Die neue Platte der Blackberries trägt einen deutschen Namen: Sie heißt »Vorwärts Rückwärts«. Darauf allerdings sind fast nur englischsprachige Songs – kann sich diese Band nicht entscheiden? Oh doch, aber die Welt ist nun mal kompliziert. »Der Titel zeigt die Doppeldeutigkeit von Vorwärts, wie auch von Rückwärts. Beides kann positiv Fortschritt und Zurücktreten, kann aber genauso auch Schlechtes bedeuten, wie grenzenloses Wachstum oder veraltete Werte«, meint Keyboarder Joscha Justinski.
Angefangen haben die Blackberries als Indie-Band der 2000er Jahre ganz im Stil von Oasis oder Mando Diao. Ab dem zweiten Album, »Greenwich Mean Time«, fanden sie zu einem psychedelischen, krautigen Sound, der aber immer noch die poppigen Melodien und den melodischen Gesang von Julian Müller beibehält.
Mit ihrem mittlerweile fünften Album ist die Band nicht nur musikalisch und inhaltlich dialektischer geworden, sondern auch politischer. Der Song »After The War« ist erschreckend aktuell, dabei ist dieser weit vor dem Ukraine-Krieg entstanden. Auch sonst thematisieren die neuen Songs den Klimawandel (»The Moor«) und die Rastlosigkeit unserer Welt (»Vorwärts«). »Kunst muss nicht politisch sein, aber die Texte spiegeln eben auch die Gegenwart, in der wir leben, wider«, so Keyboarder Joscha Justinski. Auch wenn die Vier aus NRW kommen und bislang mehr Geheimtipp als Stadionfüller sind, ist es doch ihre Musik, die durch Umwege auf der ganzen Welt zu hören ist. Nach Gigs in China oder in den USA beim SXSW-Festival wird ihre Single »The Moor« von mehreren Radios in Brasilien gespielt – ihr Bezug zum Urwaldsterben im Amazonas-Gebiet ist erschreckend aktuell.
Songs wie »The Moor« besitzen, auch mit politischer Botschaft, Ohrwurmcharakter, während die deutschsprachigen Songs wie »Vorwärts« oder »Rückwärts« Highlights sind, die an Bands wie Can und Klaus Johann Grobe erinnern. So paart sich psychedelischer Sound mit aktuellen Botschaften.
Trotz ihres Erfolgs sind die Blackberries ihrer Heimat verbunden geblieben. Ein Vor- und Nachteil, wie Sänger Julian Müller sagt: »Auf der einen Seite ist Solingen eben so klein, dass man sich leicht vernetzen kann, auf der anderen Seite wurden wir gerade in den Anfangszeiten schon als Provinzband vorverurteilt.« Insbesondere ihm sei die Solinger Musikszene aber wichtig, deren Geschichte er während der Lockdowns recherchiert hat. Auf dem Album »Greenwich Mean Time + 1« fand sich sogar ein Song auf Solinger Platt. Zudem entstand die Ausstellung »Rock City Is Electric« inklusive einer Show, moderiert vom ehemaligen Geier-Sturzflug-Sänger und Radio-Urgestein Klaus Fiehe. Demnächst soll noch ein Buch folgen. Entscheiden können sich die Blackberrries also sehr wohl.
»Vorwärts Rückwärts« ist erschienen auf Unique Records