Damals haben wir noch gedacht, wir hätten schon alles gesehen in Sachen virtueller Realität. Die war zwar noch analog wie Hölle, aber dennoch bunt und faszinierend. Wie die Blicke auf die 3D-Bilder des stereoskopischen »View-Master«, der schon durch sein Design so aussah, als würde ihn Mr. Spock auf Außenmissionen mitnehmen. Die billigen Pappbrillen mit roter und grüner Folie, die den Augen im Kino so etwas wie räumliche Tiefe vorgaukelten. Oder die plastikbunten Klick-Fernseher, die meist an Kiosken an Urlaubsorten verkauft wurden und mit denen man sich durch eine kleine Diashow klicken konnte. Eine Art frühes Google Street View für die Hosentasche. Wer braucht schon New York City, wenn er Borkum haben kann?
Die »echte« virtuelle Realität, sofern es so etwas überhaupt geben kann, brauchte noch einige Jahre. 1990 entwickelte die NASA die »Virtual Interface Environment Workstation« (VIEW) für wissenschaftliche Zwecke. Und gerade, als die Ottonormalanwender*innen sich mit dem grafisch-pixeligen Betriebssystem »Windows 3.1« und 1,5 MB-Disketten bereits verdammt weit in der Zukunft wähnten, kamen die ersten VR-Headsets heraus. 1994 brachte das Unternehmen Forte den Virtual Reality Helm »VFX1 Headgear« auf den Markt; ein Jahr später reagierte Nintendo mit dem signalroten »Virtual Boy«, dessen Design an eine Taucherbrille erinnerte. Da die 3D-Technologie jener Tage aus heutiger Sicht alles andere als ausgereift war, war erstmal Sendepause, in der sich die 90er-Jahre-Kids ohne Brille auf LAN-Partys entzückt durch 3D-Shooter wie »Quake« ballerten. 2013 folgte mit »Oculus Rift« jenes VR-Headset, das den gegenwärtigen Modellen am nächsten kommt.
Wer hat dir denn den Toaster vor die Augen geschnallt, mögen manche in Angesicht eines VR-Headsets-Trägers fragen. In der Tat – die Geräte sind immer noch groß, kantig und ziemlich unelegant. Aber irgendwo muss die Technik ja hin, die die virtuelle Realität direkt vor die Augen projiziert, so dass man sich in Games 360 Grad umschauen und agieren kann. Dazu hält man zwei Steuerungselemente in den Händen, damit die Bewegungen in Echtzeit in das System übertragen werden können. Schön sieht das nicht aus, da war selbst der Visor, die Sehhilfe von Geordi la Forge, dem blinden Chefingenieur der Enterprise eleganter, und das war nur ein mit Goldfarbe angesprühter Haarreif.
Bleibt die Hoffnung auf die weitere Miniaturisierung der VR-Technik, auf das die Brillen immer kleiner und kabelloser werden. Vielleicht nehmen sich mit weiterer Verbreitung Designer*innen den Geräten an und entwerfen richtig schicke Modelle. Wenn der Form wirklich Funktion folgt – alte Designerweisheit – wird auch die Frage wichtig, welche Verwendung die VR-Brillen in Zukunft haben werden, jenseits von Games, Kunst und natürlich der Wissenschaft. Ist das Prinzip Monitor, ob bei Computern oder Fernsehern, vielleicht sowieso überholt? Wir werden es sehen. Ein Tipp – »Zoom«-Konferenzen sollte man auf keinen Fall mit VR-Brillen abhalten. Sonst guckt Frau Müller aus der Marktforschung nach links und sieht den Berg Dreckwäsche neben dem Schreibtisch des Kollegen.