Vor 20 Jahren tauchte Artur Walter ein in die Fotografieszene des afrikanischen Kontinents. In der Kunstsammlung NRW zeigt er nun etwa 500 Arbeiten aus der eigenen Kollektion. Ein Gespräch.
kultur.west: Sie haben ihre Sammlung klassisch und deutsch begonnen, mit den Bechers, Sander, Blossfeldt… Wie kam es zum großen Schritt nach Afrika, Herr Walther?
WALTHER: Ich war mit Bernd und Hilla Becher befreundet – sie führten mich zu August Sander, Karl Blossfeldt und Albert Renger-Patzsch, aber auch zu Thomas Struth, Candida Höfer und Thomas Ruff. Ich lebte damals schon 20 Jahre in den USA, und es war für mich eine Möglichkeit, mich mit der Kultur, die ich verlassen hatte, zu verbinden. Ich war aber auch mit Okwui Enwezor befreundet.
kultur.west: Enwezor leitete 2002 die documenta 11 in Kassel, 2015 dann die Biennale von Venedig. Er stammte aus Nigeria und ist als Kurator sehr einflussreich gewesen. Man kann wohl sagen, dass er Afrika auf die Weltkarte der Kunst gesetzt hat.
WALTHER: Ja, er hat auch die erste bedeutende afrikanische Fotografieausstellung 1996 im Guggenheim Museum organisiert. Okwui und ich reisten damals vier Wochen zusammen von Tanger über Dakar nach Kapstadt und über Nairobi und Addis Abeba zurück nach Kairo. Das Ergebnis dieser Reise war 2006 eine Ausstellung, die in New York, später auch in Europa zu sehen war. Dadurch wurde zum ersten Mal große Aufmerksamkeit auf gegenwärtige afrikanische Fotografie gelenkt.
kultur.west: Wie haben Sie auf dieser Reise den Zugang gefunden und die Szene in Afrika kennengelernt?
WALTHER: Wir besuchten alle wichtigen Künstler*innen, Kurator*innen, Galerist*innen, Wissenschaftler*innen… – das war vor 20 Jahren. Ich lernte dabei zahlreiche Fotografinnen und Fotografen kennen, deren Werke ich erwarb, mit denen ich später Ausstellungen organisierte und Bücher publizierte. Mit vielen stehe ich bis heute in Verbindung.
kultur.west: Wenn Sie nun auf diese Künstler*innen und ihre Arbeiten schauen – was zeichnet sie aus? Welche Themen treiben Fotograf*innen dort gegenwärtig besonders um?
WALTHER: Heutzutage zeigt sich in der Fotografie ein postmoderner Paradigmenwechsel. Junge Fotograf*innen fordern dazu auf, über Fortschritt und Tradition, Vielfalt von Sexualität, Spiritualität und Wissenschaft, neo- und postkoloniale Zusammenhänge nachzudenken. Auch der Aufruf zum Kampf für Selbstbestimmung ist klar hörbar in diesen Fotografien. Hier setzt man sich für eigenständige Identitätsformung ein, fern von den kolonialen Gewaltstrukturen. Gleichzeitig sind die Arbeiten dieser jungen Generation oft auch sehr persönlich und geben Einblicke in deren private Lebensrealitäten.
kultur.west: Aktuell erfährt diese lange übersehene Fotografie afrikanischer Künstler*innen, wie überhaupt die Kunst aus Afrika, gesteigerte Aufmerksamkeit.
WALTHER:Es hat sich wirklich vieles verändert in den letzten 20 Jahren. Es gibt jetzt Messen für afrikanische Fotografie, spezialisierte Galerien in den großen afrikanischen Städten, aber auch in New York, London und Paris. Genauso werden Ausstellungen in allen wichtigen Museen weltweit präsentiert, die afrikanische Kunst auch in Dialog mit westlicher bringen.
kultur.west: Allenthalben möchte man sich vom westlich, männlich, weiß geprägten Kanon verabschieden. Wie macht sich das bemerkbar in der Szene und für Sie als Sammler, der Ausstellungen ermöglicht?
WALTHER: Unsere Sammlung in Neu-Ulm hat seit der Eröffnung 2010 großes Interesse erfahren, aber gerade in den letzten Jahren häufen sich die Anfragen für Kollaborationen immens. Im kommenden Jahr stehen gleich mehrere große Ausstellungen an, die wir gerade konzipieren. Kunst vom afrikanischen Kontinent ist sehr gefragt. Dies bietet zeitgenössischen Künstler*innen die Chance, sich zu etablieren – und uns, sie zu entdecken.
Artur Walther
In den 90er Jahren begann der einstige Wall-Street-Banker Kunst zu sammeln – vor allem Fotografie aus Afrika und Asien. Artur Walther (Jg. 1948) betreibt Ausstellungshäuser in seiner Heimatstadt Neu-Ulm und in der New Yorker Wahlheimat. Letztes Jahr erhielt er den Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie.
Kunstsammlung NRW, K21, Düsseldorf
»Dialoge im Wandel. Fotografien aus der Walther Collection«
bis 25. September