Aus der Not eine Tugend zu machen, das ist zumeist eine Kunst. In Düsseldorf beherrschen sie die ganz gut. Zumindest wenn es um das New-Fall-Festival geht – einen Konzertreigen, der normalerweise jeden Herbst an mehreren Orten der Stadt die größten Noch-Geheimtipps des Indie- und Alternative-Pop präsentiert. Denn: Im vergangenen Jahr sollte das New Fall zum zehnten Mal stattfinden. Eine Jubelsause, keine Frage. Dann aber kam die Pandemie.
Das Festival wurde sehr frühzeitig verschoben und durch eine abgespeckte Sommer-Variante ersetzt, die »Summer Edition«. Nichts Gigantisches. Ein paar kleine Konzerte in einer Zeit, in der sonst nichts ging. Ein paar kleine Konzerte, die Hoffnung geben sollten. Doch die Pandemie blieb bekanntlich. Auch das Nachhol-Jubiläum wurde abgesagt. Und auf einmal griff dann eben das Ding mit der Tugend, die aus der Not geboren wird: Ehe im Herbst 2022 ganz sicher die Jubiläumsfeier begangen werden soll, stellten die Veranstaltenden um New-Fall-Chef Hamed Shahi Moghanni eine weitere Summer Edition zusammen, die es in sich hat. Denn das Line-Up besteht neben einigen vielversprechenden Neulingen vor allem aus Protagonist*innen, die der Indie- und Alternative-Musik in den vergangenen Jahren ihren Stempel aufgedrückt haben.
Da wären vor allem Sophie Hunger (19. Juli), Tocotronic (21. Juli), Die Sterne (26. Juli) und Drangsal (4. August). Sophie Hunger, Schweizerin mit Wahl-Heimat Berlin, hat sich mit ihrem Pop, der auch den Soul, den Jazz und die Singer-Songwriter-Kategorie streift, einen Namen sowie Musikexperten und -Nerds kirre gemacht. In kluge Arrangements verpackt singt sie ihre nicht minder klugen Texte wahlweise auf Deutsch, Englisch, Französisch und Schweizerdeutsch. Das aktuelle Album »Halluzinationen« geriet einmal mehr zur Feier des musikalischen Indie-Pioniertums, das Neugier, Eigensinn und grenzenlose Fantasie miteinander verknüpft.
Tocotronic und Die Sterne wiederum sind als Gründerväter der sogenannten Hamburger Schule geläufig – und somit als personifizierte Blaupause eines innerdeutschen Musikgenres, das seit dessen Auftauchen in den 90er Jahren zig Bands zu Punk, Postpunk und in Gitarrenriffs verpackte Geschichten-Erzählerei animierte.
Zu diesen Inspirierten gehört nicht zuletzt der Musiker Drangsal, bürgerlich Max Gruber. In der Pfalz aufgewachsen entwickelte er eine beeindruckende Gier nach Ausbruch aus der Provinz, Revolte und Do-it-yourself-Geist. Heute steht er als extrovertierter Frontmann auf der Bühne, um seinen Sound aus Wave, Electro und Punk unter die Menschen zu bringen. Im Sommer erscheint sein neues Album »Exit Strategy«. Auf dem Cover: Drangsal, verkleidet als Teufel. Das passt. Düsseldorf bekommt Besuch vom leibhaftigen Musik-Verrückten.
Wer sonst noch dabei ist, wenn die »Summer Edition« ansteht? Vor allem: Hundreds und Charlotte Brandi (28. Juli), Alice Phoebe Lou (2. August), Faber (9. und 11. August), Allie Neumann (16. August) und Provinz (18. August). Kurzum: Die Generation, die auf die genannten, wenn man so will, Headliner folgt und die Geschichte des Indie Pop weiterschreibt.
19. Juli bis 18. August
Ehrenhof, Düsseldorf