Max Liebermann (Charles Brauer) lässt gleich zu Anfang – berlinernd – sein überliefertes Bonmot los: »Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte« angesichts von Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, den er den »Trommler« nennt. Der Vorspann geht einen Schritt zurück: zu den »Opfern an Gut und Blut«, die der »Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens 1914« eingefordert und geleistet hat. Keine 20 Jahre später dann: der beschönigend Machtergreifung genannte Tag. Dazu war kein Griff nötig, die Regierung wurde der NSDAP offeriert. Noch können die Herren im Club spotten über den gescheiterten Viertelkünstler aus dem Wiener Asyl. Schließlich ist man kultiviert und geschäftlich etabliertes jüdisches Bildungsbürgertum, das Schubert und Strauss-Walzer hört, zu Max Reinhardt ins Theater geht, Heine rezitiert und Stefan Zweig liest, vielleicht sogar Theodor Herzl, aber niemals auf den Gedanken verfallen würde, nach Palästina auszuwandern oder wenigstens nach New York.
Diskussionen und Dispute
Florian Frerichs Film scheint weniger für den deutschen und europäischen Markt gemacht, sondern eher für ein amerikanische Publikum, das vielleicht einiges an Geschichtsunterricht mehr benötigt, nicht erst seit den vier Trump-Jahren. Allein, die Lektion ist auch hierzulande zu beherzigen. Die Dialoge sind Papier und verkünden ihren Informationsgehalt wie eine Schlagzeile. Insofern erinnert zwar die Konstellation an Lion Feuchtwangers »Geschwister Oppenheim« oder an den sozialen Querschnitt der Familie Weiss in der hoch emotionalen »Holocaust«-Serie, aber nicht die Durchführung, die sich dramaturgisch verdichtet auf Tischgespräche. »The Last Supper« spielt mit dem englischen Titel auf den Abend vor Golgatha an, den ein Jude feiert, der das Christentum begründet, während auf Deutsch in »Das letzte Mahl« ein ‚letztmalig’ anklingt.
Familienessen bei den Berliner Glicksteins in der Wilhelmstraße, serviert mit Vorspeise, Hauptgericht und Nachtisch. Das Beisammensein ist überwürzt mit Diskussionen und Disputen zur Lage. Jugend und Alter, Männer und Frauen, Rechte und Linke: eine intellektuell bebrillte Jungsozialistin mit Schiebermütze, ein gescheitelter strammer Hitlerjugendlicher, preußisch traditionsbewusste Deutschnationale, eine Zionistin, die nach Erez Israel auswandern will, ein philosophisch gestimmter Rabbiner. Als Epilog marschiert draußen der braune Fackelzug (in Dokumentar-Aufnahmen): Heute »erwacht« Deutschland »und morgen die ganze Welt«.
Seit 30. Januar erhältlich als DVD & BluRay, Apollo Film; »Das letzte Mahl« lief zuvor als Teil der Aktion »Kino gegen Rechts« in den Lichtspieltheatern.