»Kennt ihr eigentlich Seebühl? Das Gebirgsdorf Seebühl? Seebühl am Mühlsee? Nein? Nicht? Merkwürdig!« Mit diesen Worten beginnt nicht nur Erich Kästners 1949 erschienener Romanklassiker »Das doppelte Lottchen«, sondern auch dessen rasante Bühnenadaption im Jungen Schauspiel Düsseldorf. Erzählt wird die Geschichte der Zwillinge Luise Palfy (Emilia de Fries) und Lotte Körner (Sine Dresp), die nach der Scheidung der Eltern getrennt voneinander in München und Wien aufwachsen. Keine der Schwestern weiß, dass es die andere gibt. Dies ändert sich erst, als die beiden Mädchen in einem Feriencamp in Seebühl zufällig aufeinandertreffen – und herausfinden, dass sie Zwillingsschwestern sind. Aber warum haben die Eltern sich scheiden lassen, als Luise und Lotte noch klein waren? Und, noch wichtiger, warum haben sie auch die Kinder voneinander getrennt? Um Antworten zu finden, entwickeln die Schwestern einen ebenso wagemutigen wie raffinierten Plan: Sie tauschen ihre Frisuren, ihre Kleider, ihren Wohnort, kurz: ihre Identitäten. Das Verwechslungsspiel funktioniert, bis Luise alias Lotte eines Tages erfährt, dass ihr Vater eine andere Frau heiraten möchte – und ein neuer Plan entwickelt werden muss, um dies zu verhindern.
Leichtigkeit und Tempo
Regisseur Robert Gerloff, der am Jungen Schauspiel zuletzt das Kinderstück »Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete« inszenierte, bringt Kästners Roman mit viel Witz, Leichtigkeit und großem Tempo auf die Bühne. Die bunte Kulisse von Maximilian Lindner und die Retro-Optik der Kostüme von Cátia Palminha – darunter etwa Pfadfinderuniformen mit Waschbär-Aufnähern – erinnern an Wes Andersons Film »Moonrise Kingdom«. Die Stadt München wird durch eine übergroße Brezel, Wien durch ein riesiges Stück Sachertorte – das zugleich als Rutsche dient – symbolisiert. Eine schöne Idee ist auch die kleine Poststation mit ‚echter’ Brieftaube und Schneckenpost, gespielt von Bernhard Schmidt-Hackenberg und Ali Aykar. Überhaupt sind es die zahlreichen Nebenfiguren, die immer wieder für Situationskomik sorgen. Einzig die in zwei Szenen auftauchenden Hexen könnten für kleinere Kinder vielleicht etwas zu gruselig geraten sein.
Gerloffs Bühnenadaption von »Das doppelte Lottchen« bleibt erzählerisch und dramaturgisch eng an Kästners Roman aus der Nachkriegszeit. Zugleich übersetzt er dessen universelle, zeitlose Familiengeschichte in die Gegenwart, indem er an wenigen, aber dafür entscheidenden Stellen inhaltlich von der Vorlage abweicht. So endet das Theaterstück beispielsweise lediglich mit der Möglichkeiteiner Versöhnung der Eltern – und lässt die Frage, ob es dazu kommt, offen. Schließlich, so heißt es im Stück, gibt es manchmal auch gute Gründe für eine Trennung. Wichtig sei nur, dass Eltern ihren Kindern zuhören und mit ihnen über ihre Sorgen reden. Denn sie sind »die Erwachsenen von morgen«.
Central, Große Bühne, www.dhaus.de
Vorstellungen bis 13. Januar
Ab 6 Jahren