Mit der Anthologie »Die Backstage eines Buches« versammeln Dinçer Güçyeter und Wolfgang Schiffer 21 Beiträge von Autor*innen über das Schreiben. Von der Ideenfindung über die richtige Sprache bis zum Lektorat lüften sie das Geheimnis der Schriftstellerei.
Ein alter, knarzender Schreibtisch. Ein geöffnetes Notebook im schummrigen Kerzenlicht. Ein duftender Kaffee neben der Tastatur, die kantige Hornbrille auf der Nase. Viele stellen sich Schriftsteller*innen in ihrem Schaffen auch heute noch als moderne Version eines romantischen Gemäldes vor. Doch: Das Schreiben ist eine Arbeit wie jede andere auch. Oder? Um das herauszufinden, haben Dinçer Güçyeter, selbst Autor und Gründer des Elif Verlags, und Wolfgang Schiffer, Herausgeber, Übersetzer und Autor, eine Anthologie herausgegeben. In »Die Backstage eines Buches« schreiben 21 deutschsprachige Autor*innen übers Schreiben. Zwischen treuen Schreibmaschinen, trügerischen Plot-Pfaden und fiesen Verlagsmenschen nehmen sie uns mit an ihre Schreibtische – mal ganz konkret, mal gewohnt poetisch.
Die Art und Weise, mit der sich die Autor*innen von Mesut Bayraktar über Alena Schröder bis Anne Weber dem Thema des Schreibens nähern, ist unterschiedlich. Manche ihrer Beiträge lesen sich wie Essays, andere wie Tagebucheinträge, wieder andere entziehen sich jeder Pragmatik und werden schließlich doch wieder Prosa. Und auch die Gegenstände der gedanklichen Auseinandersetzung sind vielfältig: Während Lukas Bärfuss uns etwa ganz materiell an der Beziehung zu seiner IBM 6781 teilhaben lässt, sinniert Berit Glanz über die Selbstwahrnehmung als Autorin: »Kreative Arbeit ist immer persönlich und entsteht oft aus einem merkwürdigen Mix aus Unsicherheit und Größenwahn«.
Aus dem Nähkästchen
Shida Bayzar skizziert in übersichtlichen Kapiteln (1. Die Muse, 2. Der Trotz, 3. Die Recherche, 4. Die Versuche, 5. Die Namen und 6. Das Ende) die Reise von der Idee zum fertigen Buch. Bei Saša Stanišićs Beitrag ist man sich schnell nicht mehr sicher, was hier überhaupt wahr ist (so oder so: die Zwiegespräche mit Stefan Effenberg will man nicht missen). Besonders interessant wird es jedoch, wenn die Autor*innen ausnahmsweise mal Metaphern Metaphern sein lassen und aus dem Nähkästchen plaudern: So beschreibt Ulrich Peltzer etwa, wie er das gesamte Setting seines Romans umsiedeln musste – nach der einfachen Erkenntnis, dass man nicht über Orte schreiben kann, an denen man nie gewesen ist.
Dass das Leben als Autor*in weitaus mehr als Musenkuss und gemütliches Fantasieren ist, zeigen Beiträge wie der von Anne Weber: Als »missraten« sei ihr Manuskript zu »Annette, ein Heldinnenepos« von den Verlagsmenschen diskreditiert worden. Das erstaunt vor allem vor dem Hintergrund seiner späteren Auszeichnung mit dem Deutschen Buchpreis. Man wird trotzig mit Weber: Nehmt das, Verlagsmenschen! So steckt also neben all der Liebe zum Wort auch lesenswerte Kritik in »Die Backstage eines Buches«. Besonders prägnant findet man diese bei Behzad Karim Khani, der in Bezug auf den deutschen Buchmarkt feststellt: »Die Zurückhaltung funktioniert seit kurzem. Seit ich aufgehört habe, an die Möglichkeit eines echten Dialogs zu glauben. Seit ich mich von Dutzenden meiner deutschen Kollegen verabschiedet habe mit den Sätzen: ›Ich habe dir nichts zu sagen, will von dir nichts hören‹«. So sind gerade die – und davon gibt es zum Glück einige! – Abhandlungen von Autor*innen mit Migrationsgeschichte eindrücklich, die den erschwerten Weg ihrer Geschichten und Positionierung als Schriftsteller*innen teilen.

Wolfgang Schiffer & Dinçer Güçyeter (Hg.): »Die Backstage eines Buches«, Elif Verlag, 204 Seiten, 24 Euro