Will Humbug dirigiert eine grandiose »Traviata« in Dortmund. Am Pult der Philharmoniker erfindet er Verdis Oper neu.
Fast aus der Unhörbarkeit heraus beginnt die Ouvertüre. Mit zartem Schimmern entfaltet sich die erste von vielen wunderbaren Melodien Giuseppe Verdis im Dortmunder Opernhaus. Und wenn der erste Akt beginnt, mit einer Party im Hause der Kurtisane Violetta, gibt das Orchester die Stimmung vor. Will Humburg hat am Pult der Dortmunder Philharmoniker Mut zu extrem leisen und wuchtigen Tönen. Er erfindet die »Traviata« neu. Das Niveau des Anfangs hält er über die fast dreistündige Spielzeit. Das Orchester kommentiert, unterstützt, malt Emotionen. Im Programmheft erzählt der Dirigent von seinen Recherchen. Von den extremen Anweisungen, die Verdi in die Partitur schrieb, etwa ein fünffaches Pianissimo. Leise, leiser, nochmal leiser und dann noch doppelt leiser.
Anna Sohn singt die Titelrolle, eine selbstbewusste Kurtisane in Paris um 1850. Sie darf sich nur nicht in einen ihrer Verehrer verlieben. Dann ist sie plötzlich nur noch eine Hure, eine »vom Weg Abgekommene«, wie sich »traviata« übersetzen lässt. Vielleicht hat Verdi in dieser Rolle seine Lebensgefährtin gesehen, die Sängerin Giuseppina Strepponi, eine unabhängige Frau. Auf jeden Fall hat er Violetta mit Empathie gezeichnet und ihr einige der berührendsten Opern-Melodien auf den Leib geschrieben. Sohn singt sie mit strahlender Wahrhaftigkeit, ein Schillern zwischen Traum und Realität. Was Bühnenbildner Frank Philipp Schlößmann mit einem von schemenhaften Spiegelungen erfüllten Rundvorhang unterstreicht. Andrea Carè (Alfredo) ist ein kraftvoller und sensibler Tenor, Mandla Mndebele überzeugt als sein Vater. Die Inszenierung von Vincent Boussard ist da fast Nebensache – denn die Dortmunder »Traviata« ist eine musikalische Sensation.
»La traviata«
Wieder am 15., 18., 26., 29. Dezember, 3. Januar