NRW als Leseland? Die Zahlen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sprechen für sich: 651 Läden waren im Juli 2023 für die Dokumentation »Buch und Buchhandel in Zahlen« gezählt worden – damit ist NRW tatsächlich deutschlandweiter Spitzenreiter noch vor Bayern (mit 446 Läden) und Baden-Württemberg (381). 76 und damit die meisten Geschäfte für Literatur gibt es übrigens in Köln, Düsseldorf hat »nur« 38, gefolgt von Essen (33), Bonn (30), Aachen (24) und Münster (23). Zeit also, dem Buchhandel einen Auftritt zu geben! Wir haben zwei Inhaberinnen gefragt, was sie empfehlen.
Die »Rittersche« in Soest
Ein Gründerzeitladen, wie er im Buche steht: Die »Rittersche« in der mittelalterlichen Altstadt von Soest ist eine der ältesten Buchorte in NRW. Gegründet wurde er 1836 von August Leopold Ritter, einem Buchhändler aus Arnsberg. 2021 übernahm ihn Enneke Siedler, die eigentlich in Bayern aufwuchs, in Bamberg Germanistik und Literaturvermittlung studierte – und dann einen Soester kennenlernte. Nach einem Volontariat bei der Tageszeitung Der Patriot in Lippstadt und Stationen als freie Journalistin, Lektorin und im Buchhandel in Göttingen, München und Freiburg, hat sie sich mit einem eigenen Buchgeschäft einen Traum erfüllt. 2023 wurde die »Rittersche« mit dem Deutschen Buchhandlungspreis 2023 ausgezeichnet – ihr Schwerpunkt liegt auf Belletristik, Kinder- und Jugendliteratur.
Enneke Siedler empfiehlt: Dietlind Falks »No regrets«
Das »No Regrets« hat schon bessere Zeiten gesehen. Irgendwo zwischen Dortmund und Duisburg betreiben Hänk und Muddy ihr Tattoostudio. Markenzeichen: ein eingestaubter, ausgestopfter Alligator im Schaufenster, leere Bierflaschen auf der Theke und schreiende Metalmusik aus den Boxen. Die beiden Kumpels stechen seit Jahrzehnten Rosen, Anker, Fußballvereinswappen und Totenköpfe. Was besseres fällt ihnen einfach nicht ein. Das ist wohl auch der Grund, warum das Studio kurz vor dem Abgrund steht. Frische Ideen? Fehlanzeige. Die Welt dreht sich weiter und Hänk und Muddy kommen einfach nicht mehr mit. Um den drohenden Ruin zu entkommen, geben sie der jungen Luz eine Chance. Die talentierte junge Frau sorgt für frischen Wind und neue Kundschaft. Und irgendwie entwickelt sich zwischen den drei Außenseitern eine unfreiwillige, tiefe Freundschaft, die nicht nur das Studio mit neuer Lebensfreude erfüllt. Selten habe ich bei der Lektüre eines Romans so viel gelacht. Die Figuren sind so kaputt und gleichzeitig liebenswert gezeichnet – das ist kaum auszuhalten. Dietlind Falk, die Jahrgang 1985 ist, im Ruhrgebiet aufwuchs, heute in Düsseldorf lebt und in einer Punkband spielt, erzählt ihre Geschichte absolut brillant. »No regrets« ist eine rasante, uneingeschränkt lesenswerte Geschichte über Freundschaft, Menschlichkeit und das Glück der Veränderung.
Empfehlung:
Dietlind Falk: »No Regrets«, hanserblau
224 Seiten, 22 Euro
Buchhandlung Markus in Gütersloh
Ein Leben ohne Bücher? Für Vera Corsmeyer wäre das unvorstellbar – sie ist im Buchladen ihrer Mutter, den sie inzwischen seit fast zehn Jahren mitleitet, aufgewachsen. Seit fast 30 Jahren existiert die Buchhandlung der Familie nun schon, die mit unzähligen Institutionen in der Stadt zusammenarbeitet – vom Programmkino bis zum Förderverein des Theaters Gütersloh, von der Stadtbibliothek bis zum LWL-Klinikum, das auch für diese Buchempfehlung mit den Corsmeyers kooperiert: »Ich lese gern junge Stimmen und über sperrige Themen«, sagt die junge Buchhändlerin, die auch Buchhandels- und Medienmanagement studierte. Seit kurzem hat ihr Laden einen neuen Standort, aber in derselben Straße wie bisher – und mit mehr Möglichkeiten: Auf der »Bel Étage« gibt es jetzt nicht nur Raum für Lesungen, sondern auch für Ausstellungen. Bis Mitte Dezember kann man hier etwa die Kunst von Beate Freier-Bongaertz entdecken.
Vera Corsmeyer empfiehlt: Katty Saliés »Das andere Gesicht«
Katty Salié ist vielen als Moderatorin der Kultursendung »Aspekte« aus dem Fernsehen bekannt. Allerdings weiß sie aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn das Leben schwer wird. Jahrelang habe sie wie ein Zirkuspony funktioniert, wenn das Licht anging – dann kamen plötzlich Schicksalsschläge in ihrem sehr engen Umfeld dazu. Sie wurde »verrückt«, wie es wortwörtlich in ihrem Buch heißt – was wiederum zeigt, wie wir auch sprachlich mit Depressionen umgehen. Um sich selbst ein Stück weit an ihre eigenen Emotionen heranzutasten, hat Katty Salié die verschiedensten Leute zu ihren Erfahrungen mit Depressionen interviewt und in Büchern, Podcasts und Songs recherchiert. Ihr Buch macht Mut, weil sie in Gesprächen gerade mit anderen Betroffenen zeigt, wie unterschiedlich die Umgangsweisen sind, dass es nicht immer nur einen Auslöser gibt und wie verschieden die Krankheit verläuft. Es gibt nicht nur die eine Depression, sondern unterschiedliche Ausformungen. Und viele Wege, mit ihr umzugehen.
Katty Salié: »Das andere Geschlecht. Depressionen im Rampenlicht«
Kiepenheuer & Witsch
352 Seiten, 25 Euro
Salié liest am 25. Oktober, 19.30 Uhr vor Ort
Buchhandlung Markus
Münsterstraße 3, Gütersloh