Die Stadt Monheim hat einen neuen Kultur-Leuchtturm auf den Weg gebracht: Auf ein von ZERO-Künstler Heinz Mack gestaltetes Firmengebäude will sie einen großen Neubau setzen, mit Platz für Ausstellungen und Sammlungen. Doch dagegen hat sich Widerstand formiert.
Von außen liegt der Bau, den die Monheimer nur »Mack-Pyramide« nennen, unscheinbar am Rande eines Gewerbegebiets an der vielbefahrenen Opladener Straße. Mit seinen grasbewachsenen Dächern könnte das Gebäude einer in die Erde versenkten südamerikanischen Pyramide ähneln – oder einer Hobbit-Höhle. Aber leider wird es nicht umrahmt von grünen Hügeln, sondern von einer Tankstelle und einer Druckerei. Trotzdem will die Stadt Monheim genau hier knapp 50 Millionen Euro investieren, um einen neuen Kultur-Leuchtturm zu errichten. Obwohl sich dagegen längst hartnäckiger Widerstand formiert hat, haben die Bauarbeiten bereits begonnen.
Kirsten Witt würde eine gute Maklerin abgeben. Die Bereichsleiterin Bildung und Kultur der Stadt Monheim ist auch Geschäftsführerin der Art Hub GmbH, die die Stadt neu gegründet hat, um den Neubau zu managen. Sie empfängt gern Besuch am Gebäude, das Ende der 1980er Jahre für die Firma Scarabäus gebaut wurde. Dass es mitten im Gebewerbegebiet liege, »das ist ja das Schöne! Es verleugnet seinen Standort nicht und hat zum Beispiel Deckenkonstruktionen aus Wickelfalz«. Hier könne ein Ort entstehen zwischen Kunst, Kultur, Gewerbe und Kreativwirtschaft – »mit guter Autobahnanbindung!«

Besonders euphorisiert haben die Kultur-Bereichsleiterin offenbar Gespräche mit dem 94-jährigen Künstler Heinz Mack. Nach dem Tod von Günther Uecker ist er das letzte verbliebene Mitglied der einflussreichen Düsseldorfer Künstlergruppe ZERO. Seine Kunst durchwirkt die Monheimer Pyramide. »Die Entwürfe stammen von ihm«, sagt Kirsten Witt. »Er hat die Fliesen ausgesucht, die Wasserläufe gestaltet, Möbel entworfen und die Wände bemalt. Es hat ihn elektrisiert, einen Arbeitsort zu gestalten.« Vor allem im sogenannten Mack-Raum ist deutlich erkennbar, dass er etwas ganz anderes ist als einfach nur das Büro eines Unternehmens-Chefs.
Möbel, Fliesen, Wandbemalungen, Designer-Möbel aus dunklem Holz – die Stühle haben hohe Lehnen wie ein abstrahierter Thron – und eine schmale Wendeltreppe mit elegantem Schwung ergeben ein Gesamtkunstwerk, zu dem auch der in den Boden eingelassene Besprechungsbereich gehört. Er ist ganz licht und weiß, sieht aus wie aus Marmor gehauen und erinnert mit seinem großen Stein in der Mitte an den Teil eines römischen Atriums – oder einen Tempelort, an dem rituelle Handlungen vollzogen wurden.
Der Satz »Die Entwürfe stammen von ihm« hat mittlerweile allerdings eine juristische Dimension bekommen. Architekt des Gebäudes ist nämlich der 86-jährige Horst Schmitges. Er sieht sich als Urheber des Projekts, das er im Mail-Wechsel nur »Scarabäus Monheim« nennt. »Inzwischen habe ich über den Rechtsanwalt Koch Einspruch gegen die Stadt Monheim und beim Kreis Mettmann erhoben«, informiert er per Mail auf Anfrage. Sein »Urheberrecht für das Projekt Scarabäus Monheim« möchte er nicht an die Stadt abtreten. Der Rheinischen Post erklärte er, dass für die Gestaltung des Innenraums erst sogar Andy Warhol im Gespräch gewesen sei. Als dieser verstarb, habe er Heinz Mack vorgeschlagen. »Ohne meine Zustimmung dürfen Veränderungen an dem Objekt nicht stattfinden«, so die Rechts-Auffassung des Architekten, der beklagt, dass die Stadt Monheim auf seine Gesprächsangebote bisher nicht eingegangen sei.
Der Architekt Horst Schmitges ist nicht der einzige, der rechtliche Bedenken gegenüber dem Neubau hat oder ihn sogar verhindern will: Der Landrat des Kreises Mettmann stuft die Vergabe des Bauauftrags als rechtswidrig ein, weil keine Ausschreibung erfolgt sei. Tatsächlich hat die Stadt über die Projektgesellschaft Art Hub einen Auftrag bereits an den europäischen Arm der Schweizer Firma Nüssli vergeben. Art Hub sei schließlich keine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des Vergaberechts. Ein Trick? Die städtische Mitarbeiterin Kirsten Witt, die gleichzeitig Geschäftsführerin der Projektgesellschaft ist, winkt ab: »Ein ganz normaler Vorgang.«
Bedenken des Kreises Mettmann
Der Kreis Mettmann lässt allerdings nicht locker: »Der Rat der Stadt Monheim am Rhein hat über die ihm gegenüber unmittelbar ausgesprochene Beanstandung mittels Beschlussfassung zu entscheiden.« Die Bedenken des Kreises würden sowohl von der Bezirksregierung Düsseldorf als auch vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen als oberster Aufsichtsbehörde vollumfänglich geteilt. »Dem Kreis Mettmann geht es in dem Verfahren allein darum, die Rechtmäßigkeit des Handelns der Stadt Monheim am Rhein wieder herzustellen, sowie präventiv und zukunftsorientiert gleichgelagerte kommunalaufsichtliche Maßnamen künftig zu vermeiden.«
Der letzte Satz klingt nicht, als würde der Landrat mit aller Macht versuchen, den Bau zu stoppen. Auch der Architekt Horst Schmitges würde sich nach einem offenen Gespräch möglicherweise zufrieden geben. Aber die Stadt Monheim hat sowieso längst Nägel mit Köpfen gemacht und nur Heinz Mack ins Boot geholt. »Er hat den Entwurf gemacht, natürlich sprechen wir mit ihm, das ist eine Frage der Haltung«, sagt Kirsten Witt. Mack sei begeistert von den Plänen der Stadt, von der Chance, dass dem Gebäude wieder neues Leben eingehaucht wird.
Der Rheinischen Post gegenüber begrüßte Heinz Mack explizit nicht nur die Sanierung des bestehenden Baus und seiner darin enthaltenen Kunstwerke, sondern auch die geplante Erweiterung: »Dass eine bestehende Architektur nun durch eine weitere Architektur vergrößert wird, ist ein städtebauliches Abenteuer, das gelingen soll. An der Verwirklichung dieses Projekts bin auch ich aus Überzeugung kreativ beteiligt.« Die entstandenen Entwürfe, die aus einem Wettbewerb unter Architektur-Studierenden hervorgegangen seien, hält er für »mutig, authentisch und vergleichsweise eindeutig originär«. Die Studierenden des Gewinner-Entwurfs sind mittlerweile sogar beim ausführenden Architektenbüro angestellt.

Der Entwurf sieht vor, über die bestehende »Pyramide« einen zweistöckigen Aufbau zu setzen, der die Pyramide quasi spiegelt. Der ursprüngliche Bau, der laut Stadt Monheim schon unter Denkmalschutz steht, würde dadurch nicht verändert, der Lichthof bliebe weiter zum Himmel geöffnet und von den neuen Stockwerken seien über Galerien rundum Blicke auf das zentrale Licht- und Wasserkunstwerk Heinz Macks möglich – und auch die umgebenden Wasserläufe. Außerdem wird man von den höheren Stockwerken erstmals über die viel befahrene Landstraße blicken können und den Monbag-See erspähen, einen Baggersee, an dem sich eine vielfältige Vogelpopulation gebildet hat.
1800 Quadratmeter Ausstellungsfläche sollen entstehen. In einer Stadt, die über noch kein eigenes Kunstmuseum verfügt, keine schlechte Idee. Dazu kommt eine Büroetage für Kreativunternehmen und Sammlungen. Letztere sind der Kern des Konzepts, das die Stadt für die auch finanziell tragfähige Nutzung des sanierten Alt- und Neubaus erdacht hat: »Es gibt Sammler, die ihre Sammlungen hier einlagern und auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen möchten«, sagt Kirsten Witt, und sie verweist unter anderem auf einen Vorteil beim Erbschaftsrecht, die eine solche Lösung beinhalte. Auch Felix Krämer, Generaldirektor des Düsseldorfer Kunstpalasts, sei schon vor Ort gewesen und begeistert von den Plänen.
In der öffentlichen Wahrnehmung ist es vor allem der Monheimer Bürgermeister Daniel Zimmermann, der das Projekt »Mack-Pyramide« anschiebt und alle Zweifel aus dem Weg räumt. Er will offenbar unbedingt schaffen, was seinem Vorgänger Thomas Dünchheim verwehrt blieb. Nach der Pleite des Unternehmens Scarabäus, das im Gebäude Abnehm-Pillen herstellte, stand die Pyramide lange leer. Für Versuche, die städtische Stromtochter Mega oder die Musikschule dort unterzubringen, fehlte das Geld. Damals ging es um 1,4 Millionen Euro. Nach einigen fetten Jahren, in denen die Stadt Monheim große Kultur-Leuchttürme wie das Konzerthaus der Kulturraffinerie, die schon Ende 2025 in Teilen eröffnet werden soll, oder das exorbitante Kreisverkehrskunstwerk »Geysir« von Thomas Stricker in Angriff nahm, herrscht im Moment zwar Flaute bei den Gewerbesteuereinnahmen. Aber mit dem genehmigten Haushalt scheint man die Gesamt-Baukosten von 49,5 Millionen Euro irgendwie stemmen zu können.
Bürgermeister Daniel Zimmermann, der mit seiner jungen Partei Peto momentan die absolute Ratsmehrheit hat, kandidiert bei der Kommunalwahl im Herbst allerdings nicht noch einmal. Seine Hoffnung wird sein, dass die Erweiterung der Pyramide bis dahin in trockenen Tüchern ist – denn alle anderen Ratsparteien sind dagegen. In seiner Partei wird das Projekt aber von einer breiten Mehrheit und mit Begeisterung getragen. Auch Kultur-Bereichsleiterin Kirsten Witt hegt keinerlei Zweifel an der Umsetzung: »Nächstes Jahr am 31. Oktober eröffnen wir den Neubau mit einer Ausstellung zu Heinz Macks 95. Geburtstag. Ein weiterer Teil der Sanierung schließt dann bis 2027 an.«
Sie findet das Projekt toll, weil Monheim in alles investiere, »was Menschen ausmacht: soziale Gerechtigkeit und Teilhabe, in die Wirtschaft und ganz viel in Kultur, die Menschen zugänglich ist. Wir werden dafür sorgen, dass jedes Kind seinen Fuß hier rein setzt. Der Kultur entkommt man hier nicht so leicht.«