Die Videonale ist in Feierlaune: Bei der 20. Ausgabe des Bonner Festivals für Videokunst treffen Klassiker des zeitbasierten Genres auf neue Produktionen.
Mit ihrem Song »Video Killed the Radio Star« markierte die Band The Buggles 1979 eine Zeitenwende: Damals kündigte sich der Triumph der Videokultur an. Heute ist sie nicht zuletzt dank YouTube und Social Media allgegenwärtig und hat das gute, alte Radio als Leitmedium verdrängt. Schon in den 1960er Jahren eroberte die Videokunst einen Platz im Kanon der bildenden Kunst. Zwar kann von einem Killer-Effekt in Bezug auf Malerei, Zeichnung und Skulptur keine Rede sein, doch sind Filme, Video-Installationen, animierte Arbeiten und zeitbasierte Medien aus dem Repertoire der Gegenwartskunst nicht mehr wegzudenken.
An diesem Siegeszug hat die Videonale wesentlichen Anteil. Die Idee zu diesem Festival für Videokunst brüteten Dieter Daniels, Bärbel Moser und Petra Unnützer 1984 in der Küche einer Bonner Student*innen-WG aus. Seit 40 Jahren präsentiert die Videonale im Zweijahres-Rhythmus aktuelle Arbeiten von Filmkünstler*innen. Im Zentrum steht seit 2005 eine sechswöchige Ausstellung im Kunstmuseum Bonn. Mehr als 1200 Werke umfasst das Videonale-Archiv inzwischen, darunter Beispiele renommierter Künstler*innen wie Dara Birnbaum, Klaus vom Bruch, Lynn Hershman, Gary Hill, Christian Jankowski oder Bill Viola. Eine einzigartige Enzyklopädie der Videokunst.
Die 20. Ausgabe haben Tasja Langenbach und Annette Ziegert, die künstlerischen Leiterinnen, als »Fest der Begegnung« konzipiert. »Aus Anlass des Jubiläums haben wir den offen ausgeschriebenen Wettbewerb ausgesetzt und stattdessen die Chance genutzt, tief in das beeindruckende Archiv des Festivals einzutauchen«, sagt Tasja Langenbach. »Ziel war es, historische Werke vergangener Videonalen in einen spannungsreichen und bedeutungsvollen Dialog mit aktuellen Werken ehemaliger Videonale-Künstler*innen zu bringen. Zu sehen sind daher in der Ausstellung sieben historische Videowerke zusammen mit 19 aktuellen Produktionen.« Flankiert wird das Kerngeschehen durch Video-Satelliten, die sich über die Stadt verteilen, Performances und performative Ausflüge, Führungen, Workshops und Talks.
Experimentierfreudige Klassiker
Zu den experimentierfreudigen Klassikern, die bei der 20. Ausgabe ein Comeback in Form einer erneuten Ausstellungspräsentation feiern, gehören die österreichische Medienkunst-Legende Valie Export, die britische Künstlergruppe Gorilla Tapes, der Kölner Pionier Marcel Odenbach sowie Jan Verbeek, der als Meisterschüler des ›Video-Papstes‹ Nam June Paik mit der Materie vertraut wie kaum ein anderer sein dürfte. Mit aktuellen Produktionen beteiligen sich Videonale-Wiedergänger*innen wie Mark Bain, Stéphanie Lagarde, Stefan Panhans & Andrea Winkler sowie Anna Zett. Schließlich entwickeln Alwin Lay, Julia Scher und das Duo Dani & Sheilah ReStack, die an der Videonale 16 beteiligt waren, brandneue Arbeiten.
Ein weiteres Novum besteht darin, »dass die Ausstellung für diese Ausgabe dauerhaft in die Stadt hinein erweitert wird und sechs Ausstellungsstationen in der Bonner Alt- und Innenstadt permanent mit einzelnen Werken bespielt werden«, sagt Tasja Langenbach. »Ziel war, die Videokunstwerke dorthin zu bringen, wo ihre Themen und Inhalte entstehen – in die Stadtgesellschaft.«
Ein Besuch der Videonale lohnt ganz besonders am Eröffnungswochenende (11. bis 13. April), wie Annette Ziegert betont: »Die meisten V.20-Künstler*innen sind persönlich vor Ort und sprechen über die Entstehung ihrer Werke und ihren Umgang mit dem Medium Video. In drei Gesprächsrunden thematisieren Philipp Gufler, Ana María Millán, Marcel Odenbach und Yan Wai Yin das Phänomen des Standhaltens in ihren Werken.«
Ziegert hebt den Trinkpavillon in Bonn-Bad Godesberg als Schauplatz der Videonale hervor. Dort animiert der in den Niederlanden lebende US-Künstler Mark Bain am 11. April mit seiner Langzeit-Performance »The Archisonic« zum Soundbaden. Am Tag darauf gibt es mit »Introductions« ein neues Format der künstlerischen Annäherung an die Werke der Ausstellung. Dazu gibt es geführte Stadtspaziergänge und ein Kinderkurzfilmprogramm.
Das Jubiläum bietet eine gute Gelegenheit zum Rückblick und zur Bilanz – nicht nur in eigener Sache, sondern auch hinsichtlich der Entwicklung der Videokunst. Als gravierend bezeichnet Tasja Langenbach »die rasante technologische Entwicklung: Lief die Distribution früher mit VHS-Kassetten, U-matic oder Beta SP-Tapes auf dem Postweg, sind wir inzwischen bei mp4-Dateien und Vimeo-Links angelangt, die innerhalb von Sekunden über das Internet geteilt werden können.« Kein Wunder, dass sich dadurch auch die Videokunst verändert. Langenbach: »Weil die Präsentationsmedien günstiger geworden sind, wurden im Gegenzug auch die Präsentationsformen aufwendiger.« Nicht zuletzt verweist sie auf die Erweiterung des digitalen Raums durch Games und Virtual Reality, die in den letzten Jahren einen regelrechten Quantensprung bewirkt hat.
Hinzu kommen die jüngsten Fortschritte in puncto Künstlicher Intelligenz, die es jedermann ermöglichen, mit einem schlichten Text-Prompt ein Video quasi aus dem Nichts zu generieren. Wie sieht die Video-Expertin eigentlich das Verhältnis zwischen Alltagsvideos und Kunstvideos? Tasja Langenbach verweist auf »den Kontext, in dem etwas präsentiert wird«, räumt aber zugleich ein, es sei »schwierig, immer eine eindeutige Grenze zu ziehen«. Ein künstlerischer Mehrwert entstehe jedenfalls dann, »wenn etwas aus seinem ursprünglichen Zustand in einen neuen transformiert wird.« Für diese Art der Horizonterweiterung bietet die 20. Ausgabe der Videonale reichlich Gelegenheit.
»VIDEONALE.20«
Kunstmuseum Bonn und sechs Außenposten im Bonner Stadtraum
11. April bis 18. Mai