Zweimal Popkultur und Rock n’ Roll in der Oberhausener Ludwiggalerie: Aktuell ein Blick aufs Design illustrierter Cover. Und ab Mai die Musikszene der Sixties durch die Linse von Linda McCartney.
Die 70er bis 90er Jahre waren musikalisch progressiv, mit ihren komplexen Klangwelten und Gitarrenorgien. Sie waren aber eine Zeit der Comics. Eine Symbiose aus beiden Kunstformen zeigt »Vinyl! Die Comic-Cover« in der Ludwiggalerie in Oberhausen. Eine Ausstellung, die Musikfans und Comic-Nerds gleichermaßen ansprechen dürfte. Kurator Dr. Eckart Sackmann hat Kooperationen bekannter Comiczeichner und Musiker zusammengetragen – von raren Erstpressungen unbekannter Indie-Bands bis zu bekannten Vinylalben internationaler Rock-Ikonen. Zu sehen sind Comic-Cover von Robert Crumb, Richard Corben und Joe Sacco, von Moebius, Alfred von Meysenbug, Chris Scheuer und Gerhard Seyfried. Sie illustrierten die Schallplatten von Janis Joplin, Jimi Hendrix, Jethro Tull, den Byrds oder Guns n’ Roses. Denn nicht nur die Rock- und Popmusik jener Zeit wurde immer aufwendiger produziert, sondern auch die Cover – und so zu begehrten Objekten für Sammler.
Als ab Ende der 80er Jahre die CD der Schallplatte den Rang ablief, hatte das Phänomen Comic gerade seinen Höhepunkt erreicht. Er entwickelte sich zu einer vielfältigen, alle Themen und Altersgruppen erreichenden Bildersprache. In den 50er und 60er Jahren waren Comics in Deutschland zunächst aber nur etwas für Kinder. Ein wichtiger Schritt zum Imagewandel von Comics war der Verkauf über den deutschen Buchhandel ab 1967. Auch im Zuge der Pop Art, dem Underground und einem kleinen gallischen Krieger wandelte sich gegen Ende der 60er Jahre die Einstellung zum Comic.
René Goscinnys Geschichten über Asterix las man auch als Erwachsener in gebildeten Kreisen und die Zigarettenmarke Gauloises warb damit, dass ein Student seine Bücher links liegen lässt, um sich dem neuesten Asterix-Album zu widmen. Die 80er Jahre waren das Experimentierfeld der neuen »Erwachsenen-Comics«. Aus den USA, aber auch aus Frankreich und Belgien fanden sie ihren Weg schließlich auch nach Deutschland. Für die damalige Kreativszene lagen Rockmusik und Comics nah beieinander. Comiczeichner*innen hörten bei der Arbeit Musik und hegten den Ehrgeiz, wenigstens einmal das Cover einer Platte zu gestalten.
Seit seinem Cover für Janis Joplin 1967 zählte Robert Crumb zu denjenigen, die Underground-Comics und Rockmusik perfekt miteinander verknüpften. Joe Sacco, der in den 90er Jahren mit seinen Comic-Reportagen bekannt wurde, tourte 1988 mit der Garagenrock-Band Miracle Workers und gestaltete ihre Cover. Matt Groening war, bevor er 1989 die Fernsehserie »The Simpsons« kreierte, Comiczeichner, Musikjournalist und Mitglied der Rockband Rock Bottom Remainders, die aus Schriftstellern und Comiczeichnern bestand. Oft waren aber auch die Musiker selbst Fans von bekannten Zeichner*innen: Die Mitglieder der Rockgruppe Gasolin’ verehrten Tintin aus »Tim und Struppi«. Als sie für das Klappcover ihrer ersten LP von 1971 ihren Bandnamen auf eine Zeichnung aus dem Comic »Die sieben Kristallkugeln« setzen wollten, fragten sie Hergé an – der prompt zusagte.
Durch die Musikszene mit Linda McCartney
Ikonische Plattencover sind auch Teil einer ab 15. Mai in der Ludwiggalerie gezeigten Ausstellung, die einer der bekanntesten Fotografinnen der 60er Jahre gewidmet ist: Linda McCartney. Durch den ersten Lockdown war sie nie an den Start gegangen – und wird nun nachgeholt. Die Bilder stammen aus der Sammlung von Ina Brockmann und Peter Reichelt, die sie Anfang der 1990er Jahre mit Linda McCartney selbst zusammenstellten.
1941 geboren als Linda Louise Eastman, hatte die US-Amerikanerin zunächst Kunstgeschichte an der Universität von Arizona studiert, bevor sie Mitte der 1960er Jahre zu fotografieren begann – und in den Sog der Rock- und Popszene geriet. Eine Einladung zu einer Promotion-Party der Rolling Stones auf einem Boot, das auf dem Hudson River schipperte, ergriff sie als Chance, um die Band zu fotografieren. Das Town and Country-Magazin war von ihren Fotos so beeindruckt, dass es ihre Bilder veröffentlichte – ihr erster von vielen Magazinaufträgen. Und der Anfang ihrer Karriere.
»Es waren die Zeiten, als Jimi Hendrix aus heiterem Himmel in mein Apartment geschneit kam und ich mit Jim Morrison in Chinatown zum Essen ging. Einmal kaufte ich mit Janis Joplin Erdnussbutter für ein mitternächtliches Festmahl, ein andermal kurvte ich mit Jackson Browne mit der U-Bahn durch die Stadt.«
Linda McCartney
Ihre Bilder dokumentieren die musikalische Revolution des Jahrzehnts. Während ihrer Arbeit als Hausfotografin im Fillmore East in New York City fotografierte sie B.B. King, The Doors, Frank Zappa, The Beach Boys, Cream oder Jimi Hendrix. 1967, nachdem sie zur US-Fotografin des Jahres gekürt worden war, reiste sie nach London, um einen Auftrag über die »Swinging Sixties« zu fotografieren. Linda Eastman traf Paul McCartney bei der Veröffentlichung von Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band. Zwei Jahre später heirateten sie.
Vor allem ihre Bilder der großen Musikstars der späten 1960er Jahre prägen bis heute unser Bildgedächtnis dieser Zeit. Janis Joplin, Nico und Brian Jones, The Doors und The Who, Aretha Franklin und Bob Dylan wurden von ihr in entwaffnender Natürlichkeit ins Bild gesetzt. 1968 fotografierte sie Eric Clapton für die Ausgabe des Rolling Stone – als erste weibliche Cover-Fotografin. McCartney beobachtete die Entstehung des berühmten Covers zu Abbey Road und gab intime Einblicke in ihr Familienleben. Ihre in Oberhausen gezeigten experimentellen Sunprints zeigen durch das Tageslicht, durch die Sonne, belichtete Bilder, die vom Stillleben bis zum Porträt reichen.
Begleitend zu den Fotos gibt es aber auch hier einen weiteren Ausstellungsteil über Plattencover: Gezeigt werden etwa Hipgnosis»The Dark Side of the Moon« für Pink Floyd, Klaus Voormanns »Revolver« für die Beatles oder Andy Warhols »Sticky Fingers« für die Rolling Stones. Zudem wird ein Soundwalk eingerichtet – für musikalische Spaziergänge in die 60er Jahre.
»Viny! Die Comic-Cover« bis 8. Mai 2022
»Linda McCartney – The Sixties and more« 15. Mai bis 11. September 2022