Zwei Perspektiven auf die gleiche Geschichte – die Idee des Doppelabends »Dido und Aeneas / Wassermusik« ist verführerisch. Es könnte auch die Frage danach sein, was die besonderen Erzähl-Qualitäten der Oper und des Balletts sind.
Am Theater Hagen beginnt der Abend mit Henry Purcells Operndeutung des Stoffes. Der Barock-Komponist erzählt in nur einer Stunde, wie die Karthager-Königin Dido ihre Trauer über den Verlust ihres Mannes überwindet. Wie sie sich von ihrer Vertrauten und dem Volk überreden lässt, ihrer Zuneigung zu dem aus Troja geflüchteten Helden Aeneas nachzugeben, der dann aber von einer boshaften Hexenschar daran erinnert wird, dass sein Schicksal ihm bestimmt, nach Italien weiter zu ziehen und dort Rom zu gründen.
Purcell rahmt mit zwei großen tragischen Arien Didos eher leicht erzählte Liebesgeschichte. Zur Ouvertüre zeigt Intendant und Regisseur Francis Hüsers auf der Drehbühne das Volk Karthagos und die Trojanischen Geflüchteten als Tableau Vivant. Während Veronika Hallers Dido ihr Witwenleid beklagt, lässt Hüsers bereits ihre Vertraute Bellinda (Cristina Piccardi) genervt die Augen verdrehen. Das große Pathos wird der Erzählung von Anfang an verweigert. So fehlt aber auch die Fallhöhe, die der Liebe zwischen Dido und Aeneas das nötige Gewicht geben könnte. Am Ende gibt es keinen Ausweg mehr aus dieser Leichtfertigkeit und auch Didos trauriger Abschied und Tod verpufft.
Für den Chor erfindet Hüsers immer wieder kleine choreographische Aufgaben, die in der Ausführung etwas laienhaftes und zappeliges bekommen. Und ist es wirklich nötig, dass die Zauberin eine rote Perücke (Bühne und Kostüm: Kaspar Glarner) trägt, um sie als böses, zauberkundiges Weib kenntlich zu machen?
Während sich das Orchester unter Leitung von Rodrigo Tomillo gut im Barockton bewegt, ist dem Gesangensemble zumindest teilweise anzumerken, dass sie keine Spezialisten sind. Veronika Haller als Dido, Marilyn Bennett als Zauberin und Elizabeth Pilon als erste Hexe schlagen sich mit dem leichten, verzierungsreichen Barockduktus gut. Kenneth Mattice als Aeneas und So Hee Kim als zweite Hexe dagegen fühlen sich ganz offensichtlich in anderen Fächern wohler. Mattice ist zu wuchtig, Kim fast musicalhaft.
Tanz in einem Wasserbassin
Nach der Pause blickt der Choreograph Francesco Nappa auf die Geschichte. Schon die Wahl von Händels »Wassermusik« lässt erahnen, dass auch er eher das Leichte betont. Durchweg barfuß getanzt, ist Nappas Bewegungssprache im zeitgenössischen Ballett mit viel Arbeit am Boden und noch mehr komplizierten Hebungen angesiedelt. Bei der oft etwas ausgedacht wirkenden Choreographie bleibt die Charakterisierung der Personen auf der Strecke. Während Ana Isabel Casquilho als Dido noch überzeugen kann, ist der sehr junge Gonçalo Martins da Silva zwar überaus sympathisch, durchaus souverän auch in den teils akrobatischen Passagen, aber doch zu beschäftigt, um auch noch seinem Aeneas etwas Heldenhaftes zu verleihen. Nicht zuletzt opfert Nappa den Liebes-pas-de-deux dem reinen Effekt, indem er ihn ganz weit auf der Hinterbühne in einem Wasserbassin tanzen lässt. Das mag die Verwendung von Händels Musik rechtfertigen, nimmt aber durch die pure Entfernung vom Zuschauer der Szene jede Chance, anzurühren.
Die interessante Idee dieses Doppelabends löst sich nicht ein. Das Gesangensemble ist mit der Barock-Oper offensichtlich überfordert und Francesco Nappa hätte gut daran getan, in seiner Choreographie etwas mehr Rücksicht darauf zu nehmen, dass das in Teilen sehr junge Ensemble in Hagen zwar hochambitioniert, aber eben auch noch nicht erfahren genug ist.
Weitere Termine: 30. Mai; 5., 9., 14., 20., 22., 27. Juni; 7. und 10. Juli 2019