Im Schloss Strünkede in Herne ist die Wanderausstellung »Busy Girl – Barbie macht Karriere« zu sehen. Sie zeigt die berühmteste Figur in den Kinderzimmern dieser Welt als Role Model. Denn für Kuratorin Bettina Dorfmann – die sage und schreibe 18.500 Barbies besitzt – ist sie »ein Spiegel unserer Zeit«.
Da liegt sie, die allererste Barbie, die 1959 auf dem Spielzeugmarkt erschien. Schwarz-weiß-gestreifter Badeanzug, noch etwas unbeweglich, mehr Mode- als Spielfigur. Sie liegt in der Vitrine in einer langen Reihe mit Barbies aus mehr als 60 Jahren, an ihrem Ende die Fashionistas Vitiligo Puppe, mit ihren langen braunen Haaren, etwas runderen Körperformen und der Weißfleckenkrankheit. Sichtbare Veränderungen über die Jahrzehnte sind in den Augen, Wimpern und Mündern zu sehen und bei den Stoffen der Kleidung. Teuer und wertig waren sie in den Anfangsjahren, gewebte Kleider aus Naturstoffen, auch mal ein echter Pelz. Die Brüste wurden über die Jahre kleiner, die Hüften breiter. So zeigt diese erste Vitrine am Eingang eine kleine Reise durch die Entwicklung der wohl berühmtesten Puppe der Kinderzimmer-Geschichte. Sie ist aber nur der Start zu einer großen Barbie-Show.
Bettina Dorfmann hat die Ausstellung »Busy Girl – Barbie macht Karriere« gemeinsam mit Karin Schrey kuratiert. Seit mittlerweile 20 Jahren tourt die Wanderausstellung durch Deutschland und europäische Nachbarländer. Ihr Jubiläum feierten sie im vergangenen Jahr am aktuellen Standort im Schloss Strünkede in Herne. 18.500 Barbies besitzt Bettina Dorfmann, damit hat sie sogar einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde. Einen Teil ihrer Sammlung zeigt sie nun also in Herne, um mit der Barbie die berufliche Entwicklung der Frau in den letzten 60 Jahren zu zeigen. Die Barbie als Vorbild und Zeugin, als »Spiegel unserer Zeit«, wie Dorfmann sagt. Und damit demonstriert sie ein Gegenbeispiel für alle kritischen Kommentare, die das Schönheitsideal der Barbie als toxisch bezeichnen. Weg vom blonden Dummchen, hin zum farbenfroh gestalteten Abbild eines gesellschaftlichen Wandels, zur selbstständigen Frau mit eigener Wohnung und Beruf.

Am Anfang stand die Bild-Lilli. Der Karikaturist Reinhard Beuthin hatte die Comic-Figur Anfang der 1950er für die Boulevardzeitung gezeichnet, jung, blond, modern und freizügig, ein Partygirl. Sie wurde zum Vorbild für Ruth Haendlers »teenage fashion model«, die die amerikanische Unternehmerin 1959 für ihre Tochter Barbara entwarf – und nach ihr benannte. Eine Puppe, mit der sie die Erwachsenenwelt nachspielen konnte. Eine Fantasiefigur für das Leben als unabhängige und arbeitende Frau. Seitdem haben »Millionen von Kindern mit Millionen dieser Puppen gespielt«, wie es in den großen Schriftbildern zur Ausstellung heißt. Die Barbie ist das meistverkaufte Spielzeug aller Zeiten, mit ihr wird ein Jahresumsatz von 3,6 Milliarden US-Dollar erreicht. Und die beiden Kuratorinnen fassen das Phänomen noch greifbarer zusammen: »Alle zwei bis drei Sekunden wird irgendwo auf der Welt eine Barbiepuppe verkauft«.
Für Bettina Dorfmann begann die Geschichte 1964. Als etwa Fünfjährige bekam sie ihre erste Barbie. »Wir haben alle mit Barbies gespielt, Mutter-Vater-Kind zum Beispiel, auch die Jungen«, erinnert sie sich. Als sie ihre »Twist’N Turn«-Barbies aus den 60er Jahren, die mit den knalligen Flower-Power-Kleidern und den großen Ohrringen, für ihre Tochter in den 1990er Jahren wieder auskramt, merkten sie, wie unmodern die waren. 30 Stück hatte sie noch, für die sie gehäkelt und gestrickt hatte, damals. Eine hatte sogar einen Plattenspieler, der heute auch in der Ausstellung zu sehen ist. Aber ihre Tochter interessierten die nicht. Also mussten neue her. Ihre Tochter ist nie ein Fan geworden, interessierte sich mehr für Sport als für Puppen. Aber Bettina Dorfmann selbst entdeckte eine neue, alte Leidenschaft. Heute repariert und restauriert sie die Barbies auch. Sie schätzt sie, gibt Bücher heraus, veröffentlicht Artikel, gibt Workshops und kuratiert Ausstellungen. Im Museum der Stadt Ratingen arbeitet sie als Sachverständige für Spielzeuge.
Für Dorfmann ist die Barbie vor allem eine wertvolle Kindheitserinnerung. Und eine Figur, »mit der man so viel Kreatives machen kann«. Und sie entdeckte das Geschichtsträchtige an der Barbie. In der Ausstellung sehen wir die Barbie als Rockstar und als Landwirtin auf dem Trecker, bei McDonald`s und beim Schminken, am Herd (in den 60ern) und im College. Wir sehen sie als Nussknacker-Ballerina und Harley-Davidson-Fahrerin, als Paläontologin und Präsidentschaftskandidatin, als Tierpflegerin und Imkerin. Die Ausstellung gruppiert die Barbies thematisch, zeigt sie zum Beispiel in verschiedenen Uniformen (als Astronautin oder beim Militär) oder stellt Küche und Karriere gegenüber. Und sie dokumentiert die unterschiedlichen Wohnwelten – angefangen bei den einfachen Papphäusern über die plastikbezogenen, die sich zusammenklappen ließen, bis zu den perfekt nachgebauten Möbeln im Miniaturformat, die natürlich auch Zeichen der Zeit und der jeweiligen Mode sind.
»Es gibt nichts, was es nicht gibt«, sagt Dorfmann. »Außer das Thema Religion.« Ergänzt haben Dorfmann und Schrey die Ausstellung in den vergangenen Jahren mit den neuen Barbies des Herstellers Mattel. Barbies, die diverser wurden, nicht nur was die Haut- und Haarfarbe betrifft. Es gibt Barbies im Rollstuhl, mit Prothesen und eine mit Down-Syndrom. Auch die ist ausgestellt. Und Bettina Dorfmann hat auch ihre persönliche Lebensrealität gespiegelt: Ihre Tochter ist Trainerin im Para Tischtennis. In der Ausstellung gibt es die Tischtennisspielerin im Rollstuhl – an der selbstgebauten Platte, auf der unter anderem Timo Boll unterschrieben hat.
Barbie war immer schon selbstbewusst und stand mitten im Leben, sagt Dorfmann. Ken hingegen immer nur Accessoire. Mutter wurde Barbie nie, nur ihre Freundin Midge gibt es als schwangere Figur. Für die »Happy Family« kamen dann außerdem noch Großeltern dazu. Linda Oberste-Beulmann vom Emschertal-Museum weiß auch von Länderunterschieden zu erzählen: Die Barbie in ihren verschiedenen Berufen gibt es überwiegend im Ausland. In Deutschland ist die Fantasie-Barbie als Fee, Meerjungfrau oder mit Flügeln beliebt. Die aber spielen in »Busy Girl« natürlich keine Rolle. Hier darf man sich an Präzision in der Darstellung und realistischen Abbildern (zum Beispiel die beeindruckende Elvis-Barbie oder Liz Taylor im goldenen Cleopatra-Kostüm) erfreuen, so fein sind die Gesichtszüge der Barbies. Und an der Vielfalt. Pink und pompös ist hier nur ein winziger Teil im Gesamtbild.
»Busy Girl – Barbie macht Karriere«
Emschertal-Museum Herne, Schloss Strünkede
Bis 18. Mai
Schätztermine für Barbiepuppen und Zubehör mit Bettina Dorfmann:
13. März und 18. Mai
Ab Juni 2025 wird die Ausstellung im Explorado Abenteuermuseum Troisdorf zu sehen
sein.