7,5 Millionen Euro können eine sehr kleine oder eine sehr große Summe sein – es kommt auf die Perspektive an. Im Vergleich zu den Gesamtausgaben des Landes im kommenden Jahr (rund 107 Milliarden) sind 7,5 Millionen nicht mal 0,1 Promille, also kein Hunderttausendstel. Warum sollte man so einen Bruchteil dann ausgerechnet im Kulturetat kürzen?
Weil, so argumentieren Ministerpräsident Hendrik Wüst, Finanzminister Marcus Optendrenk und auch Kulturministerin Ina Brandes selbst (alle CDU), angesichts der finanziellen Herausforderungen durch den Krieg in der Ukraine, die Energie- und Verkehrswende, die Inflation und die hohen Tarifabschlüsse, Einsparungen unvermeidlich seien. Nur zwei Bereiche sollten von den Einsparungen ausgenommen sein, so hat es die Landesregierung beschlossen: Das Schulressort und das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration. Alle anderen am Kabinettstisch müssen zur Sicherung eines ausgeglichenen Gesamthaushaltes und zur Einhaltung der grundgesetzlich vorgeschriebenen Schuldenbremse beitragen – also auch die Kultur. Dabei werden die 7,5 Millionen Euro weniger sogar niemandem konkret wehtun; es sind Restmittel jener insgesamt 100 Millionen Euro, um die der Kulturetat seit 2017 gestiegen war und für die es bisher noch keine konkrete Verwendung gab.
Doch es gibt eben auch die andere Perspektive. Aus der sind die Akteur*innen in der Kultur – von den großen Bühnen, Bibliotheken und Museen über freie Ensembles und kleinere Einrichtungen bis zu den vielen Tausend Einzelkünstler*innen – genauso von den aktuellen Kostensteigerungen betroffen wie alle anderen. Wenn ihre Etats und Zuschüsse wegen der gekürzten 7,5 Millionen aber nicht die steigenden Tarife der Beschäftigten und die allgemeine Inflation ausgleichen, sind mit demselben Geld wie bisher weniger Inszenierungen, Ausstellungen und Veranstaltungen möglich – und das scheinbar nur rechnerische Minus von 7,5 Millionen sorgt tatsächlich schon im nächsten Jahr für ein schmaleres Kulturangebot.
Steigerung im Koalitionsvertrag vereinbart
Und es geht um noch mehr: Erst im Juni vergangenen Jahres – der Krieg in der Ukraine lief da schon vier Monate, Energiepreise und Inflation waren längst explodiert – hatten CDU und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, den Kulturetat des Landes bis 2027 um 50 Prozent, also mindestens 155 Millionen Euro zu steigern. Das sollte in linearen Schritten von rund 30 Millionen Euro jährlich geschehen, doch schon 2023 betrug das Plus nur 5,6 Millionen, und nun folgt sogar ein Minus von 7,5 Millionen. Damit liegt die Regierung bereits nach zwei Haushaltsjahren mehr als 60 Millionen Euro hinter den angekündigten Steigerungen zurück.
Die große Crux dahinter: Eigentlich sind schon seit 2021 verbindliche Honoraruntergrenzen für Künstler*innen überall dort gesetzlich vorgeschrieben, wo Einrichtungen und Projekte mit Landesmitteln gefördert werden. Die Verhandlungen über die Höhe dieser Mindestgagen laufen seitdem, die notwendige Förderrichtlinie ist jetzt für 2024 angekündigt. Im Kulturministerium geht man davon aus, dass geförderte Projekte durch die neuen Honorarsätze um durchschnittlich 30 Prozent teurer würden. Nun fürchten viele Fachverbände, dass die Senkung des Kulturetats im kommenden Jahr nur ein Vorbote für den Ausstieg der schwarz-grünen Koalition aus dem gesamten Steigerungsversprechen sein könnte. Damit würden die Mindestgagen aber entweder in weite Ferne rücken – oder sie werden eingeführt, aber wegen der dann höheren Kosten sind künftig nur noch zwei Drittel der bisherigen Projekte möglich. Der Kulturrat NRW appellierte bereits an die Regierungsparteien, ihre Versprechen einzuhalten: der Kultur müsse Luft zum Atmen bleiben.