Wenn das Theater sich des multimedialen Hokuspokus bedient, dann geht es nicht selten darum, einer lahmen Regie-Phantasie mit technischem Abrakadabra auf die Beine zu helfen. Egal was, Hauptsache es wird projiziert und installiert, schließlich ist zumindest die Wirkung zeitgenössisch. Dass derartige Apparaturen einer Inszenierung nicht nur etwas hinzufügen können, sondern ihr buchstäblich erst zu Größe verhelfen, zeigt die zu den Höhepunkten des diesjährigen »Figurentheater der Nationen« (kurz: FIDENA) zählende Produktion von »Thalias Kompagnons«: »Zauberflöte – eine Prüfung«. Die Nürnberger Puppenspieler Tristan Vogt und Joachim Torbahn haben Mozarts in der Tradition der Wiener Kasperl- und Zauberopern verwurzeltes Singspiel auf Puppenspielgröße gebracht. Herausgekommen ist ein wunderbar originelles Kleinformat, das die Vorlage zwar auf 80 Minuten konzentriert, mitnichten aber eine Schrumpfform ist. Waagerecht führen die beiden Puppenspieler ihr Personal über einen kleinen Spieltisch, in den allerlei historische Papp-Kulissen hinein- und wieder aus ihm hinausgeschoben werden.
Während Countertenor Daniel Gloger, unterstützt durch das ensembleKONTRASTE und gelegentlich auch mal von einem Megafon, ihnen seine Stimme leiht, überträgt eine Kamera Tamino, Papageno, die Königin der Nacht und all die anderen vom Tisch auf die große Leinwand über den Köpfen der Spieler und bringt das Geschehen so in die Senkrechte. Das ermöglicht nicht nur eine ganz ungewöhnliche, dynamische Perspektive auf die Figuren, sondern überdies auch einen frischen und überaus pointierten Blick auf eines der meistgespielten Werke der Operngeschichte. Verglichen mit »Thalias Kompagnons«’ Interpretation von Wagners »Ring«, dürfte diese Arbeit eine kleinere Fingerübung sein, trotz ihrer Leichtigkeit aber eine gewichtige. Denn die Stücke des international gefragten Duos wollen nicht zuletzt auch den Anspruch Tristan Vogts in die Praxis überführen, »dass innovatives Musiktheater vielleicht eher im Figurentheater als in der Oper stattfinden könnte.«
Gut ein Dutzend Produktionen werden im Rahmen der FIDENA 2007 unter dem Motto »Frisch auf den Tisch – aktuelles deutsches Figurentheater « in Bochum zu sehen sein. Anders als früher, widmet sich die aktuelle Ausgabe des vom Deutschen Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst veranstalteten Festivals schwerpunktmäßig der nationalen Szene, präsentiert herausragende Produktionen des deutschen Figuren-, Puppen- und Objekttheaters. Treu geblieben ist sich Annette Dabs, die das Festival seit 1999 leitet, in dem Anspruch, Einblick in den Facettenreichtum des Figurentheaters zu gewähren.
So stehen neben Puppen- und Marionettentheaterarbeiten – wie schon in den vorherigen Ausgaben – Schattenspiel und Objekttheater auf dem Pogramm, genauso wie eine Performance und Installation. In der tanz-objekttheatralischen Produktion »Heufieber« von »Orange Connection« etwa bittet Karin Ould Chih trachtenfolkloristisch ausstaffiert zum pas de deux mit einer unter der Decke schaukelnden Milchkanne. Die Tänzerin ist als Gastchoreografin ebenfalls mit von der Partie, wenn das »figuren theater tübingen « um Spieler Frank Soehnle und Regisseurin Karin Ersching am 12. September bei der Eröffnung der FIDENA zum Totentanz bittet.
»salto.lamento – die nächtliche seite der dinge« sucht, inspiriert von Totentanz-Darstellungen in der bildenden Kunst, den Grenzgang zwischen Musik, Tanz und Figur als beeindruckend stimmungsvolle visuelle Komposition. Über die nächtliche Seite der Dinge hat zweifellos kaum jemand mehr gewusst als Charles Baudelaire, dessen posthum erschienene, »Le Spleen de Paris« betitelte Sammlung von Prosagedichten das »Figurentheater Wilde & Vogel« als Ausgangspunkt nimmt, um Baudelaires lyrische Großstadtszenen aus dem beschädigten Leben Mitte des 19. Jahrhunderts in kaleidoskopartigen Szenen mit unserer Lebenswelt in Beziehung zu setzen. In Kooperation mit dem Theater an der Ruhr riskiert die FIDENA ungeachtet des nationalen Schwerpunkts einen Blick über die hiesige Szene hinaus. Das Theater an der Ruhr ist mit der Reihe »Theaterlandschaften« auf der Suche nach fernen Theater-Kulturen vor geraumer Zeit zu einer Recherche entlang der Seidenstraße aufgebrochen. Von Zentralasien über den Iran bis nach Nordafrika ist man gereist und nun südlich bis nach Mali vorgestoßen, wo der Puppen- und Marionettenspieler Yaya Coulibaly und seine 1980 gegründete Gruppe »Sogolon« beheimatet sind. Ihnen ist eine kleine Werkschau, die erste im deutschsprachigen Raum, gewidmet, in deren Rahmen drei Arbeiten von »Sogolon« gezeigt werden. //
Programm unter: www.fidena.de