kultur.west: Herr Bülow, steigen Sie doch mal mit einem Witz über eine*n Kolleg*in aus dem Bundestag ein.
BÜLOW (lacht): Das würde ich generell nicht machen. Ich glaube schon, dass ich Humor habe und witzig sein kann, aber politisch bin ich das nicht. Deswegen bewundere ich auch die Leute, die Satire wirklich beherrschen. Ich mag am ehesten Situationskomik und Schlagfertigkeit im Gespräch. Das kann auch mal im Politischen sein, aber trifft eher im Privaten zu.
kultur.west: Wie ist das Verhältnis von Politik und Humor?
BÜLOW: Ich stelle immer mehr fest, dass die wirklichen politischen Diskussionen heute medial eigentlich im Satirebereich stattfinden, wenn man sich zum Beispiel die »heute Show« oder »Die Anstalt« anschaut.
kultur.west: Wenn Sie von Situationskomik sprechen, trifft das auch auf den Bundestag zu?
BÜLOW: Das kommt schon mal vor. Nicht unbedingt in Sitzungen, aber am Rand. Ich war lange in meiner SPD-Zeit Sprecher der Arbeitsgruppe Umwelt, da haben wir auch komische Situationen gehabt, gelacht und uns mal gegenseitig hochgenommen. Das war eine vertraute Situation, sonst ist Humor eher schwierig, weil man das Gegenüber nicht unbedingt kennt und einschätzen kann. Ich selber bin in der Politik eher der unkomische Typ.
kultur.west: Fühlen Sie sich damit in Ihrer Partei gut aufgehoben?
BÜLOW: Ich habe mir vorher schon Gedanken gemacht, ob der Spagat zwischen Satirepartei und ernsthafter Politik funktioniert. Es ist ein Experiment und Abenteuer, aber noch zu früh, da abschließend etwas zu sagen. Erstmal fühle ich mich sehr willkommen. Ich sehe mich als sinnvolle Ergänzung zum Satiriker Martin Sonneborn. Für Menschen, die eine gewisse Sympathie für »Die Partei« haben, aber bisher nicht wagten, sie zu wählen, weil sie als politisch gestaltende Kraft nicht ernstgenommen werden konnte, kann meine »Partei«-Zugehörigkeit ein Impuls sein.
kultur.west: Will »Die Partei« denn überhaupt ernst genommen werden?
BÜLOW: Es gibt natürlich Leute in der »Partei«, die ihren Anarchismus behalten und keine ernstzunehmende politische Kraft werden wollen. Ich finde diese Haltung auch völlig legitim, aber ich würde mir wünschen, dass beides vereinbar ist.
kultur.west: Am Schluss Ihrer ersten Rede als Abgeordneter der »Partei« in der Haushaltsdebatte im Bundestag haben Sie gesagt, dass die anderen Parteien die Spaßparteien seien…
BÜLOW: Das sage ich nicht nur, weil ich jetzt in der »Partei« bin, sondern weil ich das leider sehr ernst meine. Weil teilweise einfach absurde Politik betrieben wird, nur eben unter dem Deckmantel von Seriosität. Das versuche ich schon lange aufzubrechen. Was da als Mitte gepriesen wird, das ist keine vernünftige Balance zwischen Positionen, sondern teilweise wirklich extrem. Das, was wir beim Klima machen, ist so eine Extremposition, extrem im Sinne von antiwissenschaftlich. Nicht in den Reden, aber das, was am Ende gemacht wird, ist ein Witz.
kultur.west: Sind Sie jetzt das erste Mitglied eines Realo-Flügels der »Partei«?
BÜLOW: Das wird schon von Martin Sonneborn so kolportiert. Er sei der Führer des Satire-Flügels und ich machte jetzt einen neuen Flügel auf. Es gibt wohl tatsächlich »Partei«-Mitglieder, die sich als Realos bezeichnen. Ich möchte gar keine Flügel haben.
Mit dem Erfolg ändert sich aber natürlich schon etwas. In Dortmund zum Beispiel hat die »Partei« jetzt im Rat Fraktionsstärke mit drei Mandaten und die anderen Parteien kommen und wollen Koalitionsgespräche führen. Sehr viele Menschen strömen gerade in die »Partei«, die mittlerweile über 50.000 Mitglieder – mehr als die AfD – hat. Das sind zum Teil sicherlich auch Leute, die realpolitisch etwas erreichen wollen.
kultur.west: Mit Ihrer Erfahrung im politischen Geschäft: Glauben Sie, dass die »Partei« ihre anarchische Offenheit erhalten kann oder droht der Weg, den die Grünen ab 1983 beschritten haben?
BÜLOW: Die Gefahr, sich zu sehr anzupassen, wie seinerzeit die Grünen, gibt es immer. Zumindest vom Dresscode her ist die »Partei« mit der Uniform aus grauen Anzügen, roten Krawatten und blauen Hemden schon gut angepasst. Wir müssen uns also gar nicht wie die Grünen von Latzhosen, Turnschuhen und Strickpullovern als revolutionäre Zeichen verabschieden. Ich tue mich mit diesem Dresscode allerdings noch sehr schwer und es wurde aus der »Partei« heraus auch schon deshalb gemeckert.
kultur.west: Wie kann die »Partei«ihren satirischen Kern erhalten?
BÜLOW: Die Herangehensweise ist eine ganz andere als bei den Grünen seinerzeit. Die »Partei« ist erstmal nur dazu da, auf Strukturen aufmerksam zu machen und sie aufzubrechen. Das demokratische System braucht immer wieder Erneuerung, um lebendig zu bleiben. Überflüssig wird die »Partei« erst, wenn die anderen Parteien begreifen, dass die Strukturen, wie sie heute sind, nicht aufrecht erhalten werden können. Vielleicht braucht es dafür die »Partei« und nicht dafür, in der Regierung zu sitzen.
Marco Bülow
Seit 2002 sitzt Marco Bülow, Jahrgang 1971, als direkt gewählter Kandidat für Dortmund im deutschen Bundestag. Seine politische Laufbahn hatte bei den Jusos begonnen, für die er während seines Studiums der Journalistik, Geschichte und Politikwissenschaft im Studierendenparlament und der AStA der TU Dortmund aktiv war. Bis 2018 blieb er in der SPD und übernahm Funktionen als Sprecher der Fraktionsgruppe Umwelt und Reaktorsicherheit. Zudem war er stellvertretender energiepolitischer Sprecher. Nach seinem Austritt aus der SPD blieb er ab November 2018 als Partei- und Fraktionsloser im Bundestag, bis er im November 2020 in die »Partei« eintrat. Bülow wurde in der SPD dem linken Flügel zugerechnet und beschäftigt sich vorrangig mit Umweltschutz und Lobbyismus. Aktuell bemüht er sich um die Erstellung einer allgemeinen Ethikvereinbarung für den deutschen Bundestag.