»Ich bin ein Museum« war monatelang auf dem ehemaligen Modekaufhaus Sauer mitten in der Kölner Innenstadt zu lesen. Überzeugungsarbeit für den neuen Standort des Kölnischen Stadtmuseums – in Form eines überdimensionalen Schriftzugs in Weiß auf Rot. Wer nun, nach der Eröffnung des Hauses, durch die Glastüren ins Foyer tritt, kann neben der Eingangstür noch immer ganz klein »Franz Sauer, gegr. 1842« lesen, während groß die Besucher*innen der Satz »Kölle, du bes e Jeföhl« begrüßt. Das ist auch der Leitgedanke, der neugestalteten Dauerausstellung, die es am Interimsstandort zu sehen gibt: Anhand von acht Fragen wird hier die Stadtgeschichte auch emotional nahegebracht.
Rund 650 Ausstellungsstücke – von etwa einer halben Million Objekten, die das Stadtmuseum insgesamt besitzt – werden im ehemaligen Modehaus gezeigt, 750 Quadratmeter stehen dafür zur Verfügung. Das ist deutlich weniger als in der bisherigen Heimstatt des Kölnischen Stadtmuseums, dem Zeughaus. Der über 60 Meter lange Backsteinbau mit den markanten rot-weißen Fensterläden war als Waffenkammer 1606 fertiggestellt worden und wurde nach diversen Um- und Wiederaufbauten seit 1958 als Stadtmuseum genutzt. Weil aber das Gebäude als zu klein galt und außerdem stark renovierungsbedürftig war, wurde lange über unterschiedliche Konzepte diskutiert. Vor rund zehn Jahren dann traf der Stadtrat den Entschluss, mit der Sammlung in einen Neubau in der Historischen Mitte zu ziehen, der mit über 3.300 Quadratmetern etwa 60 Prozent mehr Fläche bieten sollte. Ein Projekt, das jetzt womöglich gar nicht kommen wird – und auch die Zukunft des Zeughauses ist ungewiss.
Bis 2030 oder 2031 sollte das Stadtmuseum eigentlich einen Neubau in der neuen Historischen Mitte direkt neben dem Römisch-Germanischen Museum bekommen. Ende 2023 jedoch, nach einer Neuberechnung der Kosten und kurz vor dem städtischen Baubeschluss, stieg einer der Projektbeteiligten aus: Die Hohe Domkirche war mit 20 Prozent an der Neugestaltung der Domumgebung beteiligt, jetzt liegt das ganze Projekt auf Eis, eine neue Machbarkeitsstudie ist im Laufe des Jahres 2024 geplant. Damit ist der touristische Hotspot der Stadt, die neue geplante Historische Mitte, eine einzige Baustelle ohne Hoffnung auf Fertigstellung – mit einem fast vollständig neu gebauten Dom-Hotel, das 2025 oder 2026 eröffnet werden soll. Dem Römisch-Germanischen Museum, das schon seit 2019 renoviert wird. Und der überdimensionalen Baugrube des Laurenz-Carrés, in der seit Mitte 2023 aufgrund der Pleite des Investors alle Arbeiten ruhen. Um die lange Bauzeit bis zur Fertigstellung der neuen Historischen Mitte zu überbrücken, aber auch um die Dauerausstellung zur Stadtgeschichte endlich wieder zugänglich zu machen, die aufgrund eines Wasserschadens 2017 im Zeughaus gar nicht mehr zu sehen war, sollte das Kölnische Stadtmuseum eine Übergangslösung bekommen: Geplant war der Einzug in das Interimsquartier im Kaufhaus Sauer schon im Herbst 2022, der Termin wurde aber immer wieder verschoben. Und auch wie lange das Stadtmuseum nun im früheren Modehaus Sauer bleiben wird, ist völlig unklar.
Acht Fragen zur Stadtgeschichte
Fest steht nur, dass die acht Fragen, anhand der hier die Stadtgeschichte erzählt wird, schöne Leitfäden durch die Dauerausstellung ergeben. Und eben dabei helfen, auch emotional Zugänge zur Kölner Historie zu finden. Schon in der alten Dauerausstellung im Zeughaus war die Sammlung teils chronologisch, teils thematisch geordnet worden. Auch im ehemaligen Kaufhaus geht es mit einem kompakten chronologischen Überblick über relevante Ereignisse los, von der römischen Kolonie bis zum heutigen Köln. Hier werden bedeutende Stücke gezeigt, wie der Verbundbrief aus dem Jahr 1396. Dieses Exemplar der Stadtverfassung überlebte den Einsturz des Stadtarchivs 2009 nur deshalb unversehrt, weil es als Dauerleihgabe im Stadtmuseum war. Auch das vermutlich erste Stadtsiegel in Europa von 1269 ist hier zu sehen oder ein Stück des Ratsgestühls mit Hakenkreuz und der Karte des Deutschen Reichs nach dem »Anschluss« Österreichs. Dazu eine Wahlurne, die für Abstimmungen im Kölner Rat zwischen 1945 und 1957 diente. Im Zentrum des Raumes steht das historische Stadtmodell, das Köln im Jahr 1571 darstellt. In der neuen Ausstellung wird es von einer »Augmented Reality Experience« begleitet, die auf Tablets zusätzliche Informationen sowie visuelle Effekte über der Stadt schweben lässt.
Auch ein Multimedia-Guide mit Audios und Videos für das eigene Smartphone ergänzt die Ausstellung. Sie sind zusätzlich in einfacher Sprache und in Gebärdensprache verfügbar, sehbehinderte Menschen können sich entlang des Bodenleitsystems führen lassen. Für sie gibt es neben Tafeln in Braille-Schrift in der gesamten Ausstellung zahlreiche Tastmodelle. So lässt sich die Stadtentwicklung in mehreren Lagen am Stadtmodell ablesen oder an einer Büste ertasten, wie wohl die Stadtmutter Agrippina aussah. Barrierefreiheit und ein Museum für alle war das Ziel, das ist dem schon von der Architektur her offenen Haus mit den fünf Halbgeschossen um eine zentrale Treppe und dem gläsernen Aufzug anzumerken. Es soll aber auch ein Museum von allen sein, zumindest aber von mehr Macher*innen als nur den beiden Kuratoren Stefan Lewejohann und Sascha Pries. Ausgehend von relevanten Ereignissen und den für die Kuratoren wichtigsten Ausstellungsstücken wurde eine Gruppe von Kölner*innen nach ihren eigenen Erfahrungen und Erinnerungsstücken befragt. Sie bilden die jeweilige Einführung in die thematisch geordneten Räume und sollen die Besucher*innen dazu einladen, sich zunächst selbst mit den gestellten Fragen zu beschäftigen.
Interaktiv und Köln-spezifisch
Die Antworten der Kuratoren auf »Worauf haben wir Lust?«, »Was bewegt uns?« oder »Was macht uns wütend?« finden sich in abwechslungsreich gestalteten Ausstellungswänden und Vitrinen mit erklärenden Texten. Interaktive Stationen laden dazu ein, auf dem Display zu testen, wie gut man Lebensmittel auf Kölsch benennen kann, mit verschiedenfarbigen Fäden anzugeben, wie man sich innerhalb der Stadt fortbewegt oder um ein in Köln entwickeltes Konsolenspiel zu spielen. Nicht alle der Stationen sind so Köln-spezifisch. So ist die Ärgernis-Sammlung unter der Überschrift »Lass es raus!« sehr allgemein, es fehlt zum Beispiel der ewige Ärger um die Kölner Verkehrsbetriebe – kaum vorstellbar. Aber hier wird dennoch erfolgreich vermittelt, dass Stadtgeschichte keinesfalls trocken ist. Der unterhaltende und emotionale Ansatz findet sich in der gesamten Ausstellung. In Teilen funktioniert das gut, wenn zum Beispiel unter dem Thema »Was verbindet uns?« das Stapelrecht erklärt wird, historische Hochwasser abgebildet werden, ein Überblick über die Medienszene gegeben wird oder das Kölner Brückengrün zu sehen ist. Wenn aber in den Themenkomplex »Woran glauben wir?« neben den unterschiedlichen Religionen auch das Geld und der Fußball aufgenommen werden, ist das originell, wirkt aber eher wie eine Krücke, um Stücke aus der herausragenden Münzsammlung und eine FC-Fan-Weste zeigen zu können. Die Geschichten, die dazu erzählt werden, liefern kaum Hintergründe oder sind so allgemein, dass sie überall stattfinden könnten. Ähnlich ist es im Bereich »Was macht uns wütend?«, in dem Geschichte in Histörchen vermittelt wird – angefangen bei einem Comic vom »Kleinen Schied« 1252 über den Sitzstreik gegen die KVB in den 1960er Jahren bis zum Oppenheim-Esch-Banken-Skandal 2008. Das lässt sich gut und schnell erfassen. Welches der Ereignisse jedoch die höchste historische Relevanz hat, lässt sich aus der Ausstellung nicht so einfach ablesen. Auch die Zusatzinformationen im Multimedia-Guide sind – sofern zu den Stücken überhaupt vorhanden – oft anekdotisch und führen nicht immer weiter.
Bei aller Sympathie für die schon lange notwendige Neugestaltung der Ausstellung, wäre es doch schön, Geschichte und Geschichten nicht nur anzureißen, sondern zumindest stellenweise auch auszuerzählen. Zum Teil kann diese Unvollständigkeit auf die geringe Größe des Interimsquartiers zurückgeführt werden. Und bei allem Engagement, die diese Dauerausstellung seitens ihrer Macher*innen zeigt, bleibt eine Frage offen: Nämlich, wie lange diese Übergangslösung im alten Modehaus Bestand haben soll und wird. Für das Stadtmuseum jedenfalls wird von verschiedenen Beteiligten immer wieder ein erneuter Einzug in das Zeughaus ins Spiel gebracht – denn andere Nutzungsideen dafür gibt es bisher nicht. Das Zwischenkonzept im Kaufhaus muss also noch eine ganze Weile tragen – die Geschichte dahinter und zu anderen Bauprojekten in Köln könnte indes eine eigene Etage füllen. Titel vielleicht: »Was lässt uns resignieren?«