015 haben wir den Verein Literaturhaus Herne Ruhr gegründet. Wichtig war mir von Anfang an der professionelle Auftritt und das hohe Niveau der Veranstaltungen. Eine institutionelle Förderung gab es nicht. Wohl haben wir einzelne Projekte eingereicht und bewilligt bekommen, etwa vom RVR zu einer Serie »Musik und Literatur«, aber die Förderung war immer nur punktuell.
Insgesamt war es eine tolle Zeit mit fantastischen Abenden und einem begeisterten Publikum, das nicht nur aus Herne, sondern aus der ganzen Umgebung kam. Es wäre schön gewesen, wenn es hätte weitergeführt werden können, aber alles hat seine Zeit. Es gab Gespräche, letztlich aber keine Lösungen. Denn schnell wurde klar, dass Veranstaltungen immer auch ein finanzielles Risiko in sich bergen. Man hat auf jeden Fall die Kosten wie Gage, Personal, Anreise, Bewirtung, Übernachtung und nie die Sicherheit zu wissen, wie viele Tickets tatsächlich verkauft werden. Sowohl die Gesamtverantwortung als auch das finanzielle Risiko sind natürlich Herausforderungen, die einen hohen Einsatz erfordern und ohne Weiteres nicht leistbar sind, auch nicht seitens der Stadt. So hat sich der Vorstand dazu entschlossen, den Verein aufzulösen.
Dabei fehlen Orte wie das Literaturhaus aus meiner Sicht – Orte mit einer Geschichte, mit Atmosphäre, kulturellem Anspruch und niveauvoller Unterhaltung. Ich wünsche mir schon, dass das gedruckte Wort eine Zukunft hat. In unserer Buchhandlung und im Café nutzen wir weiterhin die Möglichkeit, Literatur zu vermitteln. Wir freuen uns, dass wir nach wie vor ein Ort der Begegnung sind. Und wir spüren, dass wir auch die junge Generation damit erreichen. Aber die Ablenkung durch das Internet ist groß.
Aufgezeichnet von Annika Wind
Name: Elisabeth Röttsches
Alter: 66
Beruf: Mitinhaberin der Buchhandlung Koethers & Röttsches
Wohnort: Herne
Elisabeth Röttsches hat das Literaturhaus Herne Ruhr geleitet, in dem jahrelang das Who is Who der deutschen Literaturszene zu Gast war und im Dezember 2023 die letzte Veranstaltung stattfand, weil sich keine Nachfolge fand. Für einem Ort, der seit über 100 Jahren eng mit dem gedruckten Wort verbunden ist: einer ehemaligen Druckerei, die es so kein zweites Mal mehr im Ruhrgebiet geben dürfte. Eine Perspektive gibt es aber trotzdem: Röttsches benachbarte Buchhandlung und das dazugehörige Literaturcafé werden bestehen bleiben. In kleinem Rahmen vielleicht sogar als Leseort.