Christian Köhn erinnert mit Konzerten und Gesprächen in Detmold an den vor 100 Jahren geborenen Komponisten Giselher Klebe. Seine größte Leidenschaft galt der Klarheit.
»Figaro lässt sich scheiden«. Die Oper nach dem Stück von Ödön von Horváth war ein Hit in den 1960er und 1970er Jahren. Giselher Klebe (1925-2009) vermittelt die Geschichte ehemaliger Dienstboten, die sich vom Grafen Almaviva lösen und später dem verarmten Adeligen Obdach gewähren, mit Witz und klarer Textverständlichkeit. Es ist bis heute sehr selten, dass ein Komponist die Zwölftontechnik benutzt und mit schrägen Tönen eine Komödie schreibt, sich sogar mit der italienischen Nummernoper intensiv beschäftigt. »Es gab eine Zeit«, erzählt Christian Köhn, Pianist und Dozent an der Musikhochschule Detmold, »da wurde Giselher Klebe häufiger aufgeführt als Hans Werner Henze.« In diesem Jahr wäre Klebe 100 Jahre alt geworden. Er ist fast vergessen, gerade drei CDs sind erhältlich. Das will Christian Köhn nun ändern.
Detmold ist dafür der richtige Ort. Denn hier war Giselher Klebe seit 1957 Dozent und fünf Jahre später Professor. Aus seiner Meisterklasse gingen viele bedeutende Komponist*innen hervor, beispielsweise Matthias Pintscher. Auch nach seiner Emeritierung blieb Klebe Detmold treu – hier starb er im Jahr 2009. Warum seine Stücke heute kaum gespielt werden? Christian Köhn nennt zwei Gründe: »Einmal ist das bei Komponisten nach ihrem Tod gar nicht so selten. Aber Klebe hat sich auch nicht an die Entwicklung der zeitgenössischen Musik angepasst. Er wollte immer reduzierter und klarer werden. Dass er immer weniger gespielt wurde, hat er noch erlebt, ist aber souverän damit umgegangen. Er ist unbeirrt seinen Weg gegangen.«
Künstlerisch kompromisslos
Das Werk dieses künstlerisch kompromisslosen Komponisten wird nun an der Musikhochschule Detmold neu belebt. Gleich zur Eröffnung des Festivals gibt es die »Soirée für Posaune und Kammerorchester«, später unter anderem das »Poèma lirico für Violine, Klavier und Streichorchester«, viele weitere Orchesterstücke, Kammermusik und sogar eine Oper. Halbszenisch und in Auszügen, aber immerhin. Da Klebe eben nicht zum Standardrepertoire zählt, müssen alle Beteiligten die Stücke neu einstudieren. Ein großer Aufwand, der sich laut Christian Köhn aber lohnt.
Er hat selbst bei Giselher Klebe studiert und ihn auch persönlich gut gekannt. Köhn erinnert sich, dass auch mal ein Kompositionsschüler schockiert war, als Klebe sich ein großes Orchesterstück anschaute und nach zehn Minuten auf ein kleines Bläsermotiv deutete. »Das ist wirklich toll«, sagte er. »Drüber und drunter, das schmeißen sie besser weg.« Das mag respektlos klingen, ist es aber nicht. Klebe wollte, dass seine Schüler*innen ihren Weg selbst finden. So hatte er es bei seinem Lehrer Boris Blacher gelernt.
In Gesprächen werden sich Zeitzeugen über Giselher Klebe und die Arbeit mit ihm unterhalten. Es wird eine Ausstellung geben, die Musikwissenschaft macht mit, die Konzerte sollen gestreamt werden. Die Partituren sind vorhanden, es gibt auch in den Archiven vieler Rundfunksender eine Menge Aufnahmen. Aber ungeklärte Rechtefragen verhindern eine Veröffentlichung. Das Festival zum 100. Geburtstag soll für Christian Köhn nur der Anfang sein. Denn er glaubt, dass Klebes Klangsprache wieder zeitgemäß ist. »Ich kenne nur eine Leidenschaft«, hat der Komponist mal gesagt, »und das ist die leidenschaftliche Suche nach Klarheit.«
»GISELHER KLEBE 100« LÄUFT VOM 24. OKTOBER BIS 14. DEZEMBER
AN DER MUSIKHOCHSCHULE DETMOLD.






