… ist die Aura eines Ortes, der seit drei Jahrhunderten Geschichte atmet. Schon seit meiner Jugend begeistern mich Schlösser und historische Bauten wegen der Kunstfertigkeit ihrer Ausstattung und der faszinierenden Geschichten. Diese Schlössermanie brachte mich zum Studium der Kunstgeschichte und 2019 zu meiner Nebentätigkeit im Schlossführungsdienst – dem perfekten studentischen Nebenjob. Als Mitarbeiter im Forschungsprojekt zur 300-jährigen Baugeschichte der kurkölnischen Sommerresidenz kann ich meine Leidenschaft nun auch hauptberuflich verfolgen.
Ob ich Führungen durch das Schloss mache, einen Beitrag für Social Media schreibe, einen Vortrag bei einer Tagung halte oder historische Akten auswerte – im Zentrum steht immer der Wunsch, meine eigene Begeisterung weiterzugeben. Ich möchte die Kunst des Rokoko und das Leben im 18. Jahrhundert so übersetzen, dass sie unser Publikum berührt. Wichtig ist mir zudem, dass die Menschen auf eine niedrigschwellige, fast beiläufige Art und Weise etwas mitnehmen und lernen können.
Dabei kommt es nicht zuletzt darauf an, das gesamte Ensemble als Einheit zu verstehen. Schloss Augustusburg mag durch seine Nähe zum Bahnhof und zur Innenstadt der prominenteste Teil sein, doch der Schlossgarten und das Jagdschloss Falkenlust spielen alles andere als eine Nebenrolle. Vielmehr sind sie von gleicher historischer und künstlerischer Bedeutung. Nur wer alle drei Orte besucht, kann die Verbindungen erkennen, die die Einzigartigkeit dieser Anlage ausmachen.
Wenn ich gefragt werde, warum sich ein Besuch auch für Menschen lohnt, die sich sonst nicht für Kunstgeschichte interessieren, ist meine Antwort immer dieselbe: Die Schlösser Brühl sind ein Must-See in Nordrhein-Westfalen. In seiner 300-jährigen Geschichte hat Schloss Augustusburg beispielsweise Kurfürsten, Kaiser und Bundespräsidenten beherbergt und als Konstante im Rheinland den Zerfall von Staaten, Kriege und den gesellschaftlichen Wandel miterlebt. Jede Epoche hat ihre Spuren am Schloss hinterlassen.
Manchmal sind es die scheinbar nebensächlichen Momente, die besonders berühren. So ist mir der Besuch einer älteren Dame in Erinnerung geblieben, die mir am Ende einer Führung offenbarte, dass sie zusammen mit ihrem Vater vor über 50 Jahren einen Großteil der Gemälde im Schloss restauriert hatte. Sie konnte noch detailliert von der Arbeit an den kurfürstlichen Porträts berichten.
»Im Speisezimmer des Corps de logis mit tausenden Rotterdamer Fliesen feierte vermutlich schon Giacomo Casanova.«
Benedikt Bauer
Ein besonderes Kapitel in der Geschichte der Schlösser Brühl wurde 1984 aufgeschlagen, als sie in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen wurden. Für mich ist das nicht nur eine Auszeichnung, sondern eine Verpflichtung. Sie macht deutlich, dass wir es hier mit einem Kulturgut von universeller Bedeutung zu tun haben – auf einer Stufe mit den Pyramiden von Gizeh oder Versailles. In diesem Jahr feiern wir die Grundsteinlegung von Schloss Augustusburg, das die Geburtsstunde des Rokoko in Deutschland markiert. Mit der Sonderpräsentation »Über Stuck und Stein« holen wir elf bislang verborgene Schätze aus dem Depot und werfen neue Schlaglichter auf die Baugeschichte. Am 13. Juli feiern wir das Jubiläum mit einem großen Familien- und Aktionstag. Dann wird der Ehrenhof vor Schloss Augustusburg zum Schauplatz für Präsentationen zu historischen Handwerkstechniken, Workshops und Musik. Abends enden die Feierlichkeiten mit einem Picknick im barocken Gartenparterre, für das man vorab Tickets erwerben kann. Es ist ein Fest für alle, die sich von der Geschichte und Schönheit dieses Ortes berühren lassen wollen.
Wenn ich nach meinem Lieblingsort gefragt werde, fällt es mir schwer, mich zu entscheiden. Das berühmte Prunktreppenhaus von Balthasar Neumann ist ohne Zweifel ein Meisterwerk. Ein weiterer, von vielen Gästen oft nur im Vorbeigehen flüchtig wahrgenommener Lieblingsort von mir ist der Sommerspeisesaal im Erdgeschoss des Corps de logis. In dem Speisezimmer mit tausenden Rotterdamer Fliesen, die Figuren der Commedia dell‘arte darstellen, feierte vermutlich schon Giacomo Casanova unter dem stetigen Plätschern des Wandbrunnens. Die vollständig gefliesten Wände, der Boden aus Lahnmarmor und der als Sektkühler genutzte Wandbrunnen erzeugen gerade im Sommer eine entspannte und kühle Atmosphäre.
Aufgezeichnet von Jörg Restorff
NAME: BENEDIKT BAUER
ALTER: 27
BERUF: KUNSTHISTORIKER
WOHNORT: BONN
AM 8. JULI 1725 LEGTE DER KÖLNER KURFÜRST UND ERZBISCHOF CLEMENS AUGUST VON BAYERN DEN GRUNDSTEIN ZUM BAU SEINES SOMMERLICHEN »LUST- UND JAGDSCHLOSSES«, DURCH DAS BENEDIKT BAUER REGELMÄßIG FÜHRT.
13. Juli: Familien- und Aktionstag
Ausstellung »Über Stuck und Stein«, bis 30. November