Macht Geld glücklich? Vielleicht. Allerdings nur, wenn es auch gerecht verteilt ist. Dafür zumindest plädieren die Millionenerbin und Sozialaktivistin Marlene Engelhorn und der Regisseur Volker Lösch, die gemeinsam ein Theaterstück über das Thema Ungleichheit erarbeiten. »Geld ist Klasse« wird am 20. September im FFT Düsseldorf uraufgeführt.
An die Reichen komme man nicht heran. Etliche Emails hätte er geschrieben, sofern er überhaupt Mail-Adressen herausfinden konnte. Der Theatermacher Volker Lösch arbeitet häufig mit Spezialist*innen zusammen, mit Vertreter*innen einer sozialen Gruppe, mit Arbeitslosen, mit Sozialarbeiter*innen, mit Vertreter*innen der Letzten Generation zum Beispiel. Die bringt er auf der Bühne mit professionellen Schauspieler*innen zusammen. Aber Reiche, die fand er lange nicht. Da seien die Rollläden runter. Nur eine, die hatte sich nach Monaten dann doch auf seine E-Mail gemeldet: Marlene Engelhorn – Millionenerbin, Aktivistin und Mitgründerin von »taxmenow«, einer Initiative für Steuergerechtigkeit.
Gemeinsam erarbeiten sie nun am Forum Freies Theater (FFT) Düsseldorf ein Stück über Ungleichheit. Für Lösch ist das ein Thema, das immer dringlicher wird und in unser aller Leben eingreift. Nichts werde dagegen getan, weil es überhaupt kein Bewusstsein für die Wichtigkeit gebe, kein Bewusstsein dafür, wie viele Dinge tatsächlich mit Ungleichheit zu tun hätten. 2021 verhandelte Lösch den Neoliberalismus in seiner Inszenierung »Der Tartuffe oder Kapital und Ideologie«, für die er den Molière-Text mit einer Ökonomie-Lecture von Thomas Piketty ergänzte. Damals hat er ausschließlich mit Schauspieler*innen gearbeitet. Diesmal sollte ein*e Spezialst*in dazukommen. Jemand mit Innensicht, für die psychologische Ausformung der Szenen. Er kenne sich zwar mit dem Thema aus, meint Lösch, schließlich beschäftigt sich der Regisseur, der stets gegenwartsbezogen und politisch motiviert arbeitet, schon lange mit Ungleichheit und ihren Folgen. Aber Figuren und Szenen ließen sich so allenfalls konstruieren.
»Theater? Ich? What?«
Jetzt also »jemand vom Fach«. Eine Person, »die rich ist«, wie Lösch es sagt. Eine, die sich die Mechanismen dieser »closed community« nicht angelernt hat, sondern aus persönlicher Lebenserfahrung heraus kennt. Die nicht in die Klischee-Falle tritt. Marlene Engelhorn wurde 1992 in Wien als Nachfahrin eines Eigentümers des Pharmaziekonzerns Boehringer Mannheim geboren. Öffentlich bekannt ist sie vor allem, weil sie sich – als Millionenerbin – für soziale Gerechtigkeit und eine Reform der Steuergesetzgebung einsetzt. Und weil sie in Österreich 25 Millionen Euro aus ihrem Erbe an einen Bürger*innenrat übergeben hat, der das Geld im Juni 2024 an 77 Organisationen und Vereine aus den Bereichen Klima und Umwelt, leistbares Wohnen, Gewaltprävention, Gesundheit und Soziales, Integration und Bildung verteilte. Über ihr Ziel, die Ungleichheit in der Gesellschaft zu verringern, spricht sie in Talkshows, Interviews und auf Podien. Auf der Theaterbühne steht sie jetzt zum ersten Mal.
Ihre erste Reaktion: »Theater? Ich? What?» Sie kannte Volker Lösch nicht, aber sie liebt die Literatur, das Theater und »das, was man mit Texten alles machen kann«. Auf den Rat einer Freundin aus dem Verlagswesen hin hat sie zugesagt. Und dann stundenlange Gespräche geführt mit Volker Lösch und Autor Lothar Kittstein, der die Szenen fürs Stück schreibt. Marlene habe alle Szenen korrigiert, bis sie inhaltlich und figürlich stimmten, erzählt Lösch. Manchmal sei es einfach der Tonfall gewesen, der bei den Superreichen anders klinge. Niemand sei in einem Konflikt zum Beispiel »gegeneinander«, sondern immer »kontrovers«. Oder die Szene zwischen einem Finanzberater von Marlenes Großmutter und Marlene, auch da mussten Lösch und Kittstein noch mal ran, bis Situation und Atmosphäre passten. Es gehe um Nuancen, erklärt Engelhorn, Nuancen, die das Reichsein in jeden Konflikt hineintrage. Wenn man die nicht kenne, weil man das Vermögend-Sein nicht erlebt hat, dann sei das schwierig.
Marlene Engelhorn wird gemeinsam mit Volker Lösch (der seit 30 Jahren mal wieder als Schauspieler aktiv ist) und Schauspielerin Marlene Reiter auf der Bühne agieren. Zufällig heißt die Profi-Darstellerin auch Marlene, kommt ebenfalls aus Wien und ist ungefähr gleich alt wie Engelhorn. Und sie kennt sich bereits mit dem Thema aus, denn sie hat mit Lösch auch in Dresden bei der »Tartuffe«-Inszenierung zusammengearbeitet. Ebenso zufällig findet die Uraufführung in Düsseldorf statt, in einer Stadt, in der viele Hochvermögende leben. Das passt zwar gut, ausschlaggebend war aber der Kontakt zum FFT. Lösch wollte das Stück unbedingt außerhalb der Staatstheater produzieren, um unabhängig und nicht an ein Haus gebunden zu sein. Wichtig war ihm auch, dass das Projekt nicht durch Engelhorn, sondern durch öffentliche Gelder finanziert wird.
Im Stück wird Persönliches von den Dreien zu hören sein, aber nichts Privates, wie Engelhorn sagt, »denn es geht hier nicht um mich«. Und es soll klassische Szenen geben, in denen die drei Archetypen spielen wie zum Beispiel »die Republik«, »das reichste Prozent«, »den Neuerben« oder »Reichen-Coaches«. Gibt es die denn tatsächlich, Reichen-Coaches? »Es gibt alles, wenn man dafür zahlen kann«, antwortet Engelhorn. Sie kennt sich aus.
Raus aus der feudalen Reichensuppe
Mit dem Stück gehen sie solchen Fragen nach: Wie kann man Ungleichheit erklären, wo kommt sie her und wie kann man etwas gegen sie tun? Löschs Anspruch an seine Arbeit ist nie weniger als der Wille nach Veränderung durch Sichtbarmachung. Und das Thema Ungleichheit macht ihn regelrecht wütend, aber nicht sprachlos: »Wir haben so scheißviel Geld in diesem Land, wieso verteilen wir das nicht anders?« Am Schauspiel Bonn inszeniert er gerade zeitgleich die Uraufführung von Lothar Kittsteins »216 Millionen«, da geht es um Klima und Migration. Für Lösch hängen die Themen klar zusammen: »Warum fliehen Menschen? Aus Ungleichheitsgründen. Die Klimakatastrophe wird befeuert durch Ungleichheit, durch Emissionen der Superreichen, durch Emissionen der reichen Länder.« Dass der Staat sich das Geld nicht »von oben« holt, um die Situation für Bedürftige menschenwürdiger zu gestalten, ist für ihn ein »megagroßer Skandal«.
Auch Marlene Engelhorn hofft auf Veränderung. Etwas zurückgenommen, mehr zu sich selbst, aber mit Abscheu, sagt sie einmal im Gespräch: »Es war so wichtig, dass ich aus dieser feudalen Reichensuppe wieder rauskomme.« Nach Podiumsveranstaltungen begegne sie ab und an mal Menschen, denen es ähnlich gehe wie ihr. Wenn sich jetzt im Theater vielleicht fünf bis zehn neue Mitstreiter*innen finden würden, die sich auch kritisch mit ihrem Vermögen auseinandersetzten, dann wäre etwas erreicht. Und vielleicht fünf- bis zehntausend Menschen, die nachher am Esstisch in ihre Familien hineinwirkten, die zum Beispiel klar sagen, dass man nicht respektlos über armutsbetroffene Menschen spreche, sondern anerkenne, dass es dabei um Strukturen gehe, dann verschiebe sich Selbstverständlichkeit vielleicht in Richtung Mitfühlen und Respekt. Das klinge erst mal banal, ist in ihren Augen aber nachhaltig und deutlich wirksam gegen Populismus und weitere extreme Ungleichheit. »Wir schicken Leute auf den Mond, aber wir bekommen keine Steuergesetzgebung hin – geh bitte!«
»Geld ist Klasse«
Uraufführung 20. September, weitere Termine: 21. und 22. September
FFT Düsseldorf
»216 Millionen«
Uraufführung am 13. September, weitere Termine: 15. und 28. September
Schauspiel Bonn