Die Oper Bonn zeigt Verdis frühe Oper »Nabucco« als spannendes Drama mit überragenden musikalischen Leistungen.
Jetzt rastet er aus. Nabuccodonosor, der König Babylons, hat nicht nur seine Feinde, die Hebräer, besiegt. Er hat auch noch rechtzeitig spitzgekriegt, dass seine nur scheinbar erstgeborene Tochter gegen ihn putschen wollte. Nun ist sein Triumph vollkommen, und Nabucco erklärt sich zum Gott. Der Bariton Aluda Todua donnert mit seiner mächtigen Stimme durch das Bonner Opernhaus, dass man es fast glauben könnte. Doch dann schlagen Blitze ein, der Gott der Hebräer weist den Herausforderer in seine Schranken, der gedemütigte Nabucco wird wahnsinnig.
Eine sehr wirkungsvolle Szene, die der junge Giuseppe Verdi in seiner dritten Oper komponiert hat. Lange bevor der berühmte Gefangenenchor zu hören ist, wird klar, warum der »Nabucco« ein ideales Stück war, um die italienische Freiheitsbewegung des 19. Jahrhunderts musikalisch abzubilden. Selbst heute liegt der Gedanke nicht fern, ob es dem lieben und so lange abwesenden Gott nicht zuzumuten wäre, mal einigen Potentaten die Blitze um die Ohren zu pfeffern. Angenehmerweise hat Regisseur Roland Schwab solche Assoziationen nicht auch noch direkt bebildert. Er beschränkt sich auf eine Installation von Spruchbändern. Darüber laufen in roter Schrift Zitate von Hitler, Stalin und – nun ja – auch Donald Trump. Doch sonst lässt die Regie den Zeigefinger unten und erzählt die Geschichte in einem düsteren, apokalyptischen Bühnenbild. Sogar der Sessel, in dem sich Nabucco durch die Gegend tragen lässt, bringt keine Farbe in diese kaputte Welt.
Kraft der Melodien
Es wäre auch zu viel, das eher einfache Libretto mit dem Versuch zu überfrachten, den heutigen Gaza-Konflikt zu erzählen. Hier war Verdi noch nicht der große Meister, der auch bei den Textbüchern auf psychologische Feinheiten achtete. Er wollte sich durch die Kraft seiner Melodien im Opernbetrieb seiner Zeit etablieren, was ihm grandios gelungen ist. Abigaille ist eine sehr anspruchsvolle Rolle, Nabuccos scheinbare Tochter, die erkennt, dass sie in Wahrheit von einer Sklavin abstammt. Wut, Rachedurst, pure Gewalt liegen in ihren Arien, die einige heftige Tonsprünge enthalten. Mit der international erfolgreichen Erika Grimaldi, die hier ihr Rollendebüt gibt, hat die Oper Bonn eine perfekte Besetzung gefunden. Sie entdeckt hinter aller Rage eine verzweifelte Sehnsucht, geliebt zu werden. Überhaupt singt das Ensemble auf einem durchweg hohen Niveau, besonders auch der Opernchor. Der hat natürlich mit »Va pensiero« einen der größten Hits der Musiktheatergeschichte zu singen, aber auch sonst anspruchsvolle, wuchtige, intensive Chorpassagen.
Kein Wunder, dass Dirigent Will Humburg beim Schlussapplaus den Chordirektor André Kellinghaus zu sich nach vorne in die erste Reihe holte. Humburg beweist mit dem »Nabucco« wieder einmal, dass es derzeit kaum einen versierteren Verdi-Interpreten gibt als ihn. Schon in der Ouvertüre mit dem glänzend aufgelegten Beethoven Orchester saß jeder Ton, jeder Atemzug, jeder Gedanke. Subtil spannungsgeladen, biegsam und immer wieder mit überraschender Leichtigkeit pulverisiert Humburg das Vorurteil, dass es instrumental beim frühen Verdi nicht so viel zu entdecken gäbe. Das Gegenteil ist der Fall.
9., 14. NOVEMBER, OPER BONN






