Das Münsteraner Theater im Pumpenhaus feiert 40-jähriges Jubiläum – mit alten Bekannten und neuen Ideen.
Es ist das Jahr 1993. Sasha Waltz ist noch weitgehend unbekannt, eine junge Choreographin in Berlin, die gerade ihre Gruppe »Sasha Waltz & guests« gegründet hat. Ihr Stück »Travelogue I – Twenty to eight« erregt in der Hauptstadt Aufsehen, wird zu Festivals eingeladen und ist auch in Münster zu sehen, im Theater im Pumpenhaus. Dann beginnt eine rasante Karriere, Waltz gilt als Erneuerin des Tanztheaters. Und gastiert nun wieder in Münster, mit eben diesem Gründungsstück. »Es ist großartig zusammen mit der Compagnie Sasha Waltz den Geburtstag des Pumpenhauses zu feiern«, erzählt der künstlerische Leiter Till Wyler von Ballmoos. Anscheinend hat die heute berühmte Choreographin nicht vergessen, dass sie dem freien Theater in Münster etwas zu verdanken hat.
Vor 40 Jahren wurde das Theater im Pumpenhaus gegründet, in einem – wie der Name andeutet – ehemaligen Abwasserpumpwerk. Erst war es vor allem Spielort eines eigenen Ensembles, der Theaterinitiative Münster, kurz TIM. Es gibt noch ein Stück aus dieser Zeit, das nun im Jubiläumsprogramm wiederaufgeführt wird. »Zu Gast bei W./W. Hiller« erzählt die Geschichte von Walter Hiller, der Frontsoldat im Zweiten Weltkrieg war, später Familienvater. Und sich mit 51 Jahren entscheidet, weiter als Frau namens Walli zu leben. Eine Lebensgeschichte zwischen den Geschlechtern, ein Solo mit Pitt Hartmann, der das Theater im Pumpenhaus mitgegründet hat.

Kurz nach dieser Gründung kam Ludger Schnieder ans Haus. Er wurde zu einer prägenden Figur, vor allem als nach 14 Jahren das Ensemble aufgelöst wurde und sich das Pumpenhaus neu aufstellte. Es wurde zu einem Gastspielhaus für die freie Szene und konzentrierte sich auf die Zusammenarbeit mit national wie international bedeutenden Künstler*innen. Wobei die freie Szene Münsters eine tragende Säule geblieben ist und viele Premieren im Pumpenhaus zeigt.
Durch ihre Kooperationen ist die Bühne inzwischen überregional bekannt. Thorsten Lensings Inszenierung »Unendlicher Spaß« mit vielen Stars nach dem Roman von David Foster Wallace wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen. In Münster liefen Vorpremieren. Hier gibt es mehrere Probebühnen und Unterkünfte für Residenzkünstler*innen. Ideale Arbeitsmöglichkeiten. Auch mit der gerade extrem angesagten Choreographin Florentina Holzinger hat das Pumpenhaus schon kooperiert.
All das hat Ludger Schnieder entwickelt und vorangetrieben. Vor drei Jahren hatte er angekündigt, die Leitung des Theaters im Pumpenhaus abzugeben. Er starb überraschend, als er noch im Amt war. Die Nachfolger waren schon bestimmt und mussten in den laufenden Betrieb einsteigen. Till Wyler von Ballmoos, Musiker und Theatermacher und Randi Günnemann, eine erfahrene Produktionsleiterin, führen das Pumpenhaus in die Zukunft.
Auch wenn sie sich für das 40-jährige Bestehen mit der Geschichte des Hauses beschäftigt haben, geht der Blick des neuen Leitungsteams natürlich in die Zukunft. »Im Mai geht das Jubiläumsprogramm los, das bis Januar nächsten Jahres viele neue starke künstlerische Statements präsentiert«, sagt Till Wyler von Ballmoos. Große Namen des Off-Theaters sind dabei, die längst auch an den Stadt- und Staatstheatern Karriere gemacht haben. Das Performancekollektiv Rimini Protokoll zeigt mit »Futur 4« die reale Geschichte von Ursula Gärtner, die in den 70er Jahren als Kind mit ihrer Familie aus Rumänien nach Deutschland kam. Im Rahmen eines staatlichen Arrangements, das viele Siebenbürger Sachsen die Übersiedlung ermöglichte. 10.000 DM gab die Bundesrepublik für jeden Menschen aus. Nun erkundet die dokumentarische Aufführung nicht nur Ursula Gärtners Biographie, sondern nimmt sie als Grundlage für verschiedene Möglichkeiten eines menschlichen Lebens. Die Aufführung ist nicht nur ein Gastspiel, das Theater im Pumpenhaus war als Koproduzent beteiligt.
Vernetzt mit der Nachbarschaft
Möglichkeiten, Möglichkeitsräume – das sind Begriffe, die das neue Leitungsteam oft benutzt. Gemeint ist zum einen der Plan der Stadt, das Areal im ehemaligen Heerde-Kolleg Hoppengarten weiterzuentwickeln. Für das bereits bestehende Probe- und Produktionszentrum sollen mehr Räume und Unterkünfte entstehen, Co-Working-Spaces und Büros, ein großes Zentrum für Kunst. Aber es geht auch konkret um die engere Vernetzung mit der Nachbarschaft. »Wir gehen, seit wir am Pumpenhaus sind, aktiv auf unterschiedliche Akteur*innen der Stadt zu«, sagt Till Wyler von Ballmoos. Randi Günnemann und er stellen sich vor, knüpfen Kontakte, zu Menschen und auch Institutionen, die nicht direkt Kultur betreiben. Die Justizvollzugsanstalt gehört dazu, mit der das Pumpenhaus kooperieren will.
Auch das Programm besteht keinesfalls nur aus Kunst, es gibt auch eine Tauschbörse für Saatgut oder einen Flohmarkt. »Das weckt Interesse am Haus«, sagt Randi Günnemann. »Die Leute interessieren sich zum Beispiel für unsere Technik und kommen, wenn wir Führungen anbieten.« Außerdem werden Künstler*innen gebeten, nicht nur zur Aufführung da zu sein, sondern am Tag davor oder danach noch einen Workshop anzubieten. Auch das schafft Bindung, zumal die Workshops kostenlos sind. Die Besuchsentwicklung ist sehr gut, 2024 lag die Auslastung bei 80 Prozent.
Alle Menschen oder zumindest möglichst viele ansprechen – das wollen alle am Theater. Es braucht klare Strategien, um Erfolg zu haben. Zum Beispiel geht es um Machtfragen. Wer entscheidet, was auf den Spielplan kommt? Das Leitungsduo lässt Formate von Communities kuratieren. Zum Beispiel die Party- und Performancereihe »Violet« des queeren Kollektivs »House of Pumps« aus Münster.
Dass in vielen Bereichen der freien Kultur gerade gekürzt wird, geht auch am Pumpenhaus nicht vorbei. Gerade gibt es Extra-Förderungen für das Jubiläum, aber manche Kooperationspartner sind in Schwierigkeiten und kriegen das Geld für Projekte nicht zusammen. Im nächsten Jahr wird auch für das Theater im Pumpenhaus wieder der finanzielle Alltag beginnen. Das Leitungsteam geht mit Optimismus ans Werk. »Wir arbeiten intensiv daran«, sagt Till Wyler von Ballmoos, »die Ressourcen und Möglichkeiten so zu planen, um Künstler*innen in Zukunft noch stärker unterstützen zu können.« An Ideen mangelt es nicht. Und eine Erfolgsgeschichte wie die des Pumpenhauses kann auch erst mal gefeiert werden.
10. Mai 2025: Sasha Waltz‘ »Travelogue I – Twenty to eight«, anschließend Party