Wenn Leopold Mozart mit seinen beiden Wunderkindern auf Konzertreisen ging, geriet er oft in finanzielle Bedrängnis. Schließlich musizierten Nannerl und Wolfang bei Hofe in Wien, London, Paris. Und da war das repräsentative Outfit Pflicht. Auch für den Rest der kinderreichen Familie Mozart, die häufig vollzählig auf Reisen ging. Die Garderobe kostete Vater Leopold ein Vermögen. »Seine Nöte sind durch Briefwechsel belegt«, sagt Isa Fleischmann-Heck. Die stellvertretende Leiterin des Deutschen Textilmuseums in Krefeld hat die Ausstellung »Prestigesache – bürgerlicher Kleiderluxus im 18. Jahrhundert« kuratiert. Und weiß: »Kleidungsstücke waren damals auch Geldmittel und beliebtes Diebesgut.«
Auch wer nicht bei Hofe musizierte, aber dem im 18. Jahrhundert sozial aufsteigenden Bürgertum angehörte, gab viel aus für sein Erscheinungsbild. Seidene Kleider und kostbare Accessoires repräsentierten Status und Prestige. Die Kuratorin: »Durch den weltweiten Handel, der nicht nur Gewürze, sondern auch Seide nach Europa brachte, kamen die Bürgerlichen zu Wohlstand.« Die eindrucksvolle Schau in Krefeld zeigt die Ergebnisse des fünfjährigen Forschungsprojekts »Parvenue – Bürgerlicher Aufstieg im Spiegel der Objektkultur des 18. Jahrhunderts«, gefördert vom Bundesministerium für Forschung und Bildung. Über ein Konvolut von über 900 Exponaten – Accessoires, Gewebebahnen, Fragmente – verfügt das Textilmuseum. Die kostbaren Stücke wurden wissenschaftlich aufgearbeitet und in ihrer Funktion als Luxusgüter und Statussymbole kulturhistorisch eingeordnet.
Ein Blickfang schon vom Eingang aus ist die seidene Robe à la française mit Poschen, Damenhüftpolstern, um 1760. Gepuderte Perücken und Schönheitsflecke erscheinen vor dem geistigen Auge. Luftig leicht und geradezu freizügig dagegen ein auf 1830 datiertes weißes Baumwollkleidchen, antik inspiriert. »Diese Mode wurde auch als Nacktmode bezeichnet«, schmunzelt Fleischmann-Heck.
Nach der Französischen Revolution und politischen Umwälzungen um die Jahrhundertwende ließen die Bürger*innen mehr Luft an ihre Körper. Was einen Karikaturisten 1810 zu der kolorierten Radierung »The Graces in high Wind« anregte mit drei üppigen jungen Damen, deren Kurven der Wind freilegt. Doch auch der Blick in die Vitrinen mit Mustern von kostbaren Seidengeweben lohnt: Blüten-, Blumen- und Streifenmuster aus Frankreich und Italien sowie Motive, die an asiatische Vorbilder angelehnt sind.
Im Obergeschoss geben weitere prachtvolle Kleidungsstücke und Dokumente der Handelstätigkeit nicht nur Auskunft über die Erfolgsgeschichte des Krefelder Samt- und Seidengewerbes zwischen 1760 und 1830. Eine kleine Galerie mit Porträts zeigt zudem Krefelder Seidenverleger-Familien wie die von der Leyens.
Wohin man schaut, jedes Exponat übt Anziehungskraft aus: Da wäre etwa ein buchstäblich prunkvoller Habit de cour aus Seidensamt mit Pailletten, Bunt- und Goldstickerei, der wohl am Hofe Napoleons getragen wurde. Oder auch ein bestickter, goldschimmernder Herrenrock aus Frankreich und ein blau-türkisfarbener »hemdrok«, im 18. Jahrhundert wohl am Niederrhein oder in den Niederlanden aus Wolle und Damast gefertigt. Wunderschön auch die eleganten seidenen Caracos, Schoßjacken, ob tiefblau oder mit großen, floralen Mustern auf grünem Grund. Selbst für Säuglinge gab es kostbare, allerliebste Kleidchen und goldumsäumte Hauben. Und, und, und. Man komme und staune.
Bis 16. Juni
Deutsches Textilmuseum Krefeld