Wenn die ART COLOGNE am 28. Oktober eröffnet, kann sie sich scharf blickender Argusaugen gewiss sein. Nach langen Jahren in den Deutzer Rheinhallen wurde zur 39. Auflage der größten und ältesten deutschen Kunstmesse ein Umzug unumgänglich. Wo Kunst und Kommerz war, wird nur noch das zweite sein: der Fernsehsender RTL. Während die Stadt so den Verbleib eines der wichtigsten Gewerbesteuerzahler sichern konnte, ist die in den letzten Jahren nicht immer glückhafte Koelnmesse GmbH gezwungen, auf ihre repräsentativen Hallen aus den 20er Jahren zu verzichten.
Gérard A. Goodrow, seit zwei Jahren künstlerischer Direktor der ART COLOGNE, weiß dieses Ende einer Ära durchaus als Chance zu begreifen: In den Hallen neun und zehn, die von nun an die Mutter aller Kunstmessen beherbergen, steht mehr Raum für die Galerien und das Begleitprogramm zur Verfügung als zuvor. Wichtiger ist vielleicht sogar die Neugruppierung der Stände der teilnehmenden Galerien, die das gewohnte Bild aufbrechen wird.
Goodrow, der das Kuratieren von Kunst am Museum Ludwig erlernte und bei Christie’s für Europa den Handel mit zeitgenössischer Kunst betreute, begegnet dem wachsenden Konkurrenzdruck mit einem strategischen Spagat. Zum einen kämpft er um Teilnahme und Besuch führender internationaler Galerien und Kunstsammler.
Zum anderen liegt ihm einiges daran, die lokalen Kräfte des Rheinlandes zu bündeln, um der Messe ein charakteristisches Profil zu verleihen, das sich von der Art Basel, dem Art Forum Berlin, der Frieze in London, der ARCO in Madrid oder der Armory Show in New York City absetzt.
Die kurzfristige Konkurrenz Rheinschau, die 2003 in Köln stattfand, konnte immerhin eingekauft und eliminiert werden, obwohl derartige Parallelveranstaltungen, verbreitet im Umfeld aller großen Kunstmessen und gelegentlich als parasitär eingestuft, einem Messestandort noch zusätzliche Attraktivität verleihen könnten.
Während überall konkurrierende Kunstmessen um Sammler und Top-Galerien buhlen, bot und bietet die örtlich Situation der letzten Jahre nicht unbedingt das, was man als Steilvorlage für Kölns Messemacher bezeichnen könnte. Vom berüchtigten Kölner Loch, in dem die Haubrich-Kunsthalle verschwand, dem Plan der Zerschlagung der bedeutenden Kunst- und Museumsbibliothek, der langwierigen Besetzung des Kulturdezernats bis zur gescheiterten Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas und der Dom-Diskussion reicht eine Liste, die vielfach als Abstieg Kölns in den Provinzialismus gelesen wurde.
Der Trend zur Abwanderung von Künstlern und Galeristen nach Berlin und anderswo (siehe Aurel Scheibler oder Gmurzynska) kommt hinzu. Zunehmend richtet sich die Klage des Kölner Kunsthandels vor dem Hintergrund dieser Ereignisse nicht mehr nur gegen die Kulturpolitik der Stadt allgemein, sondern auch gegen Goodrow, der sich etwa mit Sam Keller, dem Chef der Art Basel, vergleichen lassen muss. Ein Interview im Kölner Stadtanzeiger von Anfang September verriet die Anspannung Goodrows, der zudem die Verantwortung für die Frühjahrkunstmessen trägt, die ab 2006 als Cologne Fine Art endlich in fusionierter Form firmieren. Goodrows Herausforderung liegt darin, bestehende Kontakte zu pflegen und international neue Verbindungen zu knüpfen. Folglich ist er nicht immer bei der aktuellsten Vernissage zur Stelle, wo man ihn mitunter verärgert vermisst.
Allerdings käme die völlige Modernisierung eines Großprojektes mit vielen Beteiligten wie der ART COLOGNE innerhalb zweier Jahre einem mittleren Wunder gleich; Goodrow verweist zurecht auf das Fehlen eines po tenten Sponsors, der – so wie die UBS in Basel – die Sache erleichterte. Allerdings deutet sich mit der Deutschen Bank eine vergleichbare Kooperation an. Immerhin war das Geldinstitut zuletzt schon massiv bei der Londoner Frieze engagiert, die sich zeitlich frech vor den Beginn der Kölner Messe schob. Ein potenter Sponsor ermöglicht immerhin gewisse Unabhängigkeit der Messe von den Einnahmen durch Standmieten, die für manch kleine Galerie nur durch einen Kraftakt zu stemmen sind.
Die teils unrealistischen Erwartungen an Goodrow zeigen sich weiterhin dort, wo man den Kampf um den ersten Platz im internationalen Feld fordert, aber kleinlich und ängstlich Kritik an der Nutzung der englischen Sprache zur Ausbildung eigener Marken und Titel übt, die auch jenseits deutscher Sprachgrenzen verstanden werden und einen einheitlichen Auftritt ermöglichen.
Dies gilt auch für das modernisierte Design der Messe, das Christian Boros verantwortet. Auch die Kunstwelt ist eben globaler denn je, allem Anschein nach nicht zum Schaden der Kunst deutscher Provenienz, wie die Erfolge der Becher-Schule, gefolgt von denen der Leipziger Malerei seit einem Jahrzehnt beweisen.
Etwa 260 Galerien nehmen an der Messe teil, davon 60 erstmals anwesend, darunter Ben Brown aus London und Niki Ruziscka aus Salzburg. Hinzu kommen etwa 35 Verlage, Editionen und Kunstmagazine. Zurück gewonnen werden konnten Arndt und Partner aus Berlin, Clemens Gasser und Tanja Grunert aus New York, sowie Lelong aus Zürich. Wieder da ist auch Cora Hölzl (Düsseldorf) mit neuen Arbeiten des Bildhauers Micha Ullman, Teilnehmer der Ausstellung »Die neuen Hebräer« im Berliner Gropius-Bau, der für die documenta 2007 gehandelt wird. Roebling Hall aus New York zeigt Neues von Eve Sussman and the Rufus Corporation. Die Teilnehmerin der Whitney Biennale 2004 wird im November auch mit einem Projekt des Hauptstadtkulturfonds den »Raub der Sabinerinnen« in eine Videoinstallation übersetzen.
Landsmann Robert Miller zeigt u.a. die befremdlichen Skulpturen der aus Sierra Leone gebürtigen Patricia Piccini. Eine Suite von Bildern ungewöhnlich opulenter Art von Candida Höfer, die in brasilianischen Klöstern und Kathedralen entstand, bietet die Galleri K aus Oslo. Das gestiegene Interesse an zeitgenössischer Kunst Ostasiens bedient der in Berlin und Peking ansässige Galerist Alexander Ochs.
Von Klassikern des Mediums bis zu provokanten Zeitgenossen reicht das Programm des Kölners Thomas Zander mit Fotoarbeiten von Lee Friedlander, Walker Evans und Diane Arbus. Schönewald aus Xanten bringt Museumswürdiges von Gerhard Richter, Donald Judd, Thomas Schütte und Richard Chamberlain mit. Neo Rauchs Partnerin Rosa Loy ist bei Tolksdorf aus Frankfurt/Main zu sehen.
Sprüth Magers Lee mit Präsenzen in Köln, München und London haben mit Ed Ruscha, Cindy Sherman, Jenny Holzer und Richard Artschwager (letzterer ist Preisträger des mit 100.000 Euro dotierten Wolfgang-Hahn-Preises) starke Positionen der 80er Jahre im Gepäck. Oriol aus Barcelona verkauft Klassisches von Wilfredo Lam, Eduardo Chillida und Juan Miró. Das gelegentlich unanständige Rotterdamer Atelier Van Lieshout zeigt ein Ensemble bei Krinzinger aus Wien.
Wer es hingegen echt klassisch modern will, dem bietet Ludorff aus Düsseldorf gewohnt hohe Qualität: Jawlenky, Nolde und Nay. Die Stärke im Bereich der Klassischen Moderne belegen auch Otto Dix und Lovis Corinth bei Fischer aus Berlin, die Einzelpräsentation mit Gemälden von Serge Poliakoff bei Francaise aus München, die auch ein neues Werkverzeichnis des französischen Künstlers vorstellen werden, und Faurschou aus Kopenhagen mit Edvard Munch. Ob mit diesem Angebot der Umsatz von 60 Millionen Euro des Vorjahres erreicht wird, rechnet sich später.
Dem Bildungs-Publikum bietet man mit den ART COLOGNE- walks Führungen und Vorträge innerhalb der Galerien und Sonderschauen. Bereits am 26. Oktober, vor dem offiziellen Beginn, leistet ein Symposium über »Kunst & Investition –Wo liegt der Gewinn?« einen kritischen Einblick in das Thema Kunst als Wertanlage. Als außergewöhnliches Beispiel gerade für junge Sammler könnte die Sonderschau mit Werken des gerade mal 29-jährigen Hamburgers Rik Reinking gelten. Er sammelt seit seinem 16. Lebensjahr Kunst, deren Spektrum von Klassikern der 60er Jahre wie Daniel Buren und Carl Andre bis zu zeitgenössischen Werken von Liam Gillick oder Jonathan Meese reicht. Initialzündung war die Begegnung mit einem Selbstporträt Horst Janssens, das er für 250 Mark erwarb. Sein Credo, dass »Qualität« der Maßstab ist, könnte auch dasjenige Goodrows sein, der sich bewusst gegen einen Markt der Masse stellt.
Dafür steht auch eine wichtige neue Verkaufsplattform: das von der Agentur Neumann und Luz entwickelte Projekt Open Space, um das herum die so genannten Top- Galerien platziert werden. Ähnlich der Art Unlimited in Basel werden hier Kunstwerke außerhalb von Ständen in offenem Kontext vorgestellt. Als Berater fungiert der Galerist Christian Nagel, der in Köln wie in Berlin zu finden ist und die international erfolgreiche jüngere Galeristengeneration repräsentiert. Aus den Bewerbungen wird eine möglichst unabhängige Jury jene Auswahl treffen, mit der die »Space Odyssee« ins Unbekannte startet.
Während schon die zusätzlichen Kosten für die Teilnahme daran den Kreis der Galerien auf die etablierten und finanzstarken begrenzt, bietet die ART COLOGNE mit den New Contemporaries einen von der Sparkasse Köln-Bonn subventionierten Raum für experimentierfreudige junge Galerien: 27 an der Zahl. Drei Juroren haben aus 100 Kandidaten ihre Auswahl getroffen, zu der etwa Daniela Steinfelds Projektraum »Van Horn« in Düsseldorf gehört. Selbst Künstlerin und Becher-Schülerin, hat sie ein engagiertes Programm entwickelt, das hier etwa mit Andrea Bowers und Katie Holten enthält. Zwei Drittel der Gekürten kommen aus dem Ausland.
Die unmittelbare Förderung des Nachwuchses gehört seit 25 Jahren zur Messekonzeption und wird 2005 mit einer Sonderschau gewürdigt. Die von der Kölner Kuratorin Renate Goldmann erstellte Schau versammelt wie Trophäen jene Künstler, die auf dem Weg zum Welterfolg Station in den Förderkojen der Kölner Messe machten.
Die Liste der Namen liest sich wie ein Who is Who: mit Rosemarie Trockel, Thomas Ruff, Neo Rauch, Gregor Schneider, Tracy Emin, Olafur Eliasson, um nur einige zu nennen.
Womöglich gehört der Nachwuchs, der als New Talents firmiert, bald selbst zu diesen happy few. Die Entscheidung über die Teilnahme der 25 Talente trafen u.a. die Kölner Künstlerin Astrid Klein und der Direktor des Hamburger Kunstvereins, Yilmaz Dziewior. Jeweils 25 Quadratmeter stellt man ihnen zur Verfügung. Auch hier zeigt sich die Auswahl international breit gefächert, wie die Georgierin Thea Djordjadze, die Deutsche Michaela Schweiger oder der Chilene Diego Fernández belegen.
Unwahrscheinlich scheint auch nicht, dass Korea Herkunftsland zukünftiger Klassiker der zeitgenössischen Kunst sein wird. Aus Korea kommt nicht nur die junge Sekyung Lee mit ihren filigran auf Porzellan ornamental drapierten Haaren (Förderkoje), sondern mit Nam June Paik auch ein Pionier der Videokunst. Zwölf Künstler bieten auf 170 Quadratmetern mehr als nur klassische Videoprojektion.
Computergestützte Arbeiten und Roboterkunst weisen in neue Richtungen, die sicher nur bedingt marktgängig sind. Und ist es Zufall, dass 79 ICE-Minuten südlicher am Main Korea Gastland der Frankfurter Buchmesse ist? Videokunst steht ebenfalls im Fokus eines interdisziplinären Projektes des Titels Loud & Clear & Too, das in Kooperation mit der niederländischen Bifrons Foundation eine Verbindung zum Museum Ludwig herstellt.
Es führt jeweils einen Künstler mit einem Komponisten und Werbeunternehmen zusammen, beispielsweise Marlene Dumas, Ryuichi Sakamoto und Kessels Kramer, um kreative Kräfte im öffentlichen Raum zu bündeln. Besondere Monitore lassen an den Außenseiten der beteiligten Gebäude die Arbeiten der insgesamt 14 Gruppen zum Bild werden.
Über die Stadtgrenzen hinaus läuft die Verbindung mit vier Häusern, die sich als »New Museums« den 70.000 erwarteten Besuchern vorstellen. Das Zentrum für Lichtkunst in Unna, das Museum der bildenden Künste Leipzig, das New Museum of Contemporary Art New York und das Sharjah Art Museum in den Vereinigten Arabischen Emiraten bilden das Quartett.
Mit einer Kür der Preisträger weitet sich der Blick ins französische Nachbarland, dessen Prix Marcel Duchamp der Organisation ADIAF wichtig ist für die dortige Kunstszene.
Dabei sind Thomas Hirschhorn, Dominique Gonzalez- Foerster, Mathieu Mercier und Carole Benzaken, letztere mit einer spannenden Verbindung von Malerei und Videokunst. Der Frankreich-Schwerpunkt wird parallel begleitet von den Ausstellungen »Mouvement« im Museum Ludwig und »Ambiance« im Düsseldorfer K21 mit Leihgaben internationaler Kunst seit den 60er Jahre aus der Sammlung des Fonds Regionaux d’Art Contemporain.Als Dauergäste anwesend, bringt die Photographische Sammlung der SK Stiftung Kultur »Stadt – Bild – Köln« zur Ansicht und die Kunsthochschule für Medien eine Auswahl ihrer Studenten, die Jürgen Klauke besorgte.
In gewisser Weise repräsentiert der diesjährige Empfänger des ART COLOGNE-Preises das skizzierte Leitmotiv der Messe. Am Niederrhein aufgewachsen, besitzt René Block sowohl den lokalen Bezug, der sich nicht zuletzt in seiner engen Zusammenarbeit mit Joseph Beuys zeigte, als auch Sinn fürs Internationale. Mit seiner 1974 in New York City eröffneten Galerie gehört er zu den Pionieren eines Trends, der in den letzten Jahren nicht wenige deutsche Galeristen ins Ausland und vor allem an die USOstküste führte. Nach seinem Wechsel in institutionelle Funktionen belegen Blocks Probleme dort, wie schwierig es ist, hiesige Interessenvertreter zur Überwindung eng gesetzter Grenzen zu gewinnen. Das Preisgeld von 10.000 Euro, das Block vom Bundesverband Deutscher Galeristen und der Koelnmesse GmbH erhält, könnte Startkapital einer erneuten Galeristentätigkeit sein, sobald er als Leiter des Kasseler Fridericianums ausscheidet. Vielleicht kommt dann der einstige Mitbegründer der ART COLOGNE des Jahres 1967 nach 40 Jahren mit einem Stand zurück an den Rhein – obwohl, so ganz ernst wird es ihm mit dieser Überlegung doch wohl nicht sein. //
28. Oktober bis 1. November 2005; www.artcologne.de