Die Donots aus Ibbenbüren gehören seit 1994 fest zur hiesigen Musiklandschaft und sind – obwohl sie nie den gleichen Erfolg wie ihre guten Freunde Die Toten Hosen hatten – unkaputtbare, maximal nette Punkrocker. Ihr neues Album »Heut ist ein guter Tag« ist textlich ein optimistisch gehaltener Aufschlag in Gesellschaftskritik und changiert musikalisch wunderbar eklektisch zwischen Ramones-Tempo und The-Clash-Spielereien. Ein Gespräch mit Sänger Ingo Donot und Schlagzeuger Eike Herwig an einem Morgen in Köln über die neue Platte und den Unterschied zwischen Sub- und Mainstreamkultur.
kultur.west: Sie haben 2022 das Festival Rock am Ring vor Zehntausenden Fans eröffnet, laden aber am frühen Morgen zum Interview. Offenbar sind die Donots nach wie vor keine Rockstars – denn die stehen ja vor 12 nicht auf.
INGO DONOT: Das liegt daran, dass das, was wir machen, unseren Kindern vollkommen egal ist. Wir haben mittlerweile elf Bandkinder, fünf Familien – und müssen natürlich sehen, dass wir das alles entsprechend timen. Und an Tagen wie heute werden dann eben auch Interviews entsprechend gelegt. Auf 10 Uhr.
EIKE HERWIG: Ja, das ist alles nicht ganz unkompliziert. Denn wir proben ja auch nach wie vor in Münster.
kultur.west: Nun, Münster ist eine schöne Stadt, die wohl eine regelmäßige weite Anreise zur Bandprobe lohnt.
DONOT: Wir hatten eher das große Glück, dass wir dort ein altes Tonstudio in einem Weltkriegsbunker gefunden und das über drei Jahre für unsere Zwecke ausgebaut haben.
HERWIG: Wir fühlen wir uns dort rundum wohl und überlassen das Studio auch anderen Bands gegen einen schmalen Preis. Damit finanzieren wir einen Teil unserer Miete.
kultur.west: Das bislang letzte Album hieß 2018 »Lauter als Bomben«. Sarkastisch gesagt: Der Titel hätte jetzt auch ganz gut gepasst…
DONOT: Ja, schon. Aber wir haben uns gesagt: Wenn es eine Marschrichtung gibt, dann wird es nun ein Album, das eine gewisse Leichtigkeit und nicht diese totale Schwere auf den Schultern hat, die diese Zeit gerade mit sich bringt. Die neuen Songs sollten eine Positivität haben, ohne die derzeitige Situation nicht zu ignorieren. Wir wollen sagen: »Heute ist ein guter Tag«, aber den Geist des Punks im Subtext erhalten.
kultur.west: Im Intro singt die junge Tochter Ihres Gitarristen vom »Weltuntergang«. Sind Dramen und Tragödien, wie es sie derzeit weltweit gibt, Voraussetzung für gute Musik?
DONOT: Künstler müssen nicht zwingend todtraurig sein. Aber ich glaube, es hilft, wenn sie in gewisser Weise getrieben sind – und dabei womöglich leiden. Musik brauchte eine Richtung. Eine Haltung. Und das, was Subkultur-Musik in dieser Hinsicht besser macht als gesichtsloser Poprock aus dem Radio, ist, dass Menschen für einen Moment in eine Richtung geeint werden. Man schwört sich ein auf ein gemeinsames Ziel. Das gibt es im Mainstream-Pop nicht. Da schaut man sich beim Tanzen immer nur auf die eigenen Füße und finden alles ganz happy go lucky. So ist die Welt aber nicht.
kultur.west: Wann haben Sie denn zuletzt einen wirklich guten Tag erlebt – und wann einen, von dem Sie das nur ironisch behaupten konnten?
DONOT: So was kommt ja immer darauf an, wie man einen Tag angeht und was man aus ihm macht. Aber am Ende sage ich sowieso: Wir müssen diesbezüglich Demut zeigen, wenn wir über schlechte Tage reden. Denn: Wir leben nicht in einem Land, in dem uns den ganzen Tag Bomben auf den Kopf fallen. Wir haben ein Gesundheitssystem. Natürlich kann man sich darüber beklagen, dass wir in Deutschland auch 2023 noch über Gleichstellung reden müssen. Aber trotzdem haben wir hier eigentlich jeden Tag den besten. Und gerade wir als Donots. Wir dürfen seit drei Dekaden das tun, was uns am meisten Spaß macht. Das kann man sich für kein Geld kaufen. Nur das hat Substanz. Und genau das muss man fühlen und rüberbringen. Dann braucht man auch keine Pyrotechnik auf der Bühne.
kultur.west: …die gehört heutzutage ja zum guten Ton bei Rockkonzerten.
DONOT: Ja, aber ohne despektierlich zu klingen: Viele der heutigen Metalbands reißen auf der Bühne nur noch ein Gesten- und Manierismen-Feuerwerk ab. Sie denken: »Dies und das muss passieren, damit das Publikum das frisst.« Und das will ich nicht. Hier setzt ja auch unser Song »Neun Leben« an.
kultur.west: Darin geht es um Katzen. Warum?
DONOT: Dieser Bick von außen auf uns Menschen fasziniert mich. Katzen haben dieses Geheimnisvoll-Düstere. Dieses Eigenbrötlerische. Dieses Anmutige. Und das steckt in diesem Song und macht ihn zu einer Analogie, worum es Kunstschaffenden der Subkultur geht: Du brauchst nicht das größte Stück vom Kuchen. Du findest alles, was du brauchst, unter dem Radar. Das reicht aus, um Trendwellen zu überleben. Genauso wie bei Katzen: Die kommen nach Hause, lassen sich füttern, hängen rum – sind ansonsten aber immer für sich unterwegs.
kultur.west: Zudem singen Sie von »radikalen Passivisten«, die sich nicht engagieren gegen Rassismus, Klimawandel. Sind Sie selbst manchmal radikale Passivisten – auch als Künstler, die in der Öffentlichkeit stehen?
DONOT: Ich glaube nicht, dass man in jedem Song politisch sein muss. Am Ende des Tages ist das, was wir bieten, ja auch Eskapismus: Kopf ausschalten, eine gute Zeit haben. Aber was ich nicht gutheiße: Wenn du dich abseits der Bühne nicht positionierst. Dann ist das für mich eine stille Mittäterschaft. Und das zeigt dieser Song auf humoristische Art.

»Heut ist ein guter Tag« erscheint auf dem bandeigenen Label Solitary-Man-Records und ist das zwölfte Album der Donots, die während ihrer aktuellen Tour unter anderem am 27. April im Kölner Palladium gastieren.