Sie sitzt hinter dem Schaufenster mit dem Rücken zum Gehweg. Die schwarze Jogginghose ist mit Farbe verfleckt, und neben der Künstlerin liegt eine Papiertüte aus der Bäckerei. Es sieht nach Pause aus. Cristiana Cott Negoescu steckt mitten in der Arbeit, nur ein paar Tage bleiben ihr bis zur Ausstellungseröffnung im Düsseldorfer Weiden Space. Ein großes kegelförmiges Gerüst, das vor ihr auf dem Boden steht, wird gleich mit Alu als Nebelhorn verkleidet. Noch nicht vor Ort sind eine Nebelmaschine und die Erde, mit der sie im hinteren Teil des Raumes einen kleinen Hügel aufschütten will.
Wie ist es, wenn man sich verloren fühlt? Wenn einer im Ungewissen tappt, Hilfe und Orientierung sucht? Wenn der Boden keinen sicheren Halt mehr verspricht? Solchen Fragen will sie hier multimedial nachspüren. Sichtbar und fühlbar soll ihre immersive Installation sein und auch hörbar, deshalb kooperiert Cott Negoescu diesmal mit der Sounddesignerin Antonia Alessa Virginia Beeskow. Nebelschwaden werden den Offspace an der Ackerstraße erfüllen und die rettenden Klänge eines Nebelhorns. Den Hügel weiter hinten soll man betreten, um mit den Füßen zu erfahren, wie es sich anfühlt, wenn Beben und Explosionen die Erde erschüttern – unter der Aufschüttung wird ein Subwoofer versteckt.
Flucht und Fremdsein, darum geht es ihr beim Auftritt im Weiden Space. Immer wieder sind es solch große, brennende Themen, die Cott Negoescu in ihren Arbeiten angeht – von Migration bis Ausbeutung, von KI über Schönheitsideale bis zu Umweltzerstörung. »Man muss etwas bewegen«, betont sie. »Wenn Kunst nicht sozial oder politisch engagiert ist, dann hat sie für mich keine …«, dann stockt sie einen Moment. »Keine urgency, würde ich im Englischen sagen.« Die 1991 in Rumänien geborene Künstlerin hatte in Groß Britannien Medienproduktion studiert, bevor sie nach Düsseldorf kam. Eigentlich habe sie mit ihrer Kunst erst hier an der Akademie die klar politische, soziale Zielrichtung eingeschlagen.
»Man muss etwas bewegen«
Cristiana Cott Negoescu
Schon während des Studiums in der Klasse von Dominique Gonzalez-Foerster ging sie immer wieder an die Öffentlichkeit mit ihren Werken – oft Installationen, die in Performances bespielt werden, zum Teil erweitert und bereichert durch Fotografie oder Poesie. In einem leeren Haus in Düsseldorf Kaiserswerth etwa installierte sie 2020 vier sogenannte Käfigwohnungen, von Gittern umgebene Etagenbetten, wie sie in Honkong als Unterkünfte benutzt werden. Täglich über Stunden konnte man den Performer*innen hier beim Leben zuschauen – Essen, Aufräumen, Ausruhen… Ein paar Monate darauf konnte man Cott Negoescu dann in der Kunsthalle Düsseldorf bei der irrwitzigen Optimierung des eigenen Körpers mit Gels, Schröpfgläsern und einem Massagegerät gegen Cellulite zuschauen und zuhören, wie sie dabei ein selbstverfasstes Gedicht rezitiert.
Die Zeiten, in denen sich Künstler*innen zurückzogen, um im Stillen das »geniale« Kunstwerk zu schaffen, seien vorbei, da scheint sie sehr sicher. Cott Negoescu versteckt sich nicht, arbeitet am liebsten vor Ort. Wie jetzt im Weiden Space. Ein Atelier hat sie nicht und braucht auch keines. Ihr reiche das Notebook zur Recherche, sagt sie. Wobei es nicht nur um Inhalte gehe, sondern ebenso um neue Projekte, Stipendien, Ausstellungsmöglichkeiten. Denn sie verwirklicht ihre Werke in der Regel nur, wenn es einen Anlass gibt und einen Ort, wo sie gesehen werden. On stock produziere sie kaum etwas.
Wenn die Schau schließt, bleibt wenig: Fotos und Filme, die den Auftritt dokumentieren. Manchmal auch eine Edition, die das Erlebnis, die Atmosphäre in Erinnerung ruft – ein Souvenir nicht mehr.
Name: Cristiana Cott Negoescu
Alter: 32 Jahre.
Wohnort: Düsseldorf
Projekte: Bis 17. März ist die Ausstellung »Restraint Relief. Cristiana Cott Negoescu« im Düsseldorfer Weiden Space zu sehen. 2024 beteiligt sich Cristiana Cott Negoescu an Gruppenausstellungen in der Düsseldorfer Sammlung Philara und im Kunsthaus NRW Kornelimünster in Aachen.