Im Kunstverein Arnsberg gehört Abenteuerlust zum Programm. Die Großen der Szene haben hier schon ausgestellt – vor ihrem eigentlichen Karrierestart. Und nicht zuletzt das Lichthaus inmitten der Stadt immer wieder in eine Vitrine für Kunst verwandelt.
Was für eine Ahnengalerie! Wer die Treppe hoch in die erste Etage zum Kunstverein Arnsberg aufmerksam beschreitet, wird schnell beeindruckt sein von den großen Namen, die dort schon ausgestellt haben. Thomas Ruff hat hier seine Fotos gezeigt – ein Jahr bevor er Teil der Documenta X wurde. Ayşe Erkmen versperrte die Türen mit übergroßen Stock-Fotos im Jahr, bevor sie bei den Skulptur Projekten Münster ausstellte. Und die Klangkünstlerin Susan Philipsz hatte hier ihre erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland – lange bevor sie den Turner Prize erhielt. Diese Avantgarde vermutet man kaum in dem klassizistischen Bürgerhaus am zentral gelegenen Neumarkt – ein nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel gebautes Ensemble.
Gegründet wurde der Kunstverein Arnsberg 1987 von Johannes Teiser, einem aus Arnsberg stammenden Zahnarzt, der in seine Heimat zurückkam, um die väterliche Praxis zu übernehmen. »Wir haben den Kunstverein gegründet, weil es das nicht gab«, erklärt er lapidar, »und wenn es das nicht gibt, muss man es selbst machen«. Teiser leitete den Kunstverein zwischendurch selbst, hat sich tief in den Kunstbetrieb eingearbeitet und ist auch heute noch engagierter Vorsitzender des Vorstands. Beim Aufbau der Ausstellung von Adriano Amaral aus Sao Paolo in Brasilien diskutiert er mit dem Künstler und der derzeitigen Direktorin Pauline Doutreluingne über die Positionierung der Werke im Raum und packt mit an, wo es was zu tun gibt. Künstler*innen aus aller Welt kommen ins beschauliche Arnsberg – und das war schon immer Programm, erklärt Teiser. Das Haus zeige nicht unbedingt Kunst aus, aber auf jeden Fall für die Region.

Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen, denn die Künstler*innen sind eingeladen, Projekte in der Stadt und im Umland durchzuführen. Die können – so scheint es – nicht ausgefallen genug sein: Luka Fineisen griff das Thema eines stillgelegten Hallenbades auf, indem sie Wasserdampf aus Düsen an der Fassade ausblies, Wilfredo Prieto machte eine Performance mit einem 160-Tonnen-Kran und zur Ausstellung »Odyssee« im Möhnesee mussten die Besucher*innen schwimmen oder rudern! Auch diese Abenteuerlust war es, die Pauline Doutreluingne gereizt hat, sich beim Kunstverein Arnsberg als künstlerische Leiterin zu bewerben. »Nicht nur Sachen an die Wand zu hängen, sondern sich auch mal darüber hinaus was zu trauen, das ist ein großes Merkmal des Kunstvereins Arnsberg«, erklärt sie. Noch bis 24. August läuft die Ausstellung „Liquid Mantras“. Im Rahmen des Projektes „Versumpfung“ beschäftigt sich darin die Chilenin Patricia Domínguez mit dem Thema Heilung mit Blick auf Rituale und Spiritualität in einer zunehmend digitalen Gegenwart.
Die gebürtige Belgierin Pauline Doutreluingne lebt eigentlich in Berlin und kommt immer für mehrere Wochen nach Arnsberg, um ausgefallene Projekte zu planen – oder um mehrere Tonnen Lava aus Säcken gemeinsam in den Räumen zu verteilen, wie sie lachend erzählt. »Ich bin jemand, der sehr gerne mit involviert ist bei der Entstehung der Arbeit«, sagt sie, »und ich wandle gerne Räume um. Ich finde, dass man sie immer wieder neu denken kann. Und da direkt mit anzupacken – das mache ich gerne, das ist auch eine gute Abwechslung von der Arbeit hinter meinem Rechner«.
Immer wieder bespielt sie auch das Lichthaus, ein postmoderner Glaspavillon vom Kölner Architekturbüro Kalhöfer + Korschildgen, nur ein paar Gehminuten vom Kunstverein entfernt. Es ergänzt das Kloster Wedinghausen aus dem 12. Jahrhundert wieder um seinen Südflügel. Wie ein Diamant funkelt das Gebäude im Sonnenschein, ist transparent und verhüllend zugleich. Ein großer, ein heller Raum – wie geschaffen für Installationen. »Ich habe gemerkt, dass es manchmal eine kleine Hemmung gibt, dass nicht alle sich trauen, nach oben in die erste Etage zu kommen in den Kunstverein«, sagt Pauline Doutreluingne, »das Lichthaus ist ganz anders, es ist rund um die Uhr für die Menschen sichtbar, dadurch gibt es viel Laufpublikum – wie eine Vitrine«.
»LIQUID MANTRAS«, BIS 24. AUGUST
ELISE EERAERTS & ROBERTO APARACIO RONDA,
12. SEPTEMBER BIS 16. NOVEMBER