Heinz Mack entdeckt mit 93 Jahren noch immer Neues. Seine Inspirationsquellen? Die Natur und das Licht.
kultur.west: Herr Mack, wie finden Sie auch im hohen Lebensalter noch Inspiration?
HEINZ MACK: Wenn ich mit offenen Augen durch die Welt gehe, bin ich besonders aufmerksam. Da ich 75 Jahre lang den größten Teil meiner Lebenszeit sowohl in meinem Atelier als auch in der universalen Welt der Kunst verbracht habe, sind die Erfahrungen außerhalb dieser imaginären Welt ebenfalls sehr bedeutsam und bereichernd; – in meinem Falle bewirken sie aber keine Inspiration für mein künstlerisches Schaffen. Da ich mein eigener Auftraggeber bin, muss ich täglich den Mut aufbringen, in die Werkstatt zu gehen, ohne zu wissen, wie und warum ich meine Arbeit beginne, ob das was ich tue kreativ ist, und ob ich dort möglicherweise etwas erreiche. Die gegenwärtige Molekularbiologie ist bezeichnenderweise immer noch mit der Frage konfrontiert: Was ist Leben und wie entsteht es? Die Natur muss zutiefst bewundert werden. Sie ist, wenn überhaupt, in einem sehr transzendentalen Sinne auch die Quelle der Inspiration. Das war früher so und ist heute noch so!
kultur.west: Sie haben unzählige Werke in verschiedensten Techniken und Räumen geschaffen. Schaut Sie trotzdem nach vorn oder vor allem zurück auf ein geschaffenes Gesamtkunstwerk?
MACK: Im Angesicht eines Oeuvres, in dem unzählige Werke sich in vielfältigen Räumen ausbreiten, ist der historische Begriff des Gesamtkunstwerks noch immer denkbar. Es sei denn, man erwartet nicht mehr, dass die Werke eine Einheit bilden. Was sich alle Künstler zu guter Letzt wünschen, nämlich eine klassische Retrospektive, kann sich als unmöglich erweisen, wenn man ein so zahlreiches Werk hat. Wie viele Werke ich geschaffen habe, weiß ich nicht. Nichts desto weniger fordert unsere Gesetzgebung quasi eine Inventur; – in meinem Falle sind damit mehrere Angestellte forschend beschäftigt. So entstehen für die Malerei, für die Reliefs, für die graphischen Werke, für die Skulpturen Oeuvre-Kataloge mit wissenschaftlichem Anspruch. Die ZERO foundation in Düsseldorf besitzt allein 2.600 Archivalien zum meinem Werk. Im Übrigen habe ich mir selbst früh die Order gegeben: Schau vorwärts, nicht rückwärts!
kultur.west: Sie haben mit Licht gearbeitet und an Werken, die Menschen zusammenbringen sollen. Verdüstert eine Zeit, die scheinbar beherrscht wird von Krieg, Klimakrise und gesellschaftlichen Konflikten, den inspirierenden Blick?
MACK: Nicht nur in der Kunst hat das Licht eine zentrale Bedeutung, aber für mein Werk ist es die erste conditio sine qua non. Meine Neigung, Experimente zu wagen, hatte zur Folge, dass ich – möglicherweise weit mehr als andere Künstler – Entdeckungen gemacht habe. Und heute wird immer mehr bekannt, dass wiederum andere Künstler von mir sehr beeinflusst worden sind. Das Licht ist nicht nur ein physikalisches Phänomen, denn es ist meines Erachtens das universellste Phänomen schlechthin. Da es gänzlich immateriell ist, hat es auch eine metaphysische Bedeutung und für die Existenz des Menschen einen hohen Wert. Die Schönheit einer Lichtstrahlung kann sich aber auch in den Grenzbereich des Todes ausbreiten – man denke an die Bikini-Atom-Explosion. In unserer Gegenwart dominiert eine fatale Neigung, nach unten anstatt nach oben zu schauen. Ich erkenne nicht, warum die Abgründe so faszinierend sind. Die Kunst ist nicht Ursache von Gesellschaftsproblemen, es ist auch nicht ihre Aufgabe, diese zu lösen! Das Wort Schönheit ist seit Langem ein Tabu in der Kunst, dem man gerne aus dem Wege geht. Oft akzeptiert man diesen Begriff nur noch in der Natur, zuletzt als touristisches Abenteuer. Mein Eintreten für das Schöne ist eine Art Opposition, mit der ich mich oft allein gelassen fühlen muss. Aber ohne die Schönheit des Lichts, ist für mich nichts mehr inspirierend; – ihrer Energie verdanken wir alle unser Leben. Wenn die Sonne scheint, die Dank sehr großer Fenster des Ateliers bei mir Eintritt hat, fühle ich mich gut! Wer möchte, kann darin eine Inspiration erkennen.
Im Düsseldorfer Kunstpalast sind Werke von Heinz Mack unter anderem im Creamcheese-Raum zu entdecken, aber auch zahlreiche Werke im öffentlichen Raum wie sieben Lichtstele in Essen. Im Frühjahr erscheint eine Monographie über ihn von Robert Fleck im Hirmer Verlag.