Als »Bestentreffen der freien Szene« firmieren die Impulse schon lange nicht mehr. In seinen Gründungsjahren sollte das Festival eine Alternative zum Berliner Theatertreffen der Stadt- und Staatstheater sein. Einige Künstler*innen, die damals entdeckt wurden, zählen längst zu den führenden Köpfen des etablierten Theaters, Rimini Protokoll und der gerade verstorbene René Pollesch zum Beispiel. »Herausragende und herausfordernde Produktionen« zu zeigen ist nun der Anspruch, kein Best Of, sondern ein kuratiertes Festival, das Trends aufnimmt und Themen setzt. Das sagt Haiko Pfost, der die Impulse 2024 das sechste und damit letzte Mal verantwortet.
Dabei haben Haiko Pfost und sein Team immer wieder politische Akzente gesetzt, gerade auch im öffentlichen Raum. Klassizimus ist für ihn ein zentrales Thema. Er verweist darauf, dass er selbst nicht aus einer klassischen kulturbürgerlichen Familie stammt und erst einmal Industriekaufmann gelernt hat. In den Akademien – die eine weitere Säule seines Festivalprogramms sind – ging es schon früh um das Thema, als es noch nicht breit diskutiert wurde. Und auch die Eröffnung am 29. und 30. Mai beschäftigt sich in diesem Jahr damit: »Die große Klassenrevue« im Depot2 des Kölner Schauspiels von Christiane Rösinger.
Mit Reimlust und Live-Musik erklärt das Ensemble satirisch bissig die Idee zum Mythos, man könne die Klassen überwinden und aufsteigen. Die Reichen können noch so viel davon träumen, dass es in der Unterschicht irgendwie cooler ist. Sie werden niemals dazugehören. Aber auch umgekehrt gibt es Identitätsprobleme. »Ich finde meine Klasse nicht – wir sind doch alle Mittelschicht«, lautet ein Zitat aus dem Stück.
Ein unterhaltsamer Abend über ein komplexes Thema – das ist ein Trend des derzeitigen Off-Theaters. »Die Künstler*innen wollen komplizierte und politische Themen behandeln«, erklärt Haiko Pfost, »damit aber auch möglichst viele Menschen erreichen. Das geht leichter, wenn man sich auch populäreren, ja Unterhaltungsformaten, wie der Revue bedient.« Natürlich gibt es auch Abende, die das Publikum fordern. Wie »SPAfrica«, eine kolonialismuskritische Tanzperformance über einen Wasserdrink aus Südafrika, den man nur gegen eine Tränenspende kaufen kann (30./31. Mai in der Tanzfaktur Köln). Oder das »Museum of Uncounted Voices«, eine immersive Aufführung am 6., 7. und 8. Juni in der Bundeskunsthalle Bonn über die osteuropäische Kriegsgeschichte, in der das Publikum immer wieder Teil des Geschehens wird. »Den künstlerischen Anspruch herunterzufahren, kommt für mich nicht in Frage«, bekennt Haiko Pfost.
Buntes und vielschichtiges Programm
Seit Beginn der Impulse werden die hier präsentierten neuen Formen der Off-Szene von Stadt- und Staatstheatern aufgesaugt. Bestes Beispiel ist gerade die Choreographin Florentina Holzinger, die gleich nach ihren ersten Erfolgen zum Superstar der Ruhrtriennale und der Berliner Volksbühne wurde. Haiko Pfost meint, es gebe aber dennoch eine typische Ästhetik des Off-Theaters: »An der Volksbühne macht Florentina Holzinger nichts anderes als vorher. Nur unter besseren finanziellen Bedingungen. Ebenso Rimini Protokoll. Die passen sich nicht dem System an, sondern arbeiten als eigene Entität innerhalb eines Stadttheaters. Die Entwicklungsphase ist länger, es gibt andere Produktionsrhythmen und oft auch eigene Ensembles oder Expert*innen auf der Bühne.«
Oft wurde im Rahmen des Festivals beklagt, dass die freien Theater unter prekären Bedingungen arbeiten. Da hat sich einiges verändert, über Mindestlöhne wurden diskutiert, viele Förderer – wie zum Beispiel das NRW-Kulturministerium – geben nur noch Geld, wenn keine Ausbeutung stattfindet und in den eingereichten Finanzplänen ordentliche Gagen gezahlt werden. Haiko Pfost bleibt skeptisch: »Wir hatten noch im letzten Jahr eine Akademie zu dem Thema. Bei der Systemcheck-Studie vom Bundesverband Freie Darstellende Künste kam heraus, dass viele Künstler*innen immer noch sehr prekär arbeiten.« Beim Festival wird natürlich mindestens der Mindestlohn gezahlt. Das führt allerdings dazu, dass Pfost und sein Team ganz genau rechnen müssen. Zwar ist es gelungen, den Etat etwas zu erhöhen, aber zum Beispiel heftige Hotelkosten fressen das zusätzliche Geld schnell wieder auf.
Doch es ist wieder gelungen, ein buntes und vielschichtiges Programm zusammenzustellen. Der Showcase ist sehr international und läuft diesmal in Köln, in Mülheim wird das Stadtprojekt »SchwimmCity« stattfinden (mehr dazu ab Seite 34), in Düsseldorf gibt es die Akademien. Einerseits geht es um Kunst, Freiheit und Demokratie im Angesicht der aktuellen Debatten. Aber das Festival versucht auch, das gesammelte Wissen der vergangenen Jahre zu bündeln, zu fokussieren und zu dokumentieren. Nach Haiko Pfost werden sich die Impulse neu erfinden müssen. Aber das gehört zum Charakter eines lebendigen Off-Festivals.
Impulse Festival
29. Mai bis 9. Juni
an verschiedenen Standorten in Köln, Düsseldorf, Bonn und Mülheim an der Ruhr