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»Wir wollen beides: Die Leuchttürme, aber auch die Basis bestärken.«
Am 6. September werden vier Kunstvereine mit dem ersten Weststern-Förderpreis ausgezeichnet. Wir haben mit dem Stifter Jan Fischer und Mitinitiatorin Bettina Böhm gesprochen.
Kunst und NRW, das war die Kombination, die der Kunstsammler Jan Fischer zum 90. Jubiläum seines Familienunternehmens fördern wollte. Doch wie genau? Das musste erst noch herausgefunden werden. Dazu holte er sich Unterstützung von Bettina Böhm, die mit der Leap Art Foundation privates Mäzenatentum zusammenbringt.
kultur.west: Warum ist Ihnen Kunst wichtig?
JAN FISCHER: Kunst fördert es, über Grenzen hinweg zu denken, sich mit anderen Themen, aber auch Bewusstseinswelten zu verbinden. Die Perspektiven von Künstlern zu erfahren. Das ist Wachstum pur für das eigene Verständnis von dieser Welt, in der wir leben.
BETTINA BÖHM: Die Kunst spiegelt – wenn sie relevant ist – unsere Gesellschaft im positiven wie im negativen Sinne, eigentlich alles, was passiert. Insofern ist unserem Leben Kunst inhärent. Eigentlich sollte jeder daran interessiert sein.
kultur.west: Was bedeuten Kunstvereine für Sie?
FISCHER: Das sind wirklich Experimentierfelder. Wir sind in Deutschland recht gut versorgt mit Institutionen, die eher einen herausstellenden, bewahrenden Ansatz und kontextualisierenden Auftrag haben, was künstlerische Positionen anbelangt. Kunstvereine sind da frei, sie verhandeln das Neue und neuen Formate und können auch ortsspezifischer sein. Das ist, was mich eigentlich fasziniert.
BÖHM: Kunstvereine sind zutiefst demokratisch mit allen Vor- und Nachteilen. Das Budget speist sich aus den Mitgliedsbeträgen und das Tolle ist, dass jeder, der Mitglied ist, ein Mitspracherecht hat. Demokratischer kann man eigentlich gar nicht handeln. Dann haben die Kunstvereine eine relativ einfache Struktur, keine große Verwaltung, die man beachten muss. Außerdem sind die Leiterinnen und Leiter in aller Regel ziemlich jung und wollen natürlich auch Junges zeigen. Dabei haben sie ein sehr gutes Gespür für aktuelle Kunst. Wenn man von der Gegenwart in die Vergangenheit schaut, wer Kunstvereine geleitet hat und an welchen Stellen sie heutzutage sind, dann sieht man, dass für sie wirklich gute Leute ausgewählt werden.
kultur.west: Was hat Sie bewogen, diesen Preis für Kunstvereine, also *Weststern, ins Leben zu rufen?
FISCHER: Ich wollte meinem Dank dem Bundesland NRW gegenüber, wo mein Familienunternehmen seit 90 Jahren existiert und prosperiert, eine bestimmte Form geben. Ich fördere Kunst nicht nur in verschiedenster Form und in verschiedensten Institutionen, sondern ich sammle auch und setze mich mit ihr auseinander. Dem Museum Kunstpalast in Düsseldorf habe ich eine Reihe von Werken von Konrad Lueg geschenkt. Aber ich wollte auch den Kunststandort NRW mit meinen Möglichkeiten maximal gut fördern. Die Anregung, sich auf Kunstvereine zu konzentrieren, kam von Museumsdirektorinnen und Museumsdirektoren in NRW. Sie haben betont, dass Kunstvereine eine wichtige Rolle im Kunstbetrieb, aber auch zu kämpfen haben. In einer Recherche haben wir dann festgestellt, dass die Kunstvereinslandschaft in NRW herausragend und besonders dicht ist und in der Vergangenheit viele Talente entdeckt und gefördert hat. Wir haben auch Gespräche mit Kunstvereinsleitern und Kunstvereinsleiterinnen geführt. Sie sagen, dass ihre Arbeit nicht mehr so einfach ist. Es gibt Nachfolge- und Finanzierungsprobleme. Und trotzdem halten sie die Stellung. Da dachten wir uns, das ist genau der richtige Ansatz: Hier werden entscheidende Beiträge geschaffen für die Kunst und den Kunstbetrieb.
kultur.west: Und warum ein Preis? Sie hätten ja auch einfach Geld in die Hand nehmen und spenden können.
FISCHER: Dazu muss man wissen, dass wir ein bisschen mehr vorhaben als den Preis. Wenn ich etwas mache, dann möchte ich, dass die Dinge so aufgestellt sind, dass sie lange wirken und nachhaltig Effekte erzeugen können. Wir haben das ganz früh schon so als Ziel formuliert: Dass wir nicht nur kommen und mal einen Preis machen und dann gehen wir wieder, sondern wir werden eine feste Größe sein, auf die man sich verlassen kann. Wir wollen auch etwas schaffen, was nicht nur den Preisträgern zugutekommt, sondern der ganzen NRW-Kunstvereinslandschaft.
kultur.west: Was heißt das konkret?
FISCHER: Wir leisten kommunikative Unterstützung, wir möchten die Kunstvereine sichtbarer machen und Netzwerke zusammenführen, aber vielleicht auch Unterstützung leisten in der Selbstfinanzierung von Kunstvereinen. Ganz bewusst haben wir mit der Direktorin Valerie Knoll und dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Waldschmidt vom Kölnischen Kunstverein, dem Videokünstler Marcel Odenbach und uns beiden einen prominent besetzten Beirat berufen und mit Bettina Klein eine Geschäftsführerin eingestellt, um gleich zu zeigen: das Ganze ist wirklich höher aufgehängt und zwar durchgehend im ganzen Jahr.
kultur.west: Was ist die Aufgabe des Beirats?
BÖHM: Es müssen Personen sein, die Expertise haben, wie solch eine Struktur funktioniert. Der Beirat hilft mit Hintergrundwissen, mit Kontakten und berät auch bei der Wahl der Jurymitglieder. Auf der anderen Seite geht es darum, dass der Beirat auch in den Sitzungen die Jury beobachtet und schaut, ob alles regelkonform abläuft.
kultur.west: Woher wissen Sie, was genau die Kunstvereine benötigen?
FISCHER: Wir haben einige Kunstvereine besucht und dort Interviews geführt, weil wir natürlich verstehen wollen, wo die Unterstützungsbedarfe konkret liegen.
kultur.west: Wie kam es dazu, den Preis in drei Kategorien zu vergeben?
FISCHER: Es musste die Möglichkeit geschaffen werden, auch unterschiedliche Vereinsgrößen prämieren zu können. Neben herausragenden neuen Formaten in Einzelausstellungen möchten wir auch die Funktion von Kunstvereinen spiegeln, kunstsinnige Bürger als Mitglieder zusammenzuführen, aber auch Vermittlungsdienste zu leisten. Deswegen haben wir ganz bewusst gesagt, dass auf jeden Fall auch Vermittlungsarbeit und bürgerschaftliches Engagement prämiert werden sollen. Das kann ganz unterschiedlich sein, aber da passieren die tollsten Sachen bei den Kunstvereinen. Und es kommt oft nicht nur den Mitgliedern zugute, sondern der ganzen Stadt.
Dann wollten wir ein Jahresprogramm prämieren, sozusagen die Königsdisziplin, was aber eher die größeren Kunstvereine leisten können. Wir wollen also beides: Die Leuchttürme, aber natürlich auch die Basis bestärken.
BÖHM: Eigentlich gibt es immer viel mehr Projekte, die man fördern möchte, als man fördern kann. Die Schwierigkeit besteht darin, einen Weg zu finden, jemanden nicht auszugrenzen, der wirklich die super Ausstellung hat, aber zu den »üblichen Verdächtigen« gehört. Auf der anderen Seite aber jemanden mit reinzunehmen, der ein großes Potenzial hat. *Western hat das ein bisschen gelöst durch einen vierten Preis, die »Besondere Anerkennung«. Aber es hätte auch noch einen fünften und sechsten geben können. Es sind wirklich sehr, sehr viele gute Ausstellungen dabei gewesen. Das spricht natürlich für NRW. Die Dichte an guten Ausstellungen ist da wie in keinem anderen Bundesland.
kultur.west: Welche Kriterien wurden in der Nominierungsphase am meisten diskutiert? Warum wurden die Nominierten ausgewählt?
FISCHER: Was ich mitbekommen habe in der Nomminierungsdiskussion, war das Wort »Relevanz«. Was ist denn eigentlich relevant? Es ist eben das, was treibt, was neu ist. Was aber auch gut gemacht ist und was vielleicht in gewisser Weise irritiert, aber auch zugänglich ist und berührt. Was auch gesellschaftlich wichtige Fragen aufwirft und sich auf adäquate Weise mit diesen Fragen beschäftigt. Diese Relevanz spürt das Publikum.
kultur.west: Was wünschen Sie sich für *Weststern?
BÖHM: Dass andere Unternehmer in anderen Bundesländern Ähnliches tun. Es wäre toll, andere würden sich daran ein Beispiel nehmen, auch an der Art der Verteilung des Geldes: dass der Betrag hundertprozentig dort ankommt, wo er hin soll und nicht versickert in Verwaltungs- oder Nebenkosten, die der Stifter natürlich auch tragen muss.
kultur.west: Und was haben Sie von *Weststern bislang mitgenommen?
FISCHER: Ich bin überrascht, was in den Kunstvereinen alles los ist, wie produktiv dieser Sektor ist und wie viel Herzblut die Menschen – nicht nur die Direktoren und Direktorinnen, sondern auch die Mitglieder – über sich in diese Vereine tragen. Das ist einfach großartig.
Zu den Personen
Jan Fischer ist Initiator und Stifter von *Weststern. Der Unternehmer und Kunstsammler hatte 2008 die Mehrheitsanteile am Familienunternehmen der DKV Mobility Group SE mit Sitz in Ratingen übernommen. Er ist an verschiedenen Standorten in Deutschland mit eigenen Kunstinstitutionen engagiert und in zahlreichen Kuratorien tätig.
Die *Weststern-Mitinitiatorin Bettina Böhm ist Kunsthistorikerin und Kunstsammlerin und hatte 2021 die Leap Art Foundation gegründet, die Projekte mit Mitteln privater Geldgeber*innen fördert. In mehr als drei Jahrzehnten philanthropischen Engagements hat Bettina Böhm als Kulturmanagerin ein umfangreiches Netzwerk in der Kunstwelt aufgebaut.