Kendrick Lamar ist der derzeit populärste Rapper der Welt. Im Rahmen seiner Grand-National-Tour zeigt er in Köln mit seiner Superstar-Co-Headlinerin SZA, wie mächtig diese Musik auch im Stadionkontext sein kann.
Es beginnt mit dickem Rauch und einem tief wummernden Bass. Und das ist schon vor dem ersten gesungenen Ton eine wunderbare Metapher auf die Wucht des Bevorstehenden, denn: Während sich an diesem bislang heißesten Tag des Jahres draußen diverse Unwetter zusammenbrauen, braut sich auch am Boden, im Kölner Stadion, inmitten von 50.000 Menschen etwas zusammen.
Etwas, das mindestens ebenso gewaltig werden könnte wie der Ausbruch der Natur drumherum, die sich hörbar stöhnend all der aufgestauten Hitze entledigt. Derjenige, der da im Kessel der dröhnenden Rap-Dreifaltigkeit – Beats, Reime, Botschaft – rührt, ist Kendrick Lamar. Der aktuell Populärste und Wichtigste seines Genres. Einer, der das Rohe und Aggressive dieser auf der Straße generierten Musik spätestens seit seinem 2015er-Album »How to pimp a butterfly« auf links gedreht und zur Kunst erhoben hat. Kendrick Lamars Songs sind Rap, der die Pop-Grenzen überspringt und die Hochkultur erstürmt. Seine Samples sitzen. Immer. Versatzstücke aus Jazz, Soul, Electro wirbeln umeinander, prallen aufeinander und werden zum akustischen Miteinander. Und vor allem live legen sie in steter Abfolge Brandsätze, die selbst eine Stadion-Masse als Zuhörerschaft spielend leicht entzünden.
»Grand National« heißt diese Tour, die nach Kendrick Lamars Ritterschlag, dem Auftritt beim diesjährigen US-Super-Bowl, begann die und auf ganz dicke Hose macht: Als es losgeht mit »Wacced out murals« , nach all dem Rauch und Bass, fährt Lamar mit einem schwarzen Buick GNX auf die Bühne. Schon beim folgenden, hektisch pumpenden »Squabble up« werden die ersten von zig Flammensäulen in Richtung Gewitterhimmel gepustet – und die Atemlosigkeit nimmt ihren Lauf.
Unterbrochen wird all das nur von der grandiosen SZA – Sie selbst faucht »My name is Sizzzaaaaah!« über die Videowand – die bei dieser Tour Lamars gleichberechtigte Co-Headlinerin ist und dessen mächtiger Show Soul, Funk, R’n‘B und irre Bühnenarrangements beschert und sie dadurch endgültig als Gesamtkunstwerk an die imaginäre Wand der Pophistorie tackert: Ihr Buick ist nicht schwarz, sondern überwuchert von Grün, in dessen Mitte sich SZA räkelt.
Sie reitet auf einer Riesen-Ameise. Sie schwebt als menschliche Tinker Bell mit Riesenflügeln gen Stadiondach. Und beim gemeinsamen, dramatisch schönen »All the stars« dominiert sie klar das Gesangsduett, das beide Superstars auf hydraulischen Bühnentürmen über 20 Meter und einen Teil der Menge hinweg durchs Stadion jagen. Die offizielle Freigabe zum Abriss, das letzte Wort gehört dann wieder Kendrick Lamar. Dem Kendrick Lamar, der die landläufige Auffassung ad absurdum führt, Mosh Pits und im Kreis durchdrehende Fans seien allein Ding der hart rockenden Fraktion: »Turn the TV off« als Abgesang auf die verfluchte Multimedialität dieser Welt leitet mit Fauchen und Teufelstrompeten das Ende ein.
Und im als knüppelharte Rap-Attacke den Arenabeton zum Wackeln bringenden »Not like us« kommt er dann: Lamars ultimativer Diss gegen den Genrekollegen Drake. Die derzeitige Nummer zwei weltweit. Knapp hinter dem Meister. Aber nicht nur wegen seiner Musik in aller Munde, sondern auch wegen seiner angeblich ausbaufähigen Moral und Wertevorstellungen. Drake ist in zwei Monaten in Köln zu Gast. Kendrick Lamar hat ihm jetzt schonmal den Boden bereitet – und verbrannte, von der entrückten Menge zertrampelte Erde hinterlassen. Großes Kino.