Als Nanette Snoep 2014 an die Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsens kam, zogen die Anhänger der Pegida-Bewegung durch Dresden. So baute sie ein ganz normales Wohnzimmer ins Museum – für Gespräche über Fremdenhass und den Islam. Wie riecht die Heimat von Flüchtlingen? Und was bedeutet das Erbe des Kolonialismus heute? Als neue Leiterin des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums will sie zeigen, was Migration wirklich bedeutet.
»Wenn man Ausstellungen macht, dann sollte man sich immer zuerst überlegen: Was hat das mit mir zu tun? Denn Museen sind nur spannend, wenn sie sich aktuellen Fragen stellen. So können sie speziell in einer multikulturellen Metropole wie Köln wichtige Arbeit leisten. Ich glaube, dass ein Museum wirklich für die Stadt da sein muss. Diese Idee hat mich auch in Sachsen geleitet, wo das Klima natürlich ein ganz anderes war. Als ich 2014 in Dresden ankam, wurde ich mit den ersten Pegida-Kundgebungen konfrontiert. Das hat meine Projekte extrem beeinflusst: Wie geht man um mit Fremdenangst, mit Islamophobie und Antisemitismus?
Ziel eines ethnologischen Museums sollte es nicht sein, Fremdes zu präsentieren, sondern Fremdheit abzubauen, Verbindendes zu entdecken und Verständnis herzustellen. Man kann etwa fragen: Wie finden Nigerianer es heute, dass wichtige Kulturgüter ihres Landes in Deutschland sind, nicht in Nigeria? Oder wie fühlen sich Menschen, die als Geflüchtete hier ankommen? Davon handelte eine unserer Ausstellungen in Dresden. Die Besucher konnten in Hängematten Fluchtgeschichten hören oder an Duftproben riechen: Erinnerungsgerüche von Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten. Auf eine sehr empathische Weise wollten wir zeigen, was Migration eigentlich bedeutet.
Der Blick von außen bringt uns nicht weiter. Deshalb sollten wir auch die Deutungshoheit ablegen und Leute aus den Herkunftsländern der von uns bewahrten Kunst viel stärker zu Wort kommen lassen. Im November erst haben wir im Grassi Museum eine Ausstellung über die Megametropole Kinshasa eröffnet. Nicht kuratiert von europäischen Ethnologen, sondern von einem Kollektiv kongolesischer Künstler, Schriftsteller, Historiker. Sie haben mit unseren Kongo-Beständen gearbeitet, weil diese Objekte so viel mit ihrem eigenen Leben und Werk zu tun haben. Solche Verbindungen muss man suchen, um die Ausstellungen für heute relevant zu machen.
Die Niederländerin Nanette Snoep, Jahrgang 1971, begann ihre berufliche Laufbahn in Paris. Hier begleitete sie den Aufbau des Musée du Quai Branly – das französische Nationalmuseum für außereuropäische Kunst. 2015 übernahm sie die Leitung der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsens. Seit Januar 2019 ist sie Direktorin am Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum.