TEXT: FRANK MAIER-SOLGK
Kunstmuseen gleichen architektonisch heute markanten städtischen Großraumskulpturen.Mal präsentieren sie sich im Gewand harmonisch strukturierter, weiß leuchtender Fassadenpaneele, mal als wild bewegte, metallene Kubaturen, die sich zu expressiven Türmen in die Höhe schrauben, mal als minimalistische Blöcke, die die spröde Wirkung karger Betonwände ausspielen.
Nach einer langen Debatte zwischen Architekten und Künstlern, die nichts als den leeren »white cube« wünschten, hat die Architektur zumindest auf dem renommierten Feld des Museumsbaus ihren eigenen Kunstanspruch inzwischen durchgesetzt. Vom Publikum werden Museen einschließlich der meist dominierenden raumfüllenden Installationen bereits als Gesamtkunstwerk wahrgenommen, dem die Aufmerksamkeit auch der Medien sicher ist. Wie aber sehen die Häuser der Zukunft aus, hierzulande, weltweit? Die Antwort sucht eine vom Art Centre Basel entwickelte Ausstellung zu geben, die als erste Station im Düsseldorfer K20 zu sehen ist. Sie stellt 26 Projekte in Europa, Japan, Australien und den USA vor, von denen viele noch in der Entstehung sind, und sucht darüber hinaus nach zukunftsfähigen neuen Ausstellungskonzepten.
Spätestens seit dem Guggenheim Museum von Bilbao ist schließlich auch die kulturtouristische Funktion der einst verstaubten Institution als entscheidender Standortfaktor zu berücksichtigen.
Dass ein der Klassischen Moderne gewidmetes Museum wie K20 diesem im Kern architektonischen Thema seine Räume öffnet, überrascht. Plausibel wird das Unternehmen angesichts einer Situation, die dazu zwingt, die Bestände der kontinuierlichen Sammlung monatelang in die Keller zu verbannen, wie jüngst bei der Matisse-Ausstellung. So wollte man dem sich nun bis Ende 2008 (für insgesamt 26 Millionen Euro) erfüllenden Wunsch nach dem Erweiterungsbau mit einer Ausstellung flankierende thematische Unterstützung geben und durch Veranstaltungen und Symposien zusätzliches Gewicht verleihen.
Manche der Pläne hierfür sind offenbar aus Geldgründen zusammengeschmolzen, das Modell des Anbaus von Dissing und Weitling bzw. J. Geiselhart jedoch wird zu sehen sein. Ansonsten breitet die Ausstellung mit Hilfe von Modellen, Fotografien, Entwürfen, Computer-Animationen und Videos ein Panorama der gegenwärtigen und zukünftigen Museumslandschaft aus, das so vielfältig wie schwer überblickbar ist.
Der Boom neuer Museen jedenfalls scheint noch kein Ende gefunden zu haben.Dies gilt nicht nur für Deutschland. In der Schweiz ist neben kleineren Häusern im vergangenen Jahr in Bern das Paul Klee Zentrum eröffnet worden, in Frankreich errichtet das Centre Pompidou in Metz derzeit eine große Dependance, im Pariser Vorort Vitry sur Seine eröffnete unlängst das Museum Mac/Val, das ausschließlich der französischen Gegenwartskunst gewidmet ist, in Paris entsteht am Quai Branly ein spektakuläres neues Völkerkundemuseum von Jean Nouvel, und in Lyon plant man ein Museum für Wissenschaft und Ethik. Selbst das mit neuer Architektur geizende Italien besitzt mit einem neuen Haus von Mario Botta in Rovereto und dem noch im Bau befindlichen MAXXI in Rom von Zaha Hadid bald wieder zwei spektakuläre neue Häuser für zeitgenössische Kunst.
Hierzulande scheint die Entwicklung ohnehin nicht abzureißen. Stuttgart ist stolz auf die innerstädtische Attraktion seines neuen Kunstmuseums, ebenso auf ein neues Mercedes-Museum und das Museum Ritter des bekannten Schokoladenherstellers; Baden- Baden hat standesgemäß einen eleganten Villenbau von Richard Meier (Sammlung Burda) erhalten, in Remagen entsteht derzeit das Hans Arp Museum (ebenfalls von Meier), Brühls im vergangenen Jahr eröffnetes Max- Ernst-Museum feiert Besucherrekorde, und mit Tadao Andos Ausstellungstempel für die Hombroicher Langen Foundation, Frank O.Gehrys MartA Herford und demnächst Peter Zumthors Kolumbamuseum in Köln kann NRW weitere Größen der Architektenzunft vorweisen.
Nicht alle der genannten Museen sind in der Ausstellung zu sehen, NRW kommt mit einer Ausnahme gar nicht vor, und auch das in vieler Hinsicht prägnante Basler Schaulager von Herzog/de Meuron sucht man vergebens. In Fortführung des Projekts aus dem Jahr 2000 (»Museen für ein neues Jahrtausend«) verfolgt man stattdessen einen globalen Ansatz und sucht durch einen Vergleich der Kontinente Entwicklungslinien zu entdecken, wobei man neben Kunstmuseen auch archäologische und naturgeschichtliche Häuser mit einbezogen hat. Die Auswahl der 26 Projekte wirkt dadurch ein wenig zufällig, sie bleibt auf ungewöhnliche und spektakuläre Beispiele fixiert.
Da sich die Mehrheit der Projekte überdies noch in der Planungs- oder Bauphase befindet, lässt sich über die Qualität der inhaltlichen Konzepte schwer urteilen. Ob etwa das geplante Museum für hellenische Geschichte in Athen, das erklärtermaßen weltweit erste Museum, das ganz ohne Originale auskommt und stattdessen »dem psychoanalytischen Konzept der Leere« folgt, ob dieses Haus nicht doch eher einen »horror vacui« auslöst, wird man erst in einigen Jahren überprüfen können. Interessante Seiten- oder Hauptwege einer zukünftigen Entwicklung lassen sich eher unter der Hand entdecken.
Das naturkundliche Shimane-Museum von Fumihiko Maki ist in Sichtweite des 800 Jahre alten Izumo-Schreins gruppiert und besteht aus einem Hauptgebäude, dessen verwitternde Stahlwandfassaden Vergänglichkeit ausdrücken sollen, und einem Glaspavillon, dessen Aussichtsplattform die Einbettung dieses Hauses der Erinnerung in die umgebende Landschaft bewaldeter Hügel erlebbar machen soll. Die Verbindung zu dem Heiligtum wird durch einen wiederum von verwitterten Stahlwänden flankierten Prozessionsweg hergestellt. Auch Tadao Andos Chichu-Museum (chichu = vergraben) auf der Pazifikinsel Naoshima betont Bezug und Respekt vor der Natur durch tief in die Erde versenkte Räume, die das Panorama der pazifischen Küstenlandschaft unverändert lassen – eine vom Architekten in Weil am Rhein (Vitra) wie in Hombroich wiederholte Variante.
»Nicht bei der Form, sondern beim Ort sollte ein Bau seinen Ansatz suchen«, soll Maki gesagt haben, und Tadao Ando meinte, dass man »sich den Ort, an dem man baut, von der Natur ausleiht«. Dass solche »Architektur der Stille«, deren Wurzeln offenbar in einer shintoistisch geprägten Naturreligiosität liegen, eine ganz eigentümliche Wirkung ausübt, lässt sich nicht bestreiten. Sie trägt überdies dazu bei, dass die häufig eher vernachlässigten räumlich-natürlichen Gegebenheiten stärker ins Bewusstsein rücken. Auch andere vorgestellte Projekte suchen die Verbindung mit der Landschaft: So etwa das archäologische Museum des Landschaftsparks Kalkriese (Gigon/ Guyer), das mit einem eingeschossigen, mit oxidierenden Baustahlplatten umhüllten Stahlskelettbau, einem Aussichtsturm und mehreren kleineren Pavillons die landschaftliche Szenerie der vermuteten Varus-Schlacht die Hauprolle spielen lässt. Und das neue Besucherzentrum des englischen Stonehenge- Monuments haben die australischen Architekten, wiederum in rostfarbenem Stahl (!) und in respektvoller Distanz zu dem berühmten Kreis, ebenfalls in die Erde gesenkt.
Die neueren amerikanischen Häuser reflektieren nicht zuletzt die dort gänzlich anders gelagerten finanziellen Voraussetzungen. »Die Vorstellung«, heißt es im Katalog, »es sei Aufgabe des Staates, Sammlungen aufzubauen und Museen zu errichten und zu unterhalten, gilt (hier) als nette europäische Marotte«.
Dies bedeutet allerdings auch, dass manche Projekte plötzlich wieder beendet werden, Museen nach wenigen Jahren schließen und auch die Qualität der Architektur gelegentlich zu wünschen übrig lässt. Welche architektonischen, ästhetischen und inhaltlichen Trends sich in dieser neuen Phase des Museumsbaus hier wie andernorts durchsetzen, lässt sich schwer erkennen. Nach der Postmoderne, nach der neuen Einfachheit fächert sich das Spektrum heute zu einer Vielfalt von Strömungen auf, die je nach Sammlungs- und Ausstellungskonzeption, nach städtebaulichen und natürlichen Voraussetzungen und schließlich den finanziellen Mitteln anders ausfällt. Allerdings wird man, um neue Entwicklungen zu erkennen, nicht um den Globus reisen müssen. Tadao Ando, Zaha Hadid, Richard Meier, Renzo Piano, Frank O. Gehry und Freunde begegnen uns überall. //
Bis 25. Juni 2006. Tel.: 0211/8381-130; www.kunstsammlung.de; Katalog 28,- Euro