Es war einmal in Rees-Haldern, einem gemütlichen Dorf am Niederrhein: Im Jahre 1981 suchte dort eine Handvoll Messdiener eine Steckdose für ihre Musikanlage, denn sie wollten eine Open-Air-Party feiern. Auf dem »Alten Reitplatz« wurden sie schließlich fündig und beschallten bald die ganze Umgebung. Nachdem sie Freude an der Sause gefunden hatten, wurden 1984 die Plattenteller gegen Live-Musik getauscht, und das Haldern Pop Festival war geboren. Seitdem ist viel passiert. Größen wie Extrabreit, Bob Geldof und Tocotronic spielten zwischen Wiesen und Kuhweiden, ganzjährige Locations wie die Haldern Pop Bar haben sich im Dorf etabliert.
Doch das Festival ist sich trotzdem treu geblieben. Es findet noch immer auf dem Alten Reitplatz statt, und die Veranstalter schließen kategorisch aus, woanders hinzuziehen. Das Haldern-Pop ist jedes Jahr nur rund 7000 Besuchern vorbehalten, denen dafür eine kilometerweite Matschwüste und schlaflose Nächte erspart bleiben. Haldern ist eben auch als Festival ein Dorf.
Dabei beweisen die Macher ein untrügliches Gespür für Newcomer*innen aus der Pop- und Indie-Ecke. Angereichert wird das Programm mit etablierten Acts und mit einer treuen Fangemeinde, die ebenfalls die Beschaulichkeit und familiäre Atmosphäre schätzen. Nachdem das Festival aufgrund von Corona in den vergangenen zwei Jahren nicht oder nur eingeschränkt stattgefunden hat, kann der Reitplatz in diesem Jahr wieder komplett gefüllt werden.
Von Jazz bis Hip-Hop
Geboten wird den Besucher*innen eine musikalische Bandbreite, die von Jazz über Singer-Songwriter-Musik bis hin zu Hip-Hop reicht. Die kanadische Band BadBadNotGood spannt gleich den ganz großen Bogen. Das Trio, bestehend aus Saxophon, Bass und Schlagzeug, kann wohl lupenrein dem Jazz zugeordnet werden, doch hört man auch hier die Hip-Hop-Sozialisation der einzelnen Musiker. Die britische Band Black Midi wurde bereits als »Erneuerer der Rockmusik« gepriesen – und hört sich nach viel an. Einerseits ist da die klassische Rockband-Besetzung, andererseits klingt es plötzlich mal nach Jazz, und in den Songtexten wird gern Marlene Dietrich beschworen. Sänger und Bassist Cameron Picton zählt dabei – ganz Kind des Internets, das ihm ein reiches digitales Kulturarchiv bietet – Olivier Messiaen, Actress oder Bert Jansch als Einfluss auf. Gerade live entlädt sich diese explosive Mischung und überträgt sich auf das Publikum.
Doch auch weibliche und nicht-männliche Künstler*innen finden in überdurchschnittlicher Anzahl ihren Weg in das eher verschlafene Dorf. Die britische Musikerin Nilüfer Yanya wurde 2018 bereits in die Liste »Sound of 2018« der BBC aufgenommen, die, ähnlich wie das Haldern-Pop, ein sicherer Wegweiser für vielversprechende Newcomer*innen ist. Man verglich die Britin schon mit Radiohead und kürte sie als »Miss Universe of Music«.
In diesem Sinne muss wohl an dieser Stelle ein Hoch auf den Katholizismus ausgesprochen werden. Hätte es damals die Messdiener nicht gegeben, bliebe der Alte Reitplatz heute leer, und NRW wäre um ein lohnendes Festival ärmer.
39. Haldern Pop Festival
11. bis 13. August