Der Umzug läuft, die Büros sind bereits oder werden gerade eingerichtet im neuen KAP1, der ehemaligen Haupt-Post im Düsseldorfer Bahnhofsviertel. Der Spielbetrieb des Forum Freies Theater in der neuen Stätte soll dann im November starten, wenn die Bühnenkonstruktion steht. Aber »ein Theater zieht nicht einfach um«, wie die Theaterwissenschaftlerin Ulrike Hass in einem Programmbuch des FFT schrieb. »Der Zusammenhang von Stadt, Theater und Öffentlichkeit zählt zur Grundausstattung des neuzeitlichen, städtischen Selbstbewusstseins.« Und natürlich nimmt das FFT den Dialog mit der Stadt auf, immer schon, und jetzt – in Zeiten des Umbruchs – noch bewusster.
Ein Stadtlabor unter dem Titel »Place Internationale« rahmt also den Standortwechsel und die neue Spielzeit. In offenen Proben, Workshops, Diskursen und Stadterkundungen wollen Theatermacher*innen und Theoretiker*innen mit dem Publikum der Frage nach dem gemeinschaftlichen Leben nachgehen. Vor zehn Jahren protestierten die Menschen in den Ländern der arabischen Welt und die Occupy-Bewegung begann. Vor 150 Jahren wurde die Pariser Kommune ausgerufen: Männer, Frauen und Kinder gingen auf die Barrikaden für ein anderes Arbeiten und Zusammenleben nach sozialistischen Vorstellungen. Ihr Modell der Selbstregierung währte bis zur blutigen Niederschlagung nur 73 Tage, vergessen ist es nicht.
Für die Künstlerische Leiterin des FFT, Kathrin Tiedemann, trägt sich die Frage, wie ein gemeinschaftliches, selbstbestimmtes Leben möglich sein kann, »wie ein Wellenschlag durch die Geschichte und beschäftigt uns auch heute im Kontext der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Konstellationen und Konflikte«. Also denkt das Team um Tiedemann den historischen Anlass der Pariser Kommune und den Umzug des Theaters zusammen.
Ausgerufen wird der »Place Internationale« an verschiedenen temporären Spielorten, in der Planwerkstatt in Düsseldorf-Flingern und mitten im Stadtraum. Die deutsch-ivorische Künstler*innengruppe Gintersdorfer/Klaßen hat sich von Guillaume Paolis Buch »Soziale Gelbsucht« über die Unruhen in den Pariser Banlieu und den Protesten der Gelbwesten zu einem Projekt inspirieren lassen. Die US-Romanistin Kristin Ross wird ihr Buch »Luxus für alle« vorstellen und über ihre Thesen zur Aktualität der Pariser Kommune diskutieren. Der Autor, Musiker und Aktivist Ted Gaier und der Autor und Journalist Christoph Twickel werden Teil einer kolumbianischen Delegation aus vier künstlerisch-aktivistischen Gruppen Kolumbiens, die sich in kommunitären Prozessen gegen strukturellen Rassismus, Patriarchat, Extraktivismus und Kolonialismus einsetzt.
Henri Lefebvre, der französische Philosoph, Raumtheoretiker und Urbanist, hat in den 1960er Jahren ein Buch über die Pariser Kommune geschrieben: »La proclamation de la Commune«. In der Lefebvre-Werkstatt« können Interessierte über aktuelle Arbeitsfassungen der Übersetzung und über die formulierten Themen diskutieren – denn bis heute wurde das Buch noch nicht ins Deutsche übersetzt. Und die Regisseurin Claudia Bosse lädt Stadtbewohnerinnen jeden Alters ein, bei einer Performance im Stadtraum mitzumachen. Teilhabe – ganz im Sinne des revolutionären Grundgedankens.
»Place Internationale«
bis 2. Oktober in der Planwerkstatt 378 und im Stadtraum
www.fft-duesseldorf.de