In mancher Hinsicht ist DCTP eine Fünfte Kolonne. Sie arbeitet im Innern des Privatfernsehens, steht aber in den Diensten einer fremden Macht – der Kultur. DCTP (Development Company for Television Program mbH) vermittelt Sendungen wie »Spiegel TV«, »BBC Exklusiv« und die Interviews von Alexander Kluge. Diese werden in sogenannten Programmfenstern gesendet, die RTL, Sat1 oder Vox laut Rundfunkstaatsvertrag freihalten müssen. Jakob Krebs weiß, dass er mit seinen Formaten nicht immer auf Gegenliebe stößt: »Wir bekommen die Lizenz mit dem Auftrag, etwas zu tun, was die Privaten so nicht tun würden, was aber einen zusätzlichen Beitrag zur Information leistet.« Als stellvertretender Geschäftsführer von DCTP ist er die zentrale Schnittstelle zwischen den Sendern und den Produktionsfirmen. Er koordiniert und verhandelt, liefert aber auch inhaltlichen Input. Reden ihm die Privaten viel rein? Krebs schüttelt den Kopf. »Den Sendern ist unser Kulturauftrag bewusst. Sie würden von uns nicht fordern, eine Gameshow zu machen.«
Natürlich will auch DCTP kein zuschauerloses Telekolleg senden. Dagegen spricht schon das Finanzierungsmodell. Die Firma lebt von der Werbung, die im Umfeld der eigenen Formate geschaltet wird. Die Formel »Anspruch = niedrige Quoten« trifft ohnehin nicht zu. »Die Fensterplätze laufen eigentlich nicht schlecht. Die sogenannte ›werbewirksame Zielgruppe‹ der 14 bis 49-Jährigen nimmt unsere Sendungen gut an.« Derart ermutigt, hat DCTP jüngst ein besonders gewagtes Experiment gestartet: einen vierstündigen Themenblock am Samstagabend. Zuletzt lief ein episches Porträt der Porsche-Dynastie – Zeitgeschichte in Diktatur und Demokratie am Beispiel einer urdeutschen Firma. Die Idee zu diesem Vier-Stunden-Wagnis kam vom Vox-Geschäftsführer selbst, sagt Krebs. Man merkt ihm die Faszination für dieses Projekt an. Tatsächlich sind Vox und DCTP inoffiziell mit dem Versuch angetreten, das Klischee von der kulturlosen Prime Time zu widerlegen. Und so liefern sie denen Munition, die schon lange vermuten, dass es nicht das Desinteresse der Zuschauer ist, sondern die Mutlosigkeit der Fernsehmacher, die für den Qualitätsmangel im TV verantwortlich ist.
Die Vergabe der Programmfenster ist ein komplizierter Prozess mit hohen Papierbergen. Manche Lizenzen werden alle drei, manche alle fünf, andere alle zehn Jahre ausgeschrieben. In der Theorie kann sich jeder TV-Zulieferer bewerben, in der Praxis belegt DCTP fast alle Fenster. Vor ein paar Jahren klagte Uli Wickerts Produktionsfirma gegen die Vergabe von Senderechten an die Düsseldorfer Konkurrenz, vergebens. Eines steht fest – gegen die geballte Kulturmacht von DCTP ist schwer anzukommen. In den 22 Jahren ihrer Existenz hat die Firma ein Netz von hochkarätigen Kooperationspartnern gestrickt. Mit SZ, NZZ und Spiegel sind Schwergewichte aus dem Print-Feuilleton dabei, hinzu kommen die BBC und natürlich Alexander Kluge, der auch Geschäftsführer ist. Als Platzhirsch sieht Krebs seine Firma trotzdem nicht: »Von Monopolstellung kann man hier nicht sprechen; im Gegenteil, durch die vielen Partner, die auf dem Printmarkt miteinander in Konkurrenz stehen, repräsentieren wir Vielfalt. Und im Übrigen gibt es ja sowohl bei RTL, als auch bei Sat 1, weitere Lizenznehmer, die Drittsendeplätze belegen.« Als Verteidigung könnte man hinzufügen, dass Krebs & Co sich natürlich nicht für ihre Fähigkeit entschuldigen müssen, potente Partner an Land zu ziehen und hochwertiges Fernsehen zu produzieren.
Kluge und die SZ arbeiten in München, Spiegel TV sitzt in Hamburg – was macht DCTP eigentlich in Düsseldorf? »Das hängt mit Dentsu zusammen, unserem Hauptanteilseigener. Außerdem ist NRW in unseren Augen das wichtigste Bundesland.« Dentsu ist die größte Werbeagentur in Japan, sie produziert aber auch »normales« Fernsehprogramm. Ende der 80er begann der Einstieg in den deutschen TV-Markt bei Kluges DCTP. Man ließ sich am Standort mit der größten japanischen Firmen-tradition nieder. Auf die Idee umzuziehen, würde Krebs nicht kommen. »Düsseldorf passt zu uns. Die Stadt hat einen großen Sinn für Kunst. Die ganze Region bietet das beste kulturelle Umfeld, das ich kenne.«
Während sich DCTP im klassischen Fernsehen voll etabliert hat, ist das eigene Web-TV noch Neuland. In den wenigen Monaten am Netz hat es bereits einen Lead Award gewonnen, die höchste Design-Auszeichnungen der Medienbranche in Deutschland. Auch online probieren Krebs & Co. Ungewohntes. Die Beiträge sind in Themenschlaufen angeordnet. Das Ganze erinnert an ein Bibliotheksregal, in dem Bücher zu verwandten Wissensgebieten nebeneinander stehen. Man muss nicht alle herausziehen, aber man kann. »Wir können unsere Themen im Netz in Zusammenhängen darstellen, die im Fernsehen für uns nicht möglich sind, da wir nur Fensterplätze belegen«, sagt Krebs. Im Grunde widerspricht das Konzept von dctp.tv allen Klischees von der Video-Nutzung im Internet. »Uns wurde immer gesagt, Fernsehen fürs Internet sei eine Sache für kurzweilige Clips – für den Kanarienvogel, der tanzen kann. Wir machen keine Clips. Wir lassen Menschen lange reden, und wir lassen sie auch manchmal sperrig reden.« Das Experiment scheint zu funktionieren. Die durchschnittliche Sehdauer auf dctp.tv beträgt 30 Minuten, enorm lang fürs Web. Angenehm ist auch, dass man für die Interviews von Kluge einmal nicht bis Mitternacht aufbleiben muss.
Einziges Problem in der schönen neuen Welt des Web-TV ist die Finanzierung. Noch ist dctp.tv ein Zuschussgeschäft. Das liegt auch daran, dass es keine auf dieses Format zugeschnittene Werbung gibt. »Das ist ein echtes Problem für uns«, sagt Krebs. Zurzeit bleibt DCTP nichts anderes übrig, als Werbeclips online zu integrieren, die ursprünglich für normales TV gedreht wurden. Das hat mehrere Nachteile: Erstens sind die Clips in der Regel zu lang und zweitens zu teuer in der Herstellung. Krebs glaubt, dass die Produktion von kurzen, kostengünstigen und speziell fürs Netz entwickelten Spots eine ganz neue Gruppe von Werbekunden locken könnte. Von der Attraktivität des Umfelds ist er überzeugt: »Unser Auftritt im Netz ist ein Special-Interest-Magazin in Videoform. Wir richten uns an eine bestimmte Zielgruppe.«
Krebs macht eine kurze Pause. Man merkt ihm an, dass er nicht elitär klingen will, aber er meint tendenziell die Bessergebildeten und oft auch -verdienenden. Als Beispiel für eine neue Art von Werbekunden nennt er Montblanc – eine Firma, die keine TV-Spots schaltet, deren edle Füller im Umfeld von dctp.tv aber sicher nicht fehl am Platz wirken würden. Kurioserweise seien es die Werbeagenturen, die beim Thema Werbung im Web-TV am meisten hinterher hinkten, meint Krebs. Und so führt er bereits Gespräche über neue Anzeigenformate im Netz. Sollten sie erfolgreich sein, dann könnte DCTP ein besonders seltenes Kunststück gelingen – mit Kultur im Internet Geld zu verdienen. Hoffentlich funktioniert’s.
Als stellvertretender Geschäftsführer bei DCTP ist Jakob Krebs einer der wichtigsten Kulturvermittler im deutschen Fernsehen. Er wuchs in Japan auf, als Sohn eines ARD-Korrespondenten. Anfang der 90er sammelte er erste TV-Erfahrungen bei Hans Joachim Friedrichs’ Tagesthemen. Seit fast 20 Jahren arbeitet er für Alexander Kluges Firma.
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